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Börsennotizbuch

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Die Rolle der Volatilität und der Liquidität für die Bewertung der Wertpapiere

13. März, 2007 ·

Details-Zeitung-LinseIm Herdentrieb ist zu lesen:

Das Standardargument kennt jeder: die Notenbanken fluten die Märkte, pumpen Geld ins System. Es ist zu viel Suppe da und diese treibt dann die Kurse an den Finanzmärkten. So oder so ähnlich. Zumindest wird immer so getan, als würden die Notenbanken mit ihrer Geldpolitik die Liquiditätsbedingungen an den Finanzmärkten festlegen. Diese Sichtweise habe ich noch nie recht verstanden. Ist es nicht vielmehr die Volatilität, also die Schwankungsanfälligkeit der Kurse, die Blasen erzeugen kann, wenn die Vola niedrig ist?

Herdentrieb, Volatilität oder Liquidität?

Die Frage ist berechtigt und die “Abhandlung” von Robert von Heusinger empfehlenswert. Ich nehme es einfach mal als Anlass für einige (verwandte und weniger verwandte) Ãœberlegungen, die jetzt nicht als Kontrapunkt verstanden werden sollen.

Erstmal halte ich die Volatilität grundsätzlich für (ziemlich) belanglos, was Spekulations- und vielmehr Investitionsentscheidungen betrifft. Ich verstehe nicht, warum die Anleger immer wieder mit der Volatilität “verängstigt” werden. Was kümmert es den (mittel- und langfristigen) Anleger, wenn die Aktien stärker oder schwächer schwanken? Sollen sie schwanken, solange am Ende die Kurse stimmen…

Der zweite gravierende Fehler ist das Gleichsetzen von Volatilität und Risiko, woraus sich die oben erwähnte Angst und/oder Angstmachen ableiten. Wer hat sich das ausgedacht?

Die Volatilität wird im Grunde genommen auf zwei Weisen gemessen: bloße Statistik, die die historischen Schwankungsintensität beschreibt oder implizite Volatilität, die irgendwelche Kalkulationen der Banken wiedergibt. Häufig wird die letztere referiert, die z.B. für die Ermittlung des Dax-Volatilitätsindex genommen wird. So konnten wir erleben, wie dieser Index um zweistellige Prozent-Beträge nach oben hüpfte, als der Dax mal an einem Tag 3-4 Prozent verlor.

Wie, wieso ist das Risiko auf einmal so gestiegen? Ok, Argumentationshilfe: die Risiko-Wahrnehmung. Aber wenn die Risiko-Wahrnehmung hoch ist, warum sollen die Aktien, d.h. die Angebots- und Nachfrageverhältnisse so instabil bleiben, dass die Kurse weiter schwanken? Das Risiko in den Aktien wird als hoch wahrgenommen? – gut, reduzieren wir die Preise, und können uns bei höherer Risiko-Wahrnehmung beruhigen, sprich wieder weniger stark schwankende Kurse haben. Die Volatilität dürfte also noch was anderes messen – vielleicht die Änderung der Risiko-Wahrnehmung. Aber so begeben wir uns in recht untransparente Gebiete…

Wie auch immer – die Banken und viele Akteure denken anders, berücksichtigen irgendwelche Volatilitäten und treffen Entscheidungen. Die Banken müssen es sogar noch tun, weil es so in den Vorschriften zum Risk Management steht und weil es auch für ihr Geschäft als Kreditgeber, Emittent etc, aber nicht als Spekulant oder Investor, wichtig ist. Fondsmanager werden auch an Volatilitätskennziffern gemessen (und zwar um einfach die Fondsmanager etwas zu zügeln, wenn sie mit fremdem Geld wetten). Der Privatanleger braucht sich um die Volatilität wenig zu kümmern. Er muss sich um die Aktienkurse kümmern und seine Freiheit (sprich Vorteil) in dieser Beziehung eher auszunutzen suchen.

Der Knackpunkt aber, den von Heusinger thematisiert wird, ist die Rolle der Volatilität bei der Aufnahme von riskanten spekulativen Positionen in den Aktienmärkten.

Natürlich sorgen niedrigere Zinsen dafür, dass die Anreize größer werden auf Pump zu spekulieren, dass riskante Assets attraktiver erscheinen, weil sie mehr Rendite versprechen. Doch niemand würde sich nur wegen niedriger Zinsen stärker verschulden. Conditio sine qua non ist die Erwartung steigender Kurse. Und wie man sieht, haben die kräftigen Zinserhöhungen in den beiden größten Wirtschaftsräumen der Welt, in Amerika und Euroland, in keinster Weise dazu beigetragen, dass riskante Papiere unter Druck geraten wären. Im Gegenteil.

Was aber meiner Meinung nach nicht ganz “sauber” ist: Erstens, widerspricht sich das mit seiner Ãœberlegung von oben, dass die Zentralbanken eigentlich die Liquidität nicht festlegen. Die Erhöhung der Zinsen hat nicht unbedingt zu einer wesentlichen Schrumpfung der Liquidität geführt, vor allem weil die langfristigen Zinsen niedrig geblieben sind. Zweitens, welche Papiere sind konkret gemeint? Ob die Aktien insgesamt als “riskante Papiere” einzustufen wären, ist Geschmacksache. Vielleicht handelt es sich um Schwellenländer-oder Unternehmens-Anleihen? Der Anleihen-Wahnsinn, der sich in den letzen Jahren abspielte, ist mir auch etwas suspekt, aber hat dies tatsächlich etwas mit der Volatilität zu tun? Ich würde volatilitätsbedingte Risikopositionen eher an den Derivate-Märkten vermuten, als in bestimmten Anlageklassen. Die Schwellenländer- und Unternehmens-Anleihen haben sich womöglich primär wegen Wirtschafts- und Liquiditätsfaktoren gut entwickelt sowie dank einer günstigen Präferenz für Festverzinsliche?

Außerdem kann man zwischen Volatilität und Aktienkurse – rein statistisch – keine saubere Korrelation feststellen. Dies habe ich natürlich nicht selber nachgerechnet, ich habe es aus in meinen Augen vertrauenswürdigen Quellen. Ein einfacher Blick auf die Volatilitätsgrafik bestätigt dies einigermaßen gut, wobei es auffällt, dass trotzdem schärfere Korrekturen nach unten, stets von hoher Volatilität begleitet wurden. Aber auch stärkere Rallys führten zu steigender Vola.

Während die Liquidität für mich unumstritten zu höheren Kursen (und mitunter über Spekulationsmechanismen zu höheren Bewertungen) führt, bin ich mir bei der (niedrigeren) Volatilität nicht so sicher. Eine ausreichende (und mehr als ausreichende) Liquiditätsausstattung ist tendenziell für die Assets (z.B. Aktien) günstig: die Liquidität muss irgendwohin – günstig wenn sie in die Realwirtschaft fließt oder in die Finanzmärkte, günstig, wenn die Spekulanten und Unternehmen nicht liquiditätsbedingt Assets verkaufen oder Aktivitäten einstellen müssen. Ich glaube, dass sich eine ausreichende Liquidität in “normalen” Börsenphasen auch in niedrigerer Volatilität bemerkbar macht, weil Engpässe schwieriger entstehen.

Ob aber eine niedrige Volatilität die Kurse (und wichtiger die Bewertungen) positiv beeinflusst? Von Heusinger beschreibt den Mechanismus an anderer Stelle ausführlich: Auf einmal fürchten alle das Risiko. Man kann das mitgehen und es trotzdem aus Spekulationssicht für wenig sinnvoll halten.

Dann kommt die “strukturelle” Abnahme der Volatilität, die von Heusinger dank neuer Ansätze in der Geldpolitik und Informationstransparenz im modernen Finanzsystem vermutet. Ein interessanter, wenn auch theoretischer Gedanke. Ich halte eine Abnahme der Volatilitäten in der konjunkturellen Entwicklung, nicht an der Börse, für nicht weniger wahrscheinlich. Und diese Stabilität erscheint mir noch nicht in den Bewertungen berücksichtigt.

Kategorien: Analysen · Frontpage · Gesamtmarkt

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