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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Die Wirtschaft absorbiert noch die Liquidität

26. Februar, 2008 · 7 Kommentare

Sehr interessante Einsicht:

Last year’s financial crisis blew a $600 billion hole in liquidity. The yr/yr change in credit driven liquidity has dropped sharply to 5.2%. This compares to a yr/yr change of 6.7% for the $ cost of production, which has been strongly influenced by a higher inflation rate. Net, net, the real economy is draining liquidity via higher inflation, leaving the capital markets primarily dependent on portfolio and money fund cash for support.

Capmarketline, Stock Market — Fundamental

Ich habe ja immer wieder wiederholt: Der Markt braucht Liquidität, und nichts ist gefährlicher bei den aktuellen (wohlgemerkt: von mir unterstellten) Marktbedingungen als der Mangel an Liquidität.

Der wichtigste Indikator für die Liquiditätssituation sind für mich die langfristigen Zinsen. Dazu kommen natürlich auch die Zinsspreads. Nicht zufällig sind diese in den Zeiten, als man überall von der “Liquiditätsschwemme” las, kontinuierlich gefallen.

Die langfristigen Zinsen standen sogar zeitweise extrem tief (z.B. Mitte/Ende 2005), erholten sich seitdem zusehends, aber, vor dem Hintergrund einer starken Konjunktur und ständiger Zinserhöhungen am kurzen Ende, blieben sie erstaunlich stabil und niedrig (diese “Stabilität” trotz Anhebungen des Fed-Leitzinssatzes bezeichnete Alan Greenspan damals noch als “conundrum”, Rätsel).

Die Zinsspreads verzeichneten auch einen unglaublichen “Run” – selten waren sie so tief, sprich der Abstand von unterschiedlichen Unternehmensanleihen (von Investment Grade bis zu den Junk-Bonds) zu den sicheren Staatsanleihen (der Industrieländer) war selten so klein.

Mit der Kreditkrise verschärfte sich aber die Liquiditätssituation abrupt. Wir erinnern uns noch an die hastigen Aktionen der Notenbanken und ihren Kampf, den Banken bloß genug Mittel zur Verfügung zu stellen. Der Geldmarkt erlebte einmalige Engpässe.

Mit dem Zinsanstieg am langen Ende Anfang-Mitte 2007 habe ich schon Warnungen für die Aktienmärkte gegeben und gepostet (z.B. “Vorsicht und Mut – eine Korrektur wird wohl wahrscheinlicher” oder Beitrag und Kommentar zu Thomas Grüners Warnung vom Juni 2007, um zwei zu nennen). Im Hintergrund stand auch noch die Meinung von Gottfried Heller, dass bei jedem Zinserhöhungszyklus (zumal von solchen günstigen Kreditierungsbedinungen kommend) am Ende Pleiten (wohl seltener) oder Schwierigkeiten bei einer oder mehreren größere Finanzinstitutionen gab. Wer hat vermutet, dass dies mit solcher Wucht passieren wird.

Um hier nicht den falschen Eindruck eines “Besserwissers” (oder “Alleswissers”) zu hinterlassen, will ich gleich sagen, dass ich die Kreditkrise bei weitem nicht so groß kommen sah. Der Immobilienmarkt machte mir schon Sorgen, der Anstieg war zu schnell und die “Party” zu laut, aber die millardenschweren Implikationen, die ganze Arie fauler Kredite und der enorme Abschreibungsbedarf habe ich – weiß Gott – nicht so erwartet.

Meine Position bezog sich (allerdings) auf die Aktien — und diese schienen nicht mehr billig, aber auch nicht überbewertet (einige grundsätzliche Worte von Mitte letzten Jahres). Also mit einer kommenden Abkühlung, wäre auch eine Börsenkorrektur zu erwarten (primär wegen der steigenden Zinsen), aber keinen Bear-Market.

Erstaunlich für den einen oder den anderen mag sein, dass ich immer noch dieser Einschätzung geblieben bin. Auch der Kursverlauf seit Juli-August passt hier. Dennoch: Die letzten Korrekturen vom Januar waren vielleicht “ein Tick” zu heftig. Ich würde sie letztendlich der schlechten Liquiditätssituation sowie – sagte ich doch – der tieferen und weitreichenderen (als gedacht) Bankenkrise zuschreiben (im Sinne der Liquidität, oder, wie wieder Gottfried Heller meint, der Zwangsverkäufe institutioneller Adressen).

Der Zitat oben, illustriert ein Aspekt dieser Situation: Der Markt ist anfällig, weil er im Moment noch nicht mit frischer Liquidität versorgt werden kann. Er ist noch “abhängig” von “portfolio and money fund cash”, während die Liquidität, die unter dem begünstigenden Zutun der Fed ins System fließt, noch von der Wirtschaft absorbiert wird (hier die wichtige Bemerkung oben, dass die nominellen Größen eine Rolle spielen). Erst ein Anziehen der Kreditvergabe und/oder ein wirkliches Abkühlen der Wirtschaftsaktivität wird (mit einem dazugehörigen time-lag) neue Liquiditätsimpulse geben.

Das bleibt noch die große Unbekannte in einer Gleichung, deren eine Seite – glaube ich – fundamental fair bis unterbewertete Aktien bilden.

Kategorien: Analysen · Frontpage · Gesamtmarkt

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7 Kommentare bis jetzt ↓

  • egghat // 27. Feb, 2008

    Danke für deine Einschätzung.

    Ich bin (nicht wirklich überraschend) skeptischer.

    Ich werde wohl noch Chancen bekommen, mein restliches Depotdrittel zu investieren.

    Wenn man weniegr skeptisch für die Weltkonjunktur ist als ich es bin, *muss* man eigentlich sein Depot voll Zykliker packen. Demag Cranes, SMT Scharf, Bilfinger, Leoni, … Da gibt’s einen Haufen Werte, die mit einstelligen KGVs und Dividendenrendite von 4, 5 oder 8 % gehandelt werden.

  • Saviano // 28. Feb, 2008

    Ich gebe grundsätzlich keine Einschätzung zu einzelnen Werten. Ich würde im Moment aber etwas mehr den Large Caps vertrauen; wer Mut hat, kann auch paar Banken ins Depot legen; die Zeit ist noch – scheint mir – nicht “reif”, sehr aggressiv vorzugehen (dafür hat man ja noch ein Drittel da!….)

  • egghat // 28. Feb, 2008

    Hast Du keine Meinung zu Einzelwerten oder hat die im Blog nichts zu suchen?

    Kaufst Du nur ETF oder Fonds?

  • Saviano // 28. Feb, 2008

    Für eine richtige Meinung über Einzelwerte ist relativ viel konkrete Analyse notwendig, die ich nicht immer (und selten zu konkret nachgefragten Werten) gemacht habe. Ein paar Details und grundsätzliche Überlegungen reichen mir da nicht ganz, um sich zu äußern.

    Ich finde, Einzelwerte, losgelöst von vielen anderen grundsätzlichen Ãœberlegungen und Depot-Strukturierung, sind einfach schwierig diskutierbar — deswegen poste ich hierzu kaum. “Kaufen” ist einfach zu dehnbar — wenn ich 1% eines riesigen Portfolios auf Leoni setze, ist es ja eine Sache, wenn 10% – eine andere, wenn das Portfolio winzig ist, eine dritte… Und so weiter …

    Und letztendlich bin ich ein Top-Down-Anleger (“Die Richtung des Marktes zuerst…”).

    Fonds kaufe ich grundsätzlich und aus Prinzip nicht. Ich kaufe auch Einzelwerte (aber diskutiere es nicht). Ich arbeite auch häufig mit Zertifikaten, ja. Ich habe immer gesagt — ich bin nicht gerade der Aktiensparer: Auch Optionsscheine lagen bei mir im Depot (mit riesigem Erfolg und mit Totalverlusten). Das sind aber eben Sachen, die kann ich keinem anderen “nahe legen” und auch nicht gerade mit anderen “erörtern”, da vieles reine Geschmacksache ist.

  • egghat // 29. Feb, 2008

    Ok, verstanden. Bringt übrigens auch nicht nennenswert Leser.

    ich hab’s vor allem gemacht, um nicht als Permabär dazustehen. In meinem Blog waren mir zu viele Weltuntergangspropheten, die schon seit Jahren auf den Untergang warten. Ich will aber vorher noch geld verdienen ;-)

  • Saviano // 29. Feb, 2008

    “…um nicht als Permabär dazustehen” — nett!

    Ãœbrigens, deine Postings sind klasse und ich lese sie gern auch als alles andere als Weltuntergangsprophet (die Depotausftellungen, muss ich ehrlich sagen, überfliege ich eher — auch aus solchen eigenen Erfahrungen mag ich nicht über Positionen schreiben — aber ich dachte und denke immer, vielen Menschen interessiert das!?)

  • Zinsentwicklung: Aktuelle Tendenzen und eine Fed, die noch wirkungslos bleibt (?) • Börsennotizbuch // 8. Mrz, 2008

    [...] schwächt sich die Konjunktur auch ab, und kein Investor heißt dies willkommen. Aber schwächere Konjunktur wird für mehr Liquidität sorgen. Die Zinsen sind bereits so tief gedrückt, dass man sich an den Kopf fassen kann. Unbequem [...]

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