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Ich sage: Inflation

4. Juni, 2009 · 9 Kommentare

Inflation vs. Defaltion

Eine sehr grundsätzliche und wichtige Debatte entzweit die Ökonomen zurzeit. Was sollen wir befürchten: Inflation oder Deflation?

Die Frage ist wohl nicht nur akademischer Natur oder aber alleine aus geldpolitischer Sicht interessant. Auch für die Investoren wird die Inflationsentwicklung eine sehr wichtige Rolle spielen. Selbst für die Perspektiven an der Börse scheinen mir die inflationssensiblen Rentenmärkte das ausschlaggebendere “Schlachtfeld” zu sein.

Die Argumente der “Inflationisten” drehen sich meist um zwei Punkte:

  • Die Fed “druckt” viel zu viel Geld (Stichwort: Notenpresse).
  • Die Staatsschulden (und zwar nicht nur in den USA, aber dort ganz besonders) steigen rapide und sind bereits so hoch, dass die Regierung(en) praktisch nicht umhin können als sie “wegzuinflationieren”.

Einzelne Stimmen hören sich zum Beispiel so an:

Max Otte (er ergänzt noch um die “verlustproduzierenden” Industriegiganten, die sich jetzt in staatlicher Hand befinden, NZZ Online):

“Für den Staat nimmt das Risiko zu, zumal er die Scherben zusammenwischen musste und Miteigentümer von Konzernen in Schieflage wurde”, sagt Otte. Die US-Regierung besitzt inzwischen tatsächlich ein Portfolio von Giganten, die zum Teil hohe Verluste produzieren: eine Mehrheit am Versicherungskonzern AIG, an den Hypotheken-Finanzierern Fannie Mae und Freddie Mac, 36% an Citigroup und demnächst 72,5% an einer neuen General Motors, um nur die wichtigsten zu nennen. Politiker fordern zudem eine Ausdehnung der staatlichen Angebote im Gesundheitswesen. Die Gefahr wächst, dass die gewaltige Last den Staat irgendwann überfordern wird.

Oder auch der britische Historiker Niall Ferguson (dessen Buch “Der Aufstieg des Geldes” ich gerade lese) im gleichen Artikel:

Diese Politik ist bekannt unter dem Stichwort Gelddrucken und wurde von vielen Regierungen in den 1970er Jahren praktiziert – mit entsprechenden inflationären Folgen.

Paul Krugman , auf der anderen Seite, äußert jedoch vernünftige Kontra-Argumente (“The first story is just wrong. The second could be right, but isn’t”):

  • Das Geld, das die Fed “druckt”, kommt nicht in den Umlauf, sondern lagert über den kurzen Umweg über die Banken wieder bei der Fed.
  • Der zweite Punkt ist diffuser. Manchmal führten hohe Staatsdefizite zu Inflation, manchmal auch nicht. Bei einigen Ländern waren die Schulden im Verhältnis zum BIP genauso hoch oder auch höher, und Inflation gab es trotzdem keine. Offensichtlich besteht kein Automatismus.

Nicht zu vergessen ist “unser” Dieter Wermuth mit seinem überzeugenden Deflations-Ausblick.

Das Ganze trägt — scheint mir — trotzdem die Züge eines Tippspiels… Und ich tippe anders — ich tippe auf Inflation. Eine einfache Ãœberlegung (die sicher nicht mit dem wissenschaftlichen Niveau der Ökonomen mithalten kann):

Wir hatten offensichtlich einen riesigen Ãœberschwang am Kreditmarkt. Assets wurden viel zu hoch bewertet und Kredite wurden nur so ausgeteilt… Eine riesige Wertkorrektur ist folgerichtig im Gange. Die Regierungen haben sich entschlossen die Lücken aus dieser Wertberichtigung als Kapital- und Kreditgeber zu füllen. Das heißt, der Staat nimmt Missgeschick, Schulden und Verluste der Privaten auf sich. Es findet eine Umverteilung vom Privaten auf die Allgemeinheit statt.

Der Staat erledigt dies aber nicht mit “Eigenkapital”, sondern tritt als Intermediär für Kredit anderer Kapitalgeber auf (er kann das aufgrund seiner hohen Bonität). So werden die Gläubiger der Allgemeinheit die Lücken füllen und die Kosten tragen (welche zweifelsohne entstanden sind). Diese Gläubiger sind wiederum wir alle: entweder als Anleihenkäufer oder als Steuer- und Sozialabgabenzahler. Die Inflation ist jene mächtige Umverteilung von Vermögenswerten von Gläubigern auf Schuldner, die diesen Prozess “sauber” (anstelle einer direkten steuerlichen Abgabe) bewerkstelligen kann. “Sauber” bedeutet nicht “gerecht” oder “gleichmäßig”.

Nur, ich halte es für übertrieben von einer sehr hohen Inflation auszugehen. Ich vermute, wir werden ab dem nächsten Jahr eine unangenehme Teuerung sehen, die aber in einer Range von 3 bis 5 Prozent gehalten werden kann.

Anmerkung: Dieser Beitrag ist wohl eher als Notiz zu verstehen. Ich selber habe keine Klarheit gewonnen. Ich sehe auch die Überkapazitäten und die hohe Arbeitslosigkeit, die einen Preisauftrieb gar nicht leicht zulassen dürften. Irgendwann schrieb ich, dass eine Inflation an den Gütermärkten viel weniger wahrscheinlich ist als eine an den Asset-Märkten (und viel später einsetzen wird, wenn es soweit ist; z.B. hier und hier). Dies ist eine Art Mittelweg, der womöglich richtig ist oder aber nur meine Unentschlossenheit widerspiegelt.
 
Also nicht wundern, wenn ich zu diesem Thema auch mal Gegensätzliches poste — das ist der Prozess der Meinungsfindung…

Kategorien: Analysen · Frontpage · Inflation

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9 Kommentare bis jetzt ↓

  • egghat // 4. Jun, 2009

    Ich glaube auch, dass die beiden Sachen so nahe wie noch nie beieinander lagen. Was natürlich sehr blöd ist, weil daran komplett gegensätzliche Anlageentscheidungen hängen. Bei Inflation Sachwerte (am besten über einen festverzinslichen Kredit gehebelt), bei Deflation Cash und bloß keine Schulden.

    Das einzige, was ich mir nach *der* Krise NICHT vorstellen kann, sind 10 (oder 20) Jahre Wachstum bei moderater Inflation, die nur von kleineren Krisen unterbrochen werden (wie 1982 bis 2001).

  • Saviano // 4. Jun, 2009

    Es ist schon sehr blöd, stimmt.

    Für die nächsten 10 (oder 20) Jahre nach der Krise kann ich nur ganz generell auf technologischen und politischen Fortschritt hoffen. Ich glaube nicht, dass wir mit den heutigen Informationen eine Prognose abgeben können.

  • Joerg // 4. Jun, 2009

    Ich gehe davon aus, dass sich die Inflation vor allem an Blasenbildungen am Kapitalmarkt wiederspiegeln wird. Es ist zwar viel Liquidität da, aber kann nicht in sinnvolle Sachinvestitionen wie Fabriken oder Maschinen abgeleitet werden.
    Die Firmen haben aktuell noch eine zu große Überproduktion und so denke ich bleiben die bisherigen deflationären Tendenzen in der Realwirtschaft wohl noch ein ganzes Weilchen erhalten.

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    [...] Somit tippt der Kapitalmarkt auffällig immer mehr in Richtung Inflation (wenn wir unsere “Inflation oder Deflation”-Diskussion in Erinnerung rufen): The genie already has his nose out. One example comes by way of the outlook [...]

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    [...] “recht teuren” Bewertung (aber auch nicht grenzenlos optimistischer). Und zweitens, erwarte ich eher Inflationsdruck (aber erst in 2010, also grundsätzlich [...]

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    [...] Zweifel — Inflation, habe ich auch schon mal gesagt, aber schön zu wissen, dass auch der langjährige Partner von Warren Buffett in die [...]

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    [...] Resultat dürfte Inflation sein. Allerdings wird sich diese Inflation zuallererst an den Kapitalmärkten abspielen und [...]

  • Google weiß alles: Inflation ist wahrscheinlicher? • Börsennotizbuch // 29. Jan, 2010

    [...] In einem früheren Beitrag habe ich mich auf die Seite der “Inflationisten” geschlagen. Dabei ging es aber nicht um die unmittelbare Entwicklung, sondern um die Perspektiven in einem 1- bis 3-jährigen Zeitraum. Seit jenem Beitrag sind nun 7 Monate vergangen, doch – so mein Zwischenfazit – haben weder die einen noch die anderen genug Beweise für die Richtigkeit ihrer Thesen. Die Inflation bleibt moderat, Deflationstendenzen sind evident, allerdings haben wir einen Anstieg der Ölpreise gesehen, der die Inflationsrate langsam wieder spürbarer steigen lassen wird. Unentschieden. [...]

  • Lukas Zeise: “Man merkt, ich werde religiös” • Börsennotizbuch // 13. Apr, 2010

    [...] sind insgesamt gültig und weder widerlegt noch bestätigt. Ich persönlich tendiere nach wie vor zu Inflation. Nur Geduld war im vorn hinein eine [...]

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