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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Die Welt ist eine Scheibe – die Börse auch? Na, gut, aber leicht gekrümmt …

12. Dezember, 2006 ·

globusIch habe einen Artikel von Bernd Niquet gelesen: Die Welt ist eine Scheibe – die Börse auch?

Ich muss zugeben, früher habe ich seine Kolumnen schon regelmäßiger verfolgt. Keine Frage, der Mann schreibt interessante Sachen, manchmal doch etwas „skurril“ (kann man auch als Positives sehen), oft beschriebt er Zusammenhänge und Zustände, die einen neuen Blickwinkel eröffnen, die ich aber gottweiß nicht immer teilen konnte. Aber interessant…

So auch in der oberen Kolumne. Bernd Niquet geht auf die irreführende Sprache der Finanzjournalisten und Börsenteilnehmer ein, die ich auch kritisiert habe. Da hört man häufig: „Anleger bauen Aktienbestände auf“ oder „Die Investoren trennten sich heute von ihren Aktien“ usw. Wie Niquet richtig anmerkt: Unmöglich! Denn „die Anleger als Gesamtheit sind in jeder Sekunde dazu verdammt, stets hundert Prozent aller Aktien in ihrem Besitz zu halten“. Insbesondere auf kurzer Sicht ist der Bestand an Aktien fest. Erst längerfristig kann dieser ausgeweitet oder verringert werden – dies geschieht durch die Emissionspolitik der Unternehmen und Investmentbanker oder, im umgekehrten Fall, etwa durch Aktienrückkaufprogramme.

Alles andere ist ein Umschichten – von Verkäufern zu Käufern. Es findet kein Aufbau noch Abbau von Beständen statt. Nun gut, aber Bern Niquet schreibt weiter:

Und dann liest man natürlich auch von den Geldern, die an die Märkte fließen würden, von der überschwappenden Liquidität, die die Märkte fluten solle. Auch das gibt es ebenso wenig wie das Pfefferkuchenhaus bei Hänsel und Gretel. Natürlich kann durch mehr Geld temporär eine höhere Nachfrage nach Aktien existieren. Doch während ein Pfefferkuchenhaus durch das Aufessen verschwindet, baut sich die Geldmenge auch dann nicht ab, wenn die Aktienumsätze sich plötzlich verhunderttausendfachen würden. Wer also tatsächlich daran glaubt, dass existierende Liquidität die Aktienkurse treibt, hat gleichzeitig das Perpetuum mobile erfunden. Meine Hochachtung und Gratulation!

Und in der Tat: sieht man die Sache mit ähnlichem „Scharfblick“, führen die Börsentransaktionen mitnichten zum Abbau der Liquidität. Die vorhandene Liquidität wechselt nur den Besitzer. Aber, soll sie nicht die Aktienkurse trotzdem steigen lassen? Ich meine, eher ja, und noch mal ja – dies funktioniert wie ein Perpetuum mobile.

Das Erwähnen dieses Begriffs wird von Niquet als Synonym der Unmöglichkeit verwendet. Ist es aber wirklich unmöglich?

User Finanzsystem ist auf eine flexible Geldschöpfung aufgebaut. Rein theoretisch können die Zentralbanken das Finanzsystem mit unendlich viel Liquidität versorgen, wahrlich überfluten. Die einfache und logische Konsequenz wäre letztendlich: Inflation, Aufblasen aller Vermögenswerte darunter natürlich auch der Aktienkurse. Die Liquiditätsflut wird genau das bewirken – ein Perpetuum mobile, einen unaufhörlichen Aktienanstieg.

Rein theoretisch. Denn die Zentralbanken werden natürlich nicht zulassen, dass sich eine (derartige) Inflation aufbaut. Sie werden die Liquidität abschöpfen, wenn nötig rigoros einschränken. Zweitens, in (derartigen) Inflationszeiten leidet auch die reale Wirtschaftsaktivität, das Wirtschaftsleben zerreißt, funktioniert nicht richtig, oder kann auch komplett zusammenbrechen.

Mit einem Wort aber glaube ich, die Liquidität hat schon eine sehr große Bedeutung für die Kursentwicklung. Hierzu muss ich vielleicht noch mal erwähnen: insbesondere kommt es auf die Frage an, ob die Aktienbesitzer es nötiger haben, sich von ihren Beständen zu trennen (um Geld zu bekommen) oder die Geldbesitzer es nötiger haben, Aktien zu erwerben (also ihr Geld in Aktien anlegen). Darauf bin ich nicht ganz alleine gekommen – schon Kostolany hat es so formuliert.

In meinen Augen wirkt sich die Liquiditätssituation entscheidend auf diese Konstellation aus: die Liquidität gelangt in das Finanzsystem grundsätzlich durch die Geld- bzw. Zinspolitik der Zentralbank und in zweiter Linie der anderen Banken. Eine gute Ausstattung mit Liquidität gibt vielen Investoren und Unternehmen finanzielle Spielräume und weniger Anlass, sich von Aktienbeständen trennen zu müssen. Außerdem bedeutet dies in aller Regel niedrige Zinsen, sprich die Geldbesitzer müssen sich nur mit einer mageren Rendite zufrieden geben. Wenn ein Teil der Liquidität dann die Aktien als Anlagealternative „aufsucht“, trifft diese Nachfrage auf „nicht verkaufswilligen“ Aktienbesitzer. Die Kurse steigen.

Die Liquidität wird richtigerweise dadurch wohl weder reduziert noch ausgeweitet. Spielt aber keine Rolle, denn sie beeinflusst die Balance zwischen aktuellem Angebot und Nachfrage an der Börse.

Kategorien: Frontpage · Gesamtmarkt

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