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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Zinsentwicklung: Aktuelle Tendenzen und eine Fed, die noch wirkungslos bleibt (?)

8. März, 2008 · 4 Kommentare

Die Zinsen spiegeln derzeit eine wachsende Unsicherheit der Marktteilnehmer bezüglich der konjunkturellen Entwicklung wieder. Wie sonst ist zu erklären, dass die 2-jährigen US-Anleihen auf ca. 1,52% gefallen sind und die 5-jährigen auf 2,43%? Die Zinsen der langfristigen 10-jährigen US-Bonds bewegen sich um die 3,53%, und wer sein Geld (theoretisch) für 30 Jahre anlegen will, “sichert” sich zur Zeit “ganze” 4,54% Rendite (aktuelle Werte von bloomberg.com). Wir wiederholen uns gern — die Inflation in den USA lag im Januar bei 4,3% (für 2007 wurde eine Inflationsrate CPI von 4,1% ausgewiesen). Da kann man nur staunend kommentieren, wie etwa Crossing Wall Street (Hervorhebung von mir):

Wow! This morning, the yield on three-month T-bills (^IRX) dropped to 1.1%. That’s just stunning. The Fed is miles behind the rest of the market. The T-bill rate has since ticked up to 1.4%.

The five-year yield dropped below 2.4%. Think about that. There are people who are so scared that they’re willing to lock-in a 2.4% return for the next five years.

CrossingWallStreet.com, Three-Month T-Bill Hits 1.1%

Wer hat “so viel Angst”?

Man kann es eben auf die Verunsicherung der Marktteilnehmer zurückführen (schließlich fielen die Arbeitsmarktdaten ziemlich schwach aus), oder (hint von Brad Setser) teilweise auf das (etwas andere) Anlageverhalten von den sovereign investors, meistens Notenbanken bzw. ausländische Staatsinstitutionen mit langem Anlagehorizont und niedrigerem Risikoprofil/Risikoneigung, die als Käufer großer Volumina kurzfristiger US-Assets erscheinen (die als sicherste Anlagen gelten, schwacher Dollar hin oder her):

But take a look at a graph (prepared in large part by the CFR’s Arpana Pandey) showing the 12m increase in central bank holdings of the safest dollar assets — short-term deposits, short-term T-bills and short-term Agencies.

It sure seems like central banks started to increase their holdings of low-yielding safe short-term US assets just after the “subprime” crisis broke in August.

Brad Setser’s Blog, Those stabilizing speculators … (die erwähnte Grafik ist im Beitrag zu sehen).

Für das Absinken der Zinsen sind aber auch noch “technische Faktoren” wie die Wiederaufnahme des TAF-Programms der Fed (Term Auction Facility) verantwortlich:

Prices of Treasury coupon securities surged in another day of frantic frenzied and volatile trading. On this day the Federal Reserve genuflected in the direction of the illiquidity which holds large parts of the market hostage by announcing a reinforcement of the TAF program. In so doing they will lend balance sheet to the system and look to restore a modicum of confidence to a money market which has sunk into deep despair.

Across the Curve, Closing Commentary (7. März 2008)

Die Presse-Mitteilung der Fed bezüglich des TAF-Programms und Repurchases (zwei Aktionen zur Besserung der Liquidität bzw. Reaktionen auf die Liquiditätsengpässe): Federal Reserve announces two initiatives to address heightened liquidity pressures in term funding markets.

Wir haben also ein weiteres Absinken der Zinsen der “sicheren” Festverzinslichen, begleitet von einer steiler werdenden Zinskurve. Die Futures gehen außerdem von einer quasi sicheren (implizierte Wahrscheinlichkeit: 98%) 75-Basispunkt-Zinssenkung der Fed bei der nächsten Sitzung aus:

The U.S. dollar has declined against 14 of the world’s 16 most-actively traded currencies this year on bets the Federal Reserve will continue to cut interest rates to avert a recession. Futures show traders see a 98 percent chance the Fed will lower its target rate 0.75 percentage point to 2.25 percent on March 18. The balance of bets is on a half-point cut.

Bloomberg.com, Morgan Stanley Cuts Dollar Forecasts Versus Euro, Yen

Auf der anderen Seite will sich die Liquiditätssituation hartnäckig nicht bessern (daher auch die Fed-Maßnahmen oben), und die Zinsspreads (auf die High Yield Bonds) wollen nicht zurückkommen, ganz im Gegenteil sie kletter weiter nach oben.

Wie jeder schon bemerkt haben soll, wertet gleichzeitig der Dollar ziemlich heftig ab (sieh nochmal Zitat/Verweis oben von Bloomberg — die Abwertung passiert auf sehr breiter Front). Zusammen mit nervösen, abwärts tendierenden Börsen, schlechten Nachrichten von der US-Konjunktur und die erwähnte weiter angespannte Liquiditätssituation häufen sich die Kommentare, die die Fed-Zinssenkungen als wirkungslos bezeichnen. Insgesamt werde die Inflation stark unterschätzt und die ergriffenen Maßnahmen, eine Rezession abzuwenden, seien ungeeignet. Zum Beispiel:

Peter Morici, economics professor at the University of Maryland School of Business, says the Fed, essentially, is fighting the wrong battle, using policies that address “an old style recession, one premised on inadequate demand but solid financial institutions,” where as this recession “has its origins in questionable banking practices and a breakdown of investor trust in the integrity of Wall Street’s most venerable banks and investment houses.”

[...] Bianco Research noted this morning that the securities that are faring worst in the markets are the supposedly safest ones, such as European government bonds, agency debt and municipal bonds. That’s because these securities are the ones purchased with the most leverage, and banks aren’t lending, “because they are shrinking.”

MarketBeat, Blog der WSJ.com, The Fed Is Not Helping

Oder zum Beispiel diese Art sich verstärkender Spirale:

The minutes of the last Federal Reserve policy meeting noted that the central bankers were worried about “an adverse feedback loop, that is, a situation in which a tightening of credit conditions could depress investment and consumer spending, which, in turn, could feed back to a further tightening of credit conditions.” Rinse and repeat.

But maybe the Fed should be more worried about this adverse feedback loop: The Fed cuts interest rates. The dollar tumbles. Oil prices surge. Inflation rises. Real incomes fall. Consumer spending weakens. The economy slides. Housing prices fall. Credit markets tighten. The Fed cuts interest rates. Rinse and repeat.

Capital Commerce, Wirschaftsblog der U.S. News, Riding the Fed’s Loop-the-Loop

Vor 6 Monaten, als die Fed mit den Zinssenkungen anfing, war es (selbstverständlich) noch zu früh, um den Wall-Street-Spruch “Never fight the Fed” zu befolgen. Die Geldpolitik hat bekanntlich ein time-lag von mehreren Monaten. In der Sondersituation einer breiten und tiefen Bankenkrise sowie drohender Rezession sollte die Zeit für spürbare Wirkung im Zweifel etwas höher geschätzt werden. Die entscheidende Frage — wird die Wirkung denn überhaupt spürbar? Zunehmend wird dies in Zweifel gestellt. Aber ich würde eher bei dem alten Börsenspruch bleiben.

Etwas, was man dabei bedenken soll: Die Fed kann nicht Solvenz bzw. Insolvenz beeinflussen, sie kann (im Allgemeinen) die Liquidität beeinflussen. Es ist Frage des Glaubens, ob die US-amerikanischen Wirtschaft von einer quasi Insolvenz bedroht wird. Solche Katastrophenszenarien mehren sich aktuell wie zu den “besten Zeiten” einer Wirtschaftskrise. Ich glaube nicht daran. Ich glaube, viele der Problemen an den Finanzmärkten resultieren in hohem Masse von Verunsicherung (Psychologie) und Liquiditätsengpässen. Für beides wird sich die Fed letztendlich durchsetzen.

Natürlich schwächt sich die Konjunktur auch ab, und kein Investor heißt dies willkommen. Aber schwächere Konjunktur wird für mehr Liquidität sorgen. Die Zinsen sind bereits so tief gedrückt, dass man sich an den Kopf fassen kann. Unbequem bleiben bestimmte Marktsektoren, in welchen höhere Unsicherheit herrscht. Der Markt schlägt manchmal und mancherorts ziemlich irrational aus (wie bei den Municipal Bonds: Yeeeeaaaaahooooooo!). Die Entwicklung bei den Zinsen insgesamt hat schon einen irrationalen Beigeschmack. Zinsen unter der Inflationsrate bedeuten im Prinzip anziehende Inflation. Wo schauen diese Leute hin? Ziemlich nah an der Wahrheit sollte Marginal Revolution sein:

Greg Mankiw, among others, has pointed out that we are seeing negative real rates of return in some credit markets. I don’t read this as a reflection of intertemporal preferences and constraints. I read this as a (scary) sign of how segmented some credit markets have become. More concretely, lots of people are running to Treasuries but out of a general sense of fear rather than from rational calculation. Right now rational calculation is very difficult, agency problems are causing people to avoid the possible blame that can result from risky assets, and credit market arbitrage isn’t much working. It’s no longer clear how much information prices are reflecting.

Die Investoren irren im Moment ziemlich umher — von wegen “perfektes Einpreisen aller vorhandenen Informationen” usw. Sie fangen an irrational zu werden… aber, meiner Ansicht nach, am meisten bei den Zinsen (die Rohstoff-Kurse sind vielleicht auch gut dabei).

Kategorien: Frontpage · Zinsen

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