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Der Arbeitsmarkt-Report USA: “Schwach” ist das richtige Wort

9. März, 2008 · 4 Kommentare

Der Arbeitsmarktbericht aus den USA, der am Freitag veröffentlicht wurde, war sicherlich das Schlüsselereignis der Woche. Ich habe bereits kurz die Zinssituation geschildert und die Unsicherheit, die diese offensichtlich wiedergibt. Ein gutes Stück dazu haben eben die amerikanischen Job-Zahlen beigetragen.

Diese fielen deutlich schwächer aus als erwartet und unterstreichen unzweideutig, dass sich die US-Konjunktur massiv abgeschwächt hat und sehr wahrscheinlich bereits in einer Rezession steckt. Auch wenn die Ansicht, die US-Rezession sei bereits da, immer häufiger proklamiert wird, haben wir natürlich noch keine finale Gewissheit. Eins scheint jedoch sicher: Für das erste Quartal 2008 können wir von einem sehr niedrigen (vielleicht negativen, vielleicht denkbar knapp positiven) Wirtschaftswachstum ausgehen.

Nun aber die Jobs:

Nonfarm payroll employment edged down in February (-63,000), and the unemployment rate was essentially unchanged at 4.8 percent, the Bureau of Labor Statistics of the U.S. Department of Labor reported today. Employment fell in manufacturing, construction, and retail trade. Job growth continued in health care and in food services. Average hourly earnings rose by 5 cents, or 0.3 percent, over the month.

[...]

Both the civilian labor force, at 153.4 million, and the labor force participation rate, at 65.9 percent, declined in February. Total employment (146.0 million) and the employment-population ratio (62.7 percent) were little changed over the month.


Die offizielle Meldung von Bureau of Labor Statistics, bls.gov, Employment Situation Summary, Februar 2008; selbstverständlich mit weiteren ausführlichen Details und Übersichtstabellen.

Es sind vor allem diese -63.000 Jobs, die uns Sorgen bereiten und die Argumentation der “Rezessionisten” stärken. Dazu kommt noch, dass dies der zweite Monat in Folge mit negativem Job-Wachstum ist (für Januar wurde jetzt eine Revision auf -22.000 Jobs ausgewiesen, und auch für Dezember eine Revision nach unten von +82.000 auf +41.000 neue Jobs; Daten: econoday). Der Arbeitsmarkt schrumpft.

Was wären wir aber für Optimisten ( ;-) ), wenn wir in den Daten nicht nach dem “positiven Strohhalm” suchen würden — Die Arbeitslosenrate (civilian unemplyment rate) ist ein Tickchen gesunken: von 4,9% auf 4,8%. Wie kommt’s? Es steht ja oben: “Both the civilian labor force, at 153.4 million, and the labor force participation rate, at 65.9 percent, declined in February.” Die Menschen scheiden also etwas zügiger aus dem Arbeitsmarkt als Jobs abgebaut werden (wer jedoch etwas White House Optimismus – nicht völlig grundlos – lesen möchte: Press Briefing by Dana Perino and Edward Lazear, Chairman of the Council of Economic Advisers and Keith Hennessey, Director of the National Economic Council)

Natürlich ist es jetzt einfach unnötig, die schwachen Arbeitsmarktdaten zu beschönigen. Das riecht wieder etwas zu sehr nach “wir brauchen mindestens einen positiven Eckpunkt im Bericht”… Etwaige Revision nach unten Monat später ist zu erwarten. Die Arbeitslosenrate wird ja sowieso per houshold survey ermittelt und dieses ist viel kleiner als das “payroll survey” (allerdings beides sind Umfragen; Sie können auch kurz den Beitrag konsultieren: Die Häufigsten Fehler bei der Interpretation der Arbeitsmarktdaten). Die erste Reihe ist daher auch ungenauer und volatiler (und manipulierbarer?).

Die Partizipationsrate am Arbeitsmarkt ist auch so ‘ne Sache. Econoday (leider kein direkter Link möglich, Sie müssen sich zum Arbeitsmarktbericht “durchklicken”) erläutert hier kurz grundsätzliche Zusammenhänge:

The civilian unemployment rate is a lagging indicator of economic activity. During a recession, many people leave the labor force entirely, so the jobless rate may not increase as much as expected.

This means that the jobless rate may continue to increase in the early stages of recovery because more people are returning to the labor force as they believe they will be able to find work. The civilian unemployment rate tends towards greater stability than payroll employment on a monthly basis. It reveals the degree to which labor resources are utilized in the economy.

Mehr Charts und Daten zum Arbeitsmarkt im Beitrag von Barry Ritholtz (The Big Picture) mit der bezeichnenden Ãœberschrift: Weekend Econo-Chart Porn.

Abschließend möchte ich auf die Unsicherheit der Marktteilnehmer von vorne zurückkommen.

Ich glaube, ich habe bereits geschrieben, dass sich das Sentiment in den letzten Monaten und besonders seit Januar deutlich eingetrübt hat. Vorher hatten wir auch eine Art kleine Panik-Attacke und danach “staunendes und vorsichtiges Abwarten”, aber bei weitem nicht Pessimismus. Jetzt wächst jedoch die Unsicherheit zusehends, die Börsianer ergreifen langsam en masse tatsächliche und effektive Maßnahmen (sprich: Käufe und Verkäufe) und wir nähern uns mit ziemlich schnellen Schritten einer eindeutig pessimistischen Grundstimmung.

Aber noch sind wir nicht da.

Die Arbeitsmarktdaten haben zum Beispiel bereits die Analysten einiger großen Häuser erneut veranlasst, die Wachstums- und Konjunkturaussichten nach unten anzupassen (ja zu “kapitulieren”, wie Wall Street Journal/Market Beat schreibt: Economists Capitulate). Es wird, wie erwähnt, immer häufiger davon gesprochen, dass die US-Wirtschaft bereits und vollkommen in einer Rezession steckt. Die breite Marktmeinung bewegt sich auch schnell in diese Richtung.

Und es sind nicht nur die Konjunkturdaten, die verunsichern. Wir haben Engpass bei der Liquidität in bestimmten Segmenten, wir haben nach wie vor den Immobilienmarkt und weiter sinkende Immobilienpreise (aktuelle Daten sind da) sowie einen sich abzeichnenden Schlamassel bei den Hedge Fonds, die massenweise irgendwie ausfallen (!).

Alles drückt auf Sentiment und Kurse. Aber nicht ewig…

(Zu den erwähnten Punkten möchte ich noch ausführlicher schreiben — haben Sie Geduld)

Kategorien: Frontpage · Wirtschaftsdaten

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4 Kommentare bis jetzt ↓

  • Hedge Funds fallen aus… • Börsennotizbuch // 9. Mrz, 2008

    [...] habe erwähnt, dass ich in Kürze auch etwas ausführlicher über die zunehmende (und zunehmend [...]

  • egghat // 9. Mrz, 2008

    Die Arbeitslosenquote ist die am meisten überschätzte Zahl …

    Interessant ist doch, wieviele Menschen einen Job haben. Denn je mehr einen Job haben und je mehr die verdienen, desto reicher wird die Volkswirtschaft. Da in den USA weder die Löhne steigen (nach Inflation) noch die Anzahl der Arbeitsplätze, wächst diese Seite der US-Wirtschaft nicht mehr. Da der Verbraucher über 70% des US-BIPs ausmacht, wächst auch die US-Wirtschaft nicht mehr.

    Punkt Aus.

    Wette gewonnen ;-)

    (Der letzte Satz war ironisch, der Rest davor klingt platt und simpel, aber manche Zusammenhänge sind halt simpel).

    Bye egghat

  • Saviano // 9. Mrz, 2008

    Bis auf den “letzten Satz” – einverstanden.

  • Alarm! Die Liquidität ist furchtbar knapp! • Börsennotizbuch // 10. Mrz, 2008

    [...] Gestern noch: Und es sind nicht nur die Konjunkturdaten, die verunsichern. Wir haben Engpass bei der Liquidität in bestimmten Segmenten, wir haben nach wie vor den Immobilienmarkt und weiter sinkende Immobilienpreise (aktuelle Daten sind da) sowie einen sich abzeichnenden Schlamassel bei den Hedge Fonds, die massenweise irgendwie ausfallen (!). [...]

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