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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Was heißt “Au revoir” und was heißt “Hausse”

20. Juli, 2007 · 12 Kommentare

Vielleicht habt ihr es bereits mitgekriegt, und wenn nicht, jetzt ist die Zeit: Robert von Heusinger sagt Au revoir la hausse. So fängt sein neuer Beitrag bei Herdentrieb an:

Es ist aus. Die Hausse, die den Dax seit 18 Monaten immer weiter nach oben getrieben hat, ist beendet. Das ist meine neue Wette: Im laufenden Jahr wird es kein neues Hoch im Dax mehr geben. Die lang ersehnte Korrektur hat begonnen.

Und so endet er:

Auf Wiedersehen Hausse. Die Wette gilt.

(18 Monate? Wohl eher 52, aber darauf komme ich später…)

Da ich auch ab und zu “Wetten” ausspreche, bin ich sofort interessiert. Schließlich ist die ganze Börse eine Wette. Und die Ansage ist schon deutlich genug.

Ich sage es gleich: ich bin optimistischer als Herr Heusinger. Für dieses Jahr habe ich bereits das Allzeithoch prognostiziert (Link oben unter “zu” ), allerdings für das Ende des Jahres (eine Halbzeitbilanz, deutliche Relativierung der “Prahlerei” und warum ich trotzdem, natürlich mit den nötigen Ergänzungen, bei meiner grundsätzlichen Linie bleibe).

Wo soll ich anfangen? – Nicht leicht. Ein großer Teil meiner Ãœberlegungen habe ich über dieses Notizbuch zerstreut. Ich bekomme nicht viel Feedback dazu, ob meine Position, oder vielmehr ihre gewisse Ambivalenz, gut genug rüberkommt. Das ist eine Ambivalenz, die ich nicht “korrigieren” kann, denn die Börse ist an sich nicht eindeutig, und trotzdem mündet sie meistens in eine recht stabile Strategie.

WTF? —

Folgendes: die Börse ist ziemlich unübersichtlich. Keiner durchschaut die komplizierten Zusammenhänge, noch weniger die zukünftige psychologische Ausrichtung der Millionen Marktteilnehmer. Dazu kommt noch das wirtschaftliche Risiko. Die Trader versuchen sich ins kurzfristige Agieren zu retten (Börsentypoliogie etwa in diesem Kommentar), sie versuchen die kleineren Schwankungen zu nehmen. Das Spiel der Spekulanten (wie ich mich bezeichnen würde) ist es, die übergeordnete Richtung des Marktes zu bestimmen, ob es eben eine Hausse oder eine Baisse ist (zur Vollständigkeit: die Geschichte kennt auch längere Seitwärtsphasen, die nicht umsonst Trader Markets heißen). Davon spricht auch Robert von Heusinger: die Hausse ist vorbei, die übergeordnete Richtung des Marktes hat sich geändert bzw. wird sich ändern. Bald. Jetzt.

Ich sage dagegen: die Hausse bleibt, aber ich habe gleichzeitig eine Korrektur angekündigt bzw. für das Wahrscheinlichste gehalten. Das ist etwas ambivalent.

Um zu klären, wie das kommt, müssen wir uns irgendwie einigen, was denn nun eine Hausse ist und was Korrektur. Wenn sich Robert von Heusinger nicht vertippt hat, “datiert” er die Hausse auf Anfang 2006. Unerklärlicherweise! Vielleicht doch vertippt – gemeint waren wohl 48 Monate (korrekter 52 Monate, seit März 2003) – na, schauen sie sich den Dax an, den Dow Jones…

Das macht die Lage nicht besser, eher schlimmer – zu lange sind wir unentwegt nach oben unterwegs. Das ist eine Hausse. Die zwischenzeitlichen Dellen im Chart sind Korrekturen. Mal hatten sie bis zu 10 Prozent erreicht, mal weniger. Da gab es auch in 2004 auch eine 7- bis 8-monatige Seitwärtsbewegung, die wir – wie Sie wollen – als Konsolidierung oder wieder als Korrektur bezeichnen können. Aber: keine Unterbrechung der Hausse.

Die große Leistung war, diese Hausse vorauszusehen, an ihr zu glauben, zu kaufen und zu halten (witzigerweise der Ansatz, dem nach meinem persönlichen Eindruck oder wie hier in dieser kleinen, nicht repräsentativen Umfrage am häufigsten widersprochen wird, weil “Relikt aus vergangenen Zeiten”). Kaufen, glauben und halten, und zwar einiger Zeit vor und/oder nach dem Wendepunkt – alles andere war “Quatsch” (ideale Bedingungen wie persönliche finanzielle Verhältnisse etc. vorausgesetzt).

Jetzt droht aber das Ende der Hausse? Meint von Heusinger Anfang einer Baisse, oder etwas dazwischen? – Ich weiß es nicht genau. Die Wette ist, dass wir die Höchstkurse für dieses Jahr gesehen haben (was wir natürlich nicht so eng auslegen wollen, so dass es genauso gilt, auch wenn die ATHs in den nächsten Tagen noch verbessert werden).

Also “au revoir”? Was bedeutet dies? – Wenn der Spekulant das Ende einer Hausse ausruft, sollte er seine Aktien verkaufen (massiv reduzieren), Cash halten oder in Festverzinslichen investieren, oder sonst was, sich auf jeden Fall auf einen “ungemütlichen Börsen-Winter” vorbereiten; wenn er Mut hat (nicht immer zu empfehlen), kann er auf die Short-Seite wechseln.

Wenn ich dies machen sollte, würde ich nicht auf 10 Prozent tiefere Kurse spekulieren; 20 Prozent günstiger ist gerade mal annehmbar. Also wie tief? Ich glaube, dass wir die Minus 20 nicht erreichen werden; mehr als Minus 10 bis Minus 15 Prozent sehe ich nicht kommen (in den großen Indizes). Und wenn wir soweit wären – sind es Kaufkurse. Ich würde sagen, dass der Dax auch jetzt ein vorsichtiger Kauf ist (für alle, die keine ausreichenden Positionen besitzen), obwohl wie gesagt, Korrektur wahrscheinlich ist. Ich würde kein “au revoir” sagen, auch wenn ich mir bewusst bin, dass bald die Indizes deutlich tiefer stehen können. Unsere liaison mag einige ungemütliche Tage durchmachen, aufgeben will ich sie nicht, die Hausse…

Richtig beobachtet! – der Markt hat sich längst von der Ängstlichkeit der Baisse gelöst, Zuversicht ist da, und auch wenn wir nicht viel Phantasie sehen können, herrscht wenigstens harte Kalkulation. Die Kennzahlen sind im Fokus, die Bewertung der Aktien wird genau analysiert, keinem ist entgangen, dass die Aktienrendite etwas höher als die langfristigen Zinsen liegt. Also, sagen sich viele, dürften 10 bis 15 Prozent nach unten (alle) möglichen Bewertungsunsicherheiten ausräumen. Das spricht eigentlich gegen Korrektur. Diese erwarte ich dennoch, denn (zitiere Robert von Hesunger):

Allein die Arithmetik der Finanzmärkte schreit nach einer Korrektur an der Börse. Steigen Euro, Ölpreis, Zinsen und Risikoaufschläge müssen Aktien fallen. Da gibt es eigentlich kein Vertun.

Das ist ein sehr “sauberer” Satz. Wenn man an seinen Analyse-Ansatz glaubt, muss man “au revoir” sagen. Die Akteure mögen 5 oder 10 Prozent tiefer schon kaufen wollen, aber werden sie unbedingt können? Die Liquidität verschlechtert sich. Heute liest man zum Beispiel Meldungen über “mehr Vernunft” bei der Kreditvergabe und den Private Equities mit ihren Leverage Buyouts (LBOs), die uns eigentlich beruhigen sollten. Aber sie schreien, die Liquidität wird knapper, die Nachfrage könnte schwächeln. So kann, trotz rechnerisch guter Bewertung, ein kleines Nachfrage-Vakuum entstehen.

“Diese Arithmetik der Finanzmärkte” kann ich sehr gut nachvollziehen, nur meine (Un-)Gleichung wird bei X kleiner/gleich Korrektur innerhalb der Hausse “erfüllt”.

Und über die Unbekannten Psychologie, “Globalisierungdividende” etc. können wir ein anderes Mal sprechen…

Kategorien: Analysen · Frontpage · Prognosen

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12 Kommentare bis jetzt ↓

  • Die Zeit - Herdentrieb » Au revoir la Hausse // 20. Jul, 2007

    [...] Es ist aus. Die Hausse, die den Dax seit 18 Quartalen (danke, Bördsennotizbuch!, nicht Monaten) immer weiter nach oben getrieben hat, ist beendet. Das ist meine neue Wette: Im laufenden Jahr wird es kein neues Hoch im Dax mehr geben. Die lang ersehnte Korrektur hat begonnen. [...]

  • micha // 20. Jul, 2007

    Danke für die Kommentare, die ich unregelmäßig, aber immer öfter lese. In vielen Punkten stimme ich Ihnen zu, aber Kaffeesatz kann keiner lesen. Die sog. Börsengesetze von vor 30 – 40 Jahren sind leider vorbei. Kein an der Börse notiertes Unternehmen ist noch an einer stetigen Unternehmensentwicklung interessiert. Nur Shareholdervalue zählt noch. Das macht es einem “normalem” Anleger schwer, langfristig in Aktien anzulegen. Man muß ständig auf der Hut sein.
    Aber dennoch. Ich meine auch, daß es demnächst eine Pause (sog. Konsilidierung) oder Baisse (Chrash) geben wird. Aber wann?
    Viele Grüße

  • Saviano // 20. Jul, 2007

    Danke auch!…

    Naja, würde ich nicht sagen. Was macht es denn schwer, langfristig in Aktien zu investieren? Sie meinen sicherlich, dass die Rendite am Ende nicht stimmen wird? Ich sehe das anders.

    Ansonsten gibt es im Moment sehr viele Möglichkeiten, auch mit kleinem Geld gute Diversifizierung zu schaffen, denn – stimmt – die einzelnen Aktien sind selbstverständlich riskanter, die Business-Zyklen möglicherweise (?) schnelllebiger etc. Aber ist das allgemeine Aktienniveau ausgedrückt durch die großen Indizes (nicht nur Large Caps) so wesentlich riskanter als früher?

    Wenn Sie jetzt meinen – Index ist nicht genug, dann muss sich der “normale” Anleger doch bitte etwas besser auskennen. Wenn “normal” eigentlich “keine Ahnung habend” bedeutet, dann worüber sprechen wir? – Der soll den Index kaufen und gut is’.

    Ich bin insgesamt nicht der Meinung, dass sich das Business-Umfeld sooo viel geändert hat, wie vor 30-40 Jahren. Die Finanzmärkte sind, klar, komplexer geworden, auch “tiefer” und “diversifizierter”, die Notenbanken aber auch erfahrener. Die Unternehmen agieren jetzt global, die Massenmedien berichten ununterbrochen, aber sie sind womöglich auch nicht so sehr kurzfristiger unterwegs als früher, wie durch den Medien-Lärm suggeriert wird. Hatten wir den vor 40 Jahren bessere Menschen, die nicht lieber jetzt Geld haben als morgen? Die Rahmenbedingungen? In Deutschland zum Teil haben sie eine “beruhigende Rolle gespielt“, in den USA wohl nicht. Der Aktienentwicklung hat es nicht geschadet.

  • kapitalmarktexperten.com » Interessante Wette auf die zukünftige Kursentwicklung // 20. Jul, 2007

    [...] Nachdem Robert von Heusinger heute in seinem neuen Beitrag beim Herdentrieb das Ende der Hausse ausgerufen hat, eröffnet der Kollege vom Börsennotizbuch eine interessante Wette. Er hält dagegen, und sieht das Ende der Hausse bei weitem noch nicht gekommen, gleichwohl auch er kurzfristige Korrekturen bis zu 15 Prozent nicht ausschließen möchte. [...]

  • heusinger // 20. Jul, 2007

    Liebes Börsennotizbuch,

    was ist Hausse, was Korrektur? Kann eine Hausse nicht auch ohne Korrektur sterben, ohne, dass sich gleich die große Baisse anschließt? Ich glaube schon. Mein wahrscheinlichstes Szenario: Es gibt demnächst ne Korrektur, und wenn es nur 15 Prozent sind, dann landen wir auch unter 7.000. Und nach der Korrektur geht’s halt dann einfach nicht mehr so rasch und zielstrebig weiter bergauf. So gewönne ich meine Wette.

    Und was, wenn wir Ende 08 mal wieder das alte Hoch kratzten? Würden Sie dann sagen, die Hausse ist noch intakt? Ich nicht. Aber hatten wir dann ne Baisse, oder einfach nur ne Wellblechbörse?

    fragt und grüßt, Ihr Robert Heusinger

  • Management-Adept // 23. Jul, 2007

    Ich denke auch, dass es bald vorbei ist mit den Kurssteigerungen. Es muss ja nicht zwangsläufig weit nach unten gehen.
    Die Anzeichen stehen nicht allzu gut für weitere Gewinne.

  • Saviano // 23. Jul, 2007

    Ich würde die “Gefahr” vor weiter (u.U. stark) steigenden Kursen nicht unterschätzen. Sie ist in meinen Augen noch relativ groß, und größer als die Gefahr vor (resp. stark) fallenden.

    Natürlich ist eine “Wellblechbörse” möglich, bzw. zur Zeit das eigentlich Logische: die Bremswirkung der schrumpfenden/restriktiveren Liquidität trifft auf relativ solider Wirtschaft und Bewertung, die Gewinne werden wohl nicht im bisherigen Masse zu steigern sein (Börse also vorsichtig mit den Zukunftserwartungen = hält die Bewertungen etwas tiefer), aber auch bieten die Festverzinslichen-Renditen keine sehr attraktive Alternative… Resultat: hin und her schaukeln…

    Aber genauso wie Abruption nach unten (z.B. über Zinsen nach oben) ist, meiner Ansicht nach, auch eine nach oben möglich (z.B. über Zinsen nach unten, oder aber Wiedererstarken der US-Konjunktur). Der Markt ist in etwa “fair” bewertet, also kann uns beides überraschen: Ãœber- wie Unterbewertung…

  • Saviano // 24. Jul, 2007

    Ha! Das sollte neu sein:

    “Die dritte Erklärung ist, dass sich die Finanzmärkte beruhigt haben. Heute betrachten gut informierte, langfristig orientierte Investoren auf den Finanzmärkten Vermögenspreise größtenteils als rationale Erwartungen zukünftiger diskontierter Fundamentalwerte. Im Gegensatz dazu wurden die Finanzmärkte vor 1985 überwiegend von kurzfristig orientierten, einem Herdentrieb folgenden Händlern dominiert, denen es nicht um fundamentale Daten ging, sondern um eine Antizipation dessen, was nach Ansicht der Durchschnittsmeinung, die Durchschnittsmeinung sein werde und dies bereits zu prognostozieren, bevor es die Durchschnittsmeinung wusste. Daher konnten Zentralbanker nicht anders, als zu versuchen, eine Weltwirtschaft unter Kontrolle zu bringen, die von Schocks getroffen wurde, deren Ursache in den erratischen Veränderungen der Risikobereitschaft von Investoren und Händlern lag.”

    Aus der Analyse des Blogs Wirtschaftswunder (FTD), Bradford DeLong: Die große Mäßigung zu den Ursachen, warum große Wirtschaftskrisen seit den 80er so ziemlich ausblieben…

  • Die “Gefahr” einer Fortsetzung des Bullenmarkts • Börsennotizbuch // 11. Okt, 2007

    [...] Das habe ich im Artikel Was heißt “Au revoir” und was heißt “Hausse” geschrieben (oder ganz konkret: im Kommentar zum Artikel). Noch beleibe ich dabei. Klar, die Wirtschaft in den USA scheint abzukühlen, die Finanzkrise hat die Wahrnehmung und die Risiken der finanztechnischen Innovationen, Konstruktionen und Komplexitäten geschärft. Die Partie ist offen… [...]

  • Bären-Alarm bei Herdentrieb • Börsennotizbuch // 11. Sep, 2008

    [...] von Heusinger hat der Hausse bereits zur Jahresmitte “Au revoir” gesagt. Jetzt bekräftigt er seine Überlegungen mit einer “ernüchternden” [...]

  • Klaus Kaldemorgen: Ungemütliche Börsen-Perspektiven • Börsennotizbuch // 19. Nov, 2008

    [...] sagt Kaldemorgen auch (kann ich als Ergänzung zur Antwort auf das Kommentar von micha beifügen): mm.de: Kann der Privatanleger sich da noch zurecht [...]

  • Marne // 4. Feb, 2010

    Was würdest du jetzt zum Dax sagen?

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