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Börsennotizbuch

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2009 — Das Jahr der Wende?

6. Januar, 2009 · 18 Kommentare

Dax-Prognose 2009/2010

Am Anfang des Jahres ist bekanntlich Prognosen-Zeit. Und es ist irgendwie üblich geworden, dass ich mich nicht jedes, sondern jedes zweite Jahr zu einem “offiziellen” Tipp traue
2008 gab es keine Kristallkugel-Geschichte, es muss also jetzt was kommen…

Man sollte deutlich sagen, das gerade begonnene Jahr ist eine echte, schwierige und riskante Herausforderung. Die Marktsituation kann vermutlich ruhig als eine der kompliziertesten der letzten Jahrzehnte bezeichnet werden.

Die Gefahren sind sehr greifbar; der Wirtschaft der Industrieländer (immer noch die gültige Bezeichnung?) geht es nicht gut. Die Schwellenländer werden vermutlich schnellen Schrittes folgen (soweit sie dies nicht bereits gemacht haben). Ãœber der Weltkonjunktur schweben gleich mehrere “Damokles-Schwerte” — von totalem Versagen des Finanzsystems ist die Rede (die sog. “Kernschmelze”), von Deflation à la Japan, von Wiederholung der Großen Depression etc. etc. etc.

Ok, ok — Sie lesen auch Zeitungen… Zur Sache, Schätzchen…

Ich verfolge auch die Wirtschaftspresse und trotzdem (oder vielleicht gerade deswegen) glaube ich, dass 2009 das Jahr der Trendwende an der Börse sein wird.

Zunächst erwarte ich noch einen holprigen Weg, wahrscheinlich unangenehme Turbulenzen, die uns durchaus tiefer und möglicherweise sogar unter die letzten Tiefstände drücken können.

Irgendwann aber im Verlauf des Jahres tippe ich auf die positive Wende.

Und da ich von einer besonderen Marktsituation sprach, nehme ich mir die Freiheit, meine Prognose nicht aufs Jahresende zu beziehen, sondern auf die nächsten 18 Monate (denn ich bin doch unentschlossen, ob die Zeit sonst am Ende nicht zu knapp wird):

In 18 Monaten sehe ich eine (ca.) 50%-ige Erholung der Aktienmärkte, würde heißen: wir werden über die 7.000 Punkte im Dax steigen.

Jesse Livermore

Zunächst wird es aber holprig. Denn noch wirken die Maßnahmen, die weltweit unternommen wurden, kaum. Die Finanzmärkte und zunehmendermaßen die reale Wirtschaft sind vor allem durch Angst und bilanzielle Effekte erstarrt. Und sind anfällig.

Auf Angst und Notverkäufe sind auch große Teile der Kursstürze an den Aktienmärkten zurückzuführen. Nicht so viel auf Überbewertung (wie sonst für Baissen üblich).

Einiges dazu habe ich in den “Bausteinen” zusammengefasst, die für mich immer noch gültig sind.

Im Laufe des Jahres müsste sich die Lage aber aufhellen:

  • Die Fed fährt ein unglaubliches Programm: Zinsen bis auf 0%, Aufkauf von notleidenden Papieren, Ausweitungen der Refinanzierungsmöglichkeiten, “Verstaatlichungshilfen”, Quantitative Easing aus dem Lehrbuch.
  • Der Ölpreis ist massiv gefallen. Für die US-Rezession kann im wesentlichen Maß der Faktor “Rohstoffinflation” mit verantwortlich gemacht werden (s. z.B. diese Lesetipps). Ergo: Mehr Cash für die Verbraucher, weniger Kosten für die Unternehmen — gut.
  • Die Aktienpreise sind vielerorts so stark zurückgegangen, dass es für meinen Begriff viel zu pessimistische Annahmen über die zukünftige Umsatz- und Gewinnentwicklung bedarf, um dieses Niveau zu rechtfertigen. Ich orientiere mich hier an den “Bedürfnissen einer mittel- und langfristigen Aktien-Nachfrage”. Auch bei Null-Prozent-Gewinnwachstum generieren die Unternehmen ein noch passables Einkommen für die nächsten — sagen wir — 5 Jahre.
  • Ja, die Menschen (vor allem die US-Verbraucher) werden mehr sparen. Der Konsum wird leiden. Aber das bedeutet mehr Ersparnisse und weniger Kapitalbedarf. Gleichzeitig wird Geld in das System injektiert (durch die Notenbanken und die Konjunkturprogramme). Dieses Geld wird irgendwohin wandern müssen.
  • Gegeben der “heißlaufenden Notenpresse” wird eher Inflation ein gefährliches Thema werden, aber wohl nicht 2009. In diesem Jahr kann im Gegenteil eine – ich vermute: temporäre – Deflation gemessen werden. Diese sollte eher in der ersten Jahreshälfte passieren und die Marktteilnehmer zusätzlich beunruhigen. Man kann aber erwarten, dass sich das Quantitative Easing der Notenbanken (wenn fortgeschritten) zunächst in die handelbaren Assets “entlädt” (und nicht in die Konsummärkte). Dies dürfte ihre (nominellen) Preise steigen lassen.
  • Aber die Frage ist, welche Assets? Ob die Marktteilnehmer nicht ausschließlich in die sichersten Anlageformen flüchten? Also werden die Zinsen eine große Rolle spielen.

    Noch sind die Festverzinslichen nicht insgesamt billig. Gefährlich billig sind die Staatsanleihen (vor allem in den USA). 10-jährige US-Bonds werfen magere 2,5% Rendite ab. Die Unternehmensanleihen hingegen weisen generell eine noch attraktive Rendite auf. Die Junk Bonds werden sogar mit extremen Abschlägen und Renditen von ca. 20% (!) gehandelt. US Municipal Bonds oder etwa die deutschen Pfandbriefe eröffnen auch interessante Möglichkeiten (verglichen mit den Staatsanleihen). Ich glaube, ein guter Teil des risikofreudigeren Kapitals wird (bzw. dürfte) zuerst hierhin fließen (vor allem in Unternehmensanleihen). Dafür wird es aber nötig sein, dass die Ausfallraten niedrig bleiben bzw. das Wirtschaftsumfeld einigermaßen stabil. Wittert der Markt niedrige Ausfallraten, wird er sich die attraktiven Zinsen sichern wollen. Das wird auch die Finanzierungssituation der Unternehmen verbessern. Im gleichen Setting kann man eine deutliche Verbesserung der Bewertungen der entsprechenden Aktien erwarten.

  • Hier sehe ich die wichtige Rolle der Konjunkturpakete. Solche Konjunkturmaßnahmen werden 2009 mit Sicherheit kommen. Die Ökonomen mögen streiten, ob sie langfristig Sinn machen oder nicht, aber das Geld wird zunächst — natürlich — eine stimulierende Wirkung haben. Und es handelt sich um keine kleinen Summen. Und nicht um eines oder zwei Länder, die solche Maßnahmen starten. Die Pakete sind substanziell und international. Sie werden aber Zeit brauchen, um verabschiedet, initiiert und/oder sukzessive umgesetzt zu werden. Der Stimulus sollte ausreichen, damit die Ausfallraten unter den vom Markt implizierten Niveaus bleiben.
  • Schließlich wollen wir hoffen, dass das Gros der Aktien langsam (aber sicher?) in die “starken Hände” wandert, die sich nicht von den nächsten und übernächsten Quartalszahlen verunsichern lassen. Die eine Dividendenrendite noch schätzen können und sonst nicht zu sehr daran glauben, dass es dieses Mal (ganz besonders) anders ist…

Ich vermute, dass ich etliche Punkte noch offen gelassen habe. Dies wird, selbstverständlich, eine laufende Diskussion sein. Wie sagt man so schön: Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt! — man wird vermutlich eine gewisse Flexibilität beibehalten und sogar beweisen müssen. Trotzdem steht die Prognose erstmal. Ein bisschen über die Natur solcher Vorhersagen habe ich vor einiger Zeit hier geschrieben.

Good luck, diehard optimists…

Kategorien: Analysen · Frontpage · Gesamtmarkt · Prognosen

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18 Kommentare bis jetzt ↓

  • Heiko // 6. Jan, 2009

    “…glaube ich, dass 2009 das Jahr der Trendwende an der Börse sein wird.”

    Einverstanden! Ich bin der selben Meinung! Guter Artikel! Weiter so im 2009! :P

  • egghat // 6. Jan, 2009

    Es gibt zwei Möglichkeiten:

    1.) Wir rutschen in eine Weltwirtschaftskrise Nr2. Dann wird das Jahr nicht positiv werden. Das muss man nicht timen.

    2.) Es wird “nur” eine schwere Rezession. Das ist das, was die meisten erwarten. Die übliche Prognose ist dann die: Die Nachrichten sind noch schlecht, also bleibt es schwankend, im 2. Halbjahr geht es dann aber nach oben. Das komische bei dieser Ausgangslage ist aber, dass in diesem Umfeld die Börse genau das vorwegnimmt und die Kurse dann schon im 1. Hj steigen!

    Ich glaube, dass im Gegensatz zu den meisten Prognosen das 1. Hj der sicherer Kandidat für steigende Kurse ist. Ob das 2. Hj dann positiv wird, hängt davon ab, ob wir WWK 2 bekommen oder nicht.

    Und um mal korintenzukacken: Die Wende war bereits im November 2008.

  • Saviano // 6. Jan, 2009

    @ egghat — Da ist was dran (alle Punkte + “Wende bereits im November”). Wie ich geschrieben habe, noch ab Oktober “läuft die Zeit” für Wiederaufbau von Positionen…

    Es kann durchaus sein, dass wir einen “versetzten” Verlauf sehen, im Sinne: Zunächst fester, dann so im 2.-3. Quartal erneute (heftige) Korrektur, erst dann endgültig aufwärts (vielleicht sogar erst 2010)….

    Aber das sind “Feinspekulationen”, die nicht wirklich entscheidend sind…

    Insgesamt glaube ich, dass die monetären und fiskalisch-keynsianischen Stimuli in diesem Jahr Wirkung zeigen und den tendenziell unterbewerteten und überpessimistischen Markt nach oben hieven.

    Nachtrag: “Timen” war überhaupt nicht das Thema (obwohl, ich sehe, es kann so rübergekommen sein). Die Annahme eines holprigen ersten Halbjahres (oder so) kommt nur aus der Logik der Ãœberlegungen und soll nicht dazu “raten”, tiefere Kurse abzuwarten. Solche Kurse können wir erst gar nicht zu sehen bekommen. Eine Wende bereits November 2008 ist auch plausibel. Der Sinn lag eher darin, nicht zu erschrecken und — möglicherweise — Positionen aufzubauen, die auch gehörigen Stress verkraften können… So ungefähr…

  • Christian // 6. Jan, 2009

    Ich denke das nächste Jahr könnte für die Börse auf +,- null hinauslaufen. Ich denke der Dax steht nicht wirklich schlechter als bei 5000 Punkten. Sicherlich wird 2009 kein leichtes Jahr, allerdings sind aktuel die schlechten Nachrichten draußen… Ich denke spätestens 2010 geht es wieder langsam bergauf… Immerhin werden ja aktuell einige Konjunkturpakete geschnürt, die sollten spätestens 2010 wirken.

  • Torsten // 6. Jan, 2009

    Hi Saviano,
    echt mutig von Dir, für dieses Jahr (und auch nicht für die nächsten 18 Monate) würde ich mir in der aktuellen Situation keine Prognose zutrauen. Kann bei 3.000 Punkten genauso wie bei 7.000 Punkten liegen.

    Ich traue mir maximal Prognosen für das jeweilige Wochenende zu, bisher lag ich da ganz gut;-)

    VG,
    Torsten, ja, die kapitalmarktexperten (diesmal .de) schreiben wieder ;-)

  • Saviano // 7. Jan, 2009

    Hallo Torsten! Gut, dass du zurück bist — Kapitalmarktexperten sind zur Zeit nötiger denn je ;-)

    He, ich mache generell nur längerfristige Prognosen… Das mit den Wochenenden hat bei mir nie so richtig gut klappen wollen..

    [Psst] Ãœbrigens, ich bereite da was vor… so für Prognosen… [schaut die Tage vorbei...]

  • Bernhard aus Frankfurt // 8. Jan, 2009

    So, 7000 Punkte schreibst Du. Termin in 18 Monaten. Das heißt am 6. Juli 2010.

    Ich habe mir den Dow Jones für die Jahre nach 1930 angesehen. Daher bin ich bei der aktuellen Großwetterlage, Merkel bleibt bei dem Spitzensteuersatz weit unter 50%, Koch gewinnt in Hessen und Lafontaine wird 2009 noch nicht Finanzminister, der Überzeugung, dass der Dax Performance Index (FTD) am 6. Juli 2010 nur 3500 Punkte zählt, eher weniger.

    Wettvorschlag: Dass ich näher dran liege als Du mit den 7000 Punkten. Wettgegenstand: Es geht um die Ehre; ich wette nämlich grundsätzlich nicht.

    Gruß aus dem eiskalten Frankfurt,
    Bernhard

  • Saviano // 8. Jan, 2009

    Ach, wenn es nur um die Ehre geht — angenommen… ;-) ;-)

    [Diese setze ich sowieso mit der Veröffentlichung quasi "auf's Spiel"]

    ["Wasserscheide": Dax = 5.250 Punkte]

  • Die Renditen der High Yield Bonds kommen fast auf das Niveau vor der Lehman-Brothers-Pleite zurück • Börsennotizbuch // 23. Jul, 2009

    [...] 2009 — Das Jahr der Wende? [...]

  • “Ist es diesmal wieder anders?” • Börsennotizbuch // 24. Jul, 2009

    [...] Deswegen richtet man sehr deutlich große Hoffnung auf die Konjunkturprogramme, die — kurzfristig — einen Kollaps der Kreditnachfrage verhindern sollen (diese wichtige Rolle der Konjunkturprogramme habe ich auch schon mal erwähnt und zu einem Punkt für meine Börsenprognose 2009/2010 gemacht). [...]

  • Saviano // 2. Aug, 2009

    Ich wollte es nur erwähnen … wir sind schon mal auf der richtigen Seite (s. “Wasserscheide = 5.250″]…

    Ok, ok — es bleibt noch ein knappes Jahr … alles kann passieren…

  • Die Krisen-Lösung: Ich-Banken • Börsennotizbuch // 16. Sep, 2009

    [...] Am Ende wäre anziehende Inflation die logische Folge, aber vorerst dürften sich die Assetpreise verteuern. Wie mehrmals geschrieben (”zuerst die Börsen, dann die Wirtschaft“, oder auch hier:”Wahr der Wende“. [...]

  • Junk ist gefragt. Noch ist das gut. Noch.  • Börsennotizbuch // 8. Okt, 2009

    [...] möchte auf zwei Punkte meiner “Neujahrs-Analyse” [...]

  • Junk Bonds: Die sind fast verschwunden… • Börsennotizbuch // 17. Dez, 2009

    [...] 2009 — Das Jahr der Wende? [...]

  • Wieder nicht anders … Dax-Schlusskurs 2009: 5957,43 (+24%)  • Börsennotizbuch // 4. Jan, 2010

    [...] vielen, vielen Dekaden. Und trotzdem erwies sich 2009 – wie prognostiziert – als ein Jahr der Wende. Am Ende stehen wir gut 24% höher. Vom Tief im März sind es sogar üppige [...]

  • Marc Faber: Outlook für 2010. “Ich versuche dieses Jahr, kein Geld zu verlieren” • Börsennotizbuch // 14. Jan, 2010

    [...] — Erholungspotenzial für die Aktien, danach wird’s wieder schwieriger. Ich sehe es in meiner Prognose bekanntlich anders: Zunächst wird’s schwieriger, danach — [...]

  • Leuschels Crash-Warnungen: “Das Timing ist natürlich immer ein Pro­blem”.  • Börsennotizbuch // 4. Feb, 2010

    [...] Aber wie die aufgezählten Plagen, können wir auch hier auf günstige Entwicklung hoffen. Eigentlich bewegen wir uns der logischen Linie der “Sozialisierung der Verluste” entlang: Der Staat übernimmt quasi durch Schulden große Teile der privaten Verluste und als nächstes wird er sie wohl “weitergeben” … an die Allgemeinheit … durch Inflation. Macht irgendwie Sinn. Nur wie es zu Raten von 10% bei den Verbraucherpreisen kommen soll, ist mir schleierhaft (bzw. die Liquidität dürfte vorher noch stärker in die Kapitalmärkte fließen). [...]

  • Trend vs. Trends? • Börsennotizbuch // 17. Feb, 2010

    [...] Solche Trendwenden sind normalerweise in der Tat schwierig zu handeln, insbesondere für die Fonds, die ihre Portfolios viel langsamer umstellen können. Die Trendfolger unter ihnen haben sich zunächst schön auf fallende Notierungen eingestellt, dann brauchten sie wieder viel Zeit, um auf den Trend nach oben umzusteigen. Im Schnitt haben sie die Entwicklung wahrscheinlich schlecht gemeistert. Man muss nicht vergessen, dass kaum einer Anfang 2009 von einer dergleichen Wende ausgegangen ist. [...]

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