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Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Arbeitsmarktdaten und Ende der Inflation

6. April, 2008 · 5 Kommentare

ArbeitsmarktDie Arbeitsmarktdaten aus den USA waren enttäuschend.

Die saisonal-bereinigte Anzahl der Anträge für Arbeitslosenunterstützung stieg auf 407.000 (38.000 mehr als in der letzten Woche). Der Durchschnitt der letzten 4 Wochen beläuft sich somit auf 374.500 (was 15.750 mehr ist als in der Vorwoche) — Quelle: U.S. Department of Labor, Unenployment Insurance Weekly Claims Report, 3. April 2008.

Eine Grafik dieser Zahlen im etwas längerfristigen Verlauf (seit 1989) mit eingezeichneten Rezessionen (aus dem Beitrag von Calculated Risk).

Das reichte aber nicht, und am Freitag folgte ein enttäuschender Arbeitsmarktbericht (Employment situation):

Die US-Wirtschaft hat demzufolge im März 80.000 Jobs verloren. Die Zahl ist nicht nur negativ und nicht nur größer als die Analysten-Erwartungen, sie markiert auch den dritten Monat in Folge mit einem Netto-Jobabbau in den USA. Sie wissen, die Marktbeobachter haben so ihre Daumenregel: Einmal kann immer passieren, zweimal in Folge ist eine Warnung, dreimal in Folge — das ist schon eine Trendbestätigung. (Die Zahlen für Februar und Januar lagen bei jeweils -76.000). Die Arbeitslosenquote stieg gleichzeitig auf 5,1% (in etwa der Stand von 2005). – Quelle: BLS, 4. April 2008, Employment Situation Summary.

Apropos Analysten-Erwartungen: Die Jungs tun sich immer schwer, wenn sich die Lage ändert, wenn eine Wende vollzogen wird (gerade dann, wenn man sie eigentlich braucht, sonst – in “trend-stabilen” Phasen – ist man, ehrlich gesagt, auf sie auch nicht wirklich angewiesen). Hier eine grafische Darstellung, wie sie mit ihren Prognosen konsequent hinter den tatsächlichen Arbeitsmarkt-Zahlen hinkten. (Also, unter uns, ich würde auch ganz vorsichtig mit den Gewinn-Erwartungen für die nächsten ein paar Quartale sein).

Der US-Arbeitsmarkt ist also weich, weich wie Mozzarella (die Frage ist, ob er nicht auch noch “vergiftet” ist).

Man braucht sicher nicht viel Ãœberzeugungsarbeit dafür, dass die Lage am Arbeitsmarkt in einer entwickelten (westlichen) Wirtschaft sicherlich der entscheidende Faktor für die konjunkturelle Entwicklung ist — vor allem in einer, die – wie im Fall der USA – sehr stark auf Konsum und Kredit ausgerichtet ist (mitunter mit hohen Schuldenständen). Der Schrecken der (etablierten) Wirtschaften ist die Arbeitslosigkeit. Ich glaube (wenn man sich diese hypothetische Situation vorstellen könnte), es kann donnern und blitzen draußen wie es will, die Banken können noch so hohe Abschreibungen vornehmen wie sie möchten, und die Preise dürfen auch steigen, aber solange die allermeisten Menschen (sicher) im Job stehen, ist noch nichts Schlimmes passiert.

Mit einem Wort — ich würde erwarten, dass wir sehr bald mit den wirklich harten Zahlen einer schlecht laufenden Konjunktur konfrontiert werden. Die Berichtsaison in den USA läuft in der nächsten Woche schon mal an. Und es wird wahrscheinlich nicht nur das erste Quartal sein, das für Enttäuschungen sorgen kann. Die Schwäche (besonders vor dem Hintergrund der sich verschlechternden Arbeitsmarktsituation) kann (locker) bis zum Ende des Jahres andauern.

Vielleicht erinnern sich die Leser — ich sprach schon von den Marktteilnehmern, die bereits eine Rezession in den Bewertungen der Aktien einpreisen. Ich erwähnte auch das sich zusehends eintrübende Sentiment, welches jedoch nicht (gefühlte) Extremen erreicht. Immer noch schwebt über der Börse eine latente Zuversicht, ich glaube vor allem von den relativ günstigen Bewertungen getragen.

Aber Erwartungen hin oder her, die Investoren werden sich jetzt höchst wahrscheinlich auch mit den harten Fakten auseinandersetzen müssen. Man kann einwenden, die Marktteilnehmer erwarten schon Verschlechterung. Ja, aber bisher noch eine vorübergehende und eine, die mit der (vielleicht nur dünnen, aber immerhin bestehenden) Wahrscheinlichkeit versehen ist, die Unternehmensgewinne können die Krise (Rezession/Flaute) noch glimpflich überstehen.

Aber wie wir unsere Analysten kennen, werden sie erst nach den harten Zahlen der Realität ihre Prognosen und Modelle anpassen. Sollten sich die Unternehmensgewinne deutlicher verschlechtern (und natürlich mehrere andere Makro-Indikatoren), dann werden auch die Erwartungen korrigiert.

Also, man kann sich ruhig mental auf etwas härtere Prüfungen einstellen. Nichtsdestotrotz bleiben, meiner Ansicht nach, die Aktien nicht teuer und die wahren Alternativen rar. In einer Periode der Verunsicherung, zumal nach zweistelliger Korrektur, ist Luft aus den Aktien entwichen (und vorher war, denke ich auch nicht viel Luft drin).

Was außerdem noch in Auge zu behalten wäre:

Ich kann mir schwer vorstellen, dass die Inflation lange anhält (es sei denn die Fed und die US-Regierung pumpen nicht noch mehr und noch massiver Geld ins System; apropos Geldpumpen — für die Interessierten: die Geldbasis ist gar nicht so viel gewachsen — interessantes Paper: Rearranging the Deck Chairs (PDF), aber dies ist Gegenstand eines folgenden Postings).

Fiele die Nachfrage, werden die Unternehmen nicht umhin können, die Preise zu senken bzw. konstant zu halten. Sie haben außerdem noch komfortable (eigentlich ziemlich dicke) Margen, von denen sie etwas abgeben können. Der Arbeitskostendruck dürfte bald nachlassen, und - wer weiß - vielleicht Endspiel bei den Rohstoffen…

Ohne stärkeren Arbeitsmarkt kann sich die Inflation, meiner Meinung nach, schwer “entfalten” (hoffentlich werde ich nicht eines Besseren belehrt…). Vielleicht erinnern Sie sich, wir sprachen lange von einer “jobless recovery” (Erholung der Wirtschaft ohne positive Wirkung am Arbeitsmarkt). Ich fange an zu denken, dies war ein viel stärkerer Faktor für die milde Inflation trotz boomender Konjunktur und boomenden Gewinnen als etwa die ganzen Globalisierungsgeschichten…

Die Unternehmen haben außerdem, soweit mir bekannt, keine übermäßigen Investitionen getätigt, die Kosten haben sie ganz schön unter Kontrolle gehalten; sie reduzieren jetzt wieder (schnell) Personal. Die Kapazitätsauslastung sinkt bereits. Die Welt wird sich auch langsam, aber sicher auf die “konjunkturschwachen” USA einstellen, das Tempo entsprechend drosseln.

Ich würde schon bald (nicht gleich morgen, aber in den nächsten Monaten) deutliche Anzeichen einer sinkenden Inflation erwarten. Dies wird zunächst die Anleihen stützen (im Sinne, eine unmittelbare Korrektur wäre nicht so notwendig), was in Konsequenz die Aktien auf einen noch festeren (mittelfristigen) Boden bringen soll.

Kategorien: Analysen · Frontpage · Inflation · Wirtschaftsdaten

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5 Kommentare bis jetzt ↓

  • egghat // 7. Apr, 2008

    Kurzfristig werden die USA wohl eine sich abschwächende Inflation sehen. Allerdings nicht so stark, wie es normalerweise in einem Wirtschaftsabschwung wäre, weil der Rest der Welt diese Rezession einfach mal schwänzt.

    ABER da die Fed auch dieses Mal die Zinsen zu spät erhöhen werden wird, bekommen wir die Quittung dann. Die Fed erhöht *immer* zu spät die Zinsen. Es scheint ja alles in Butter zu sein, die Inflation ist noch nicht besorgniserregend hoch, der Immobilien- und Aktienmarkt floriert und alle verdienen prächtig. Irgendwo bildet sich eine Blase, die niemand erkennt, dann ziehen die Zinsen an und dann platzt die Blase. Nur werden wir beim nächsten Platzen der Blase wohl mit einer noch höheren Inflation in die Krise gehen. Wir sehen zwar (zmindest in den westlichen Ländern) keine Lohnspirale mehr (weil die Konkurrenz aus China etc. einfach zu groß ist). ABER wir sehen eben auch keine Entspannung mehr durch sinkende Rohstoffpreise, wir sehen keine Entspannung mehr durch sinkende Importpreise.

    Die Globalisierung hat gewirkt. Nicht nur bestimmte Teile der Wirtschaft sind globalisiert, auch Effekte wie die Inflation sind inzwischen globalisiert. (Den Gedanken habe ich von Ken Fisher, der die inverse Zinskurve auch immer mit dem Hinweis auf die Globalisierung wegdiskutiert hat (was aber falsch war, weil wir auch in entscheidenden Ländern außerhalb der USA inverse, bzw. nahezu inverse Zinskurven hatten; ich weiss nicht, welche Daten der benutzt hat).

    Wenn sich die Weltwirtschaft doch nicht entkoppelt, sind alle Ãœberlegungen von oben natürlich kompletter Quark …

  • Start der Berichtsaison — Gewinnschätzungen nach unten revidiert • Börsennotizbuch // 7. Apr, 2008

    [...] für die US-Unternehmen und auch für die europäischen Aktiengesellschaften (sieh auch Anmerkungen im Beitrag zu den enttäuschenden Arbeitsmarktdaten). Unter dem Niedergang in Amerika leiden neben den Banken vor allem zyklische [...]

  • Saviano // 8. Apr, 2008

    Vielleicht noch eine Ergänzung zu den Gedaken rund um “jobless recovery” bzw. die Arbeitsmarktdaten als Indikator für die Konjunkturentwicklung:

    The historic data supports unemployment as a lagging indicator, especially for recoveries. For recessions, it has historically been a coincident to lagging indicator. A quick look at the 2001 recession shows what I mean. The following graph shows unemployment (red) and the S&P 500 (blue) from October 1999 to December 2003.

    Accrued Interest, Fwd: Employment figures are over-rated

    Die besagte Grafik ist im verlinkten Artikel.

    Die Aussage kurz: Nach Rezession, also im darauf folgenden Aufschwung, sind die Arbeitsmarktdaten ein lagging indicator (folgen der Entwicklung mit Verspätung); im Abschwung erscheinen sie häufiger als coincident to lagging indicator (also gleichzeitig bzw. leicht hinter der tatsächlichen Entwicklung verlaufend). Accrued Interest macht den Punkt, dass aus Investorensicht, die Arbeitsmarktentwicklung nicht besonders relevant sein soll (denn anhand dieser Daten fehlt der Blick in die Zukunft ).

    Die Beobachtung ist eher richtig als falsch (denke ich). Was ich im Beitrag oben angerissen habe ist dennoch die hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich die Unternehmensgewinne und -ausblicke verschlechtern werden und so zu sagen zu “harten Fakten” werden.

    Die Frage, die ich mir stelle, ist, ist der Markt auf die “Endgültigkeit” schlechter Unternehmenszahlen (Fakten) vorbereitet? Ich denke – nicht ausreichend.

    Nichtsdestotrotz, man muss die Lage auch aus einem Standpunkt betrachten, der nicht unmittelbar danach ausgerichtet ist, ob “die Aktien nun noch weiter fallen können” (eigentlich “können” tun sie immer). Denn es ist nicht ganz aus der Luft gegriffen, was neulich bei The Motley Fool stand: Buy Before It’s Too Late.

  • Einfache Charttechnik: Anteil Aktien unter 200-Tage-Durchschnitt • Börsennotizbuch // 14. Apr, 2008

    [...] einem Wort: Ja, der Markt ist aktuell schwach, anfällig für weitere Korrekturen (wie ich auch mehrmals geschrieben habe), aber – schau mal – womöglich befinden wir uns in langfristiger Perspektive an einem relativ [...]

  • BVI Fondsaufkommen: Die Aktienfonds sind zurück? • Börsennotizbuch // 15. Apr, 2008

    [...] etwas eingetrübt. In den kommenden Wochen und Monaten werden wir wohl häufiger mit “härteren” negativen Fakten umgehen müssen. Das Sentiment (zusammen mit den Aktienkursen) hat sich auch etwas [...]

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