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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Das leichte Spiel ist vorbei РGottfried Heller zur B̦rsenlage

26. Februar, 2006 · 4 Kommentare

In seiner aktuellsten Veröffentlichung zur Börsenlage vertritt Gottfried Heller eine Postion, die ich für durchaus gerechtfertigt halte und schon (wenigstens zum Teil) geäußert habe.

Durch die schon sehr deutlichen Zugewinne der deutschen Aktien seit dem Ende der Baisse (ca. +160%!) steigt natürlich auch das Interesse an dieser Anlageklasse. “Steigen die Aktien – kommt das Publikum; fallen die Aktien – geht das Publikum” ist bekannter “Altbörsianer-Spruch”.

Während lange Zeit die schmerzhaften Verluste seit 2000 (nicht zu vergessen, dass die meisten Investoren – private wie institutionelle (vgl. Versicherer verpassen Aktienboom) – in den haussierenden Markt zu bereits sehr teuren Kursen eingestiegen sind) starke Risikoaversion, Abneigung und Misstrauen gegenüber Aktien verursachten, wächst seit (würde ich sagen) einigen Monaten angesichts der starken Performance die Zuversicht. Dies geschieht natürlich vor dem Hintergrund sehr niedriger Renditen der anderen Anlageklassen, die kaum Begeisterung und Zufriedenheit bei den Investoren auslösen dürften. Der schon mehrmals erwähnte Anlagenotstand veranlasst zu Handlungen, insbeosndere wenn man “sehensüchtig” auf die DAX-Grafik schaut…

Es ist durchaus davon auszugehen, dass diese “Spätkommer” als “zittrige Hände” zu charakterisieren wären. Sie kommen zur Börse aus der Gier (entflammt von den verpassten Möglichkeiten), in der Zuversicht, die die Medien verbreiten (müssen), um die steigenden Kurse natürlich irgendwie zu erklären, und bringen offensichtlich nicht gerade viel Börsenerfahrung und/oder Gespür mit (sonst wären sie längst investiert).

Sollen wir uns Sorgen machen?

Heller schreibt wie folgt:

Die Frage, ob man bereits zum Ausstieg blasen sollte, ist im Hinblick auf die Bewertung der Aktien zu verneinen. Auch in Relation zu Anleihen sind Aktien billig: So beträgt die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen derzeit 3,45 Prozent, die Dax-Gewinnrendite dagegen mit 7,7 Prozent mehr als das Doppelte. Eine so große Diskrepanz hat es noch nie gegeben.

Zinsen wirken auf Aktien wie die Schwerkraft auf die Materie. Steigt der risikofreie Ertrag von Staatsanleihen, müssen sich alle anderen Kapitalmarktpreise, auch die der Aktien, anpassen – nach unten. Umgekehrt: Ein niedriger Kapitalmarktzins – und entsprechend hoher Anleihekurs – hebt auch die Preise aller anderen Kapitalmarktprodukte. Um auf “Gleichstand” zu kommen, müßten sich die Anleiherenditen verdoppeln. Das ist auszuschließen. Es würde nur dann geschehen, wenn die Inflation stark steigen sollte. Sie hat zwar wegen der gestiegenen Öl- und Benzinpreise etwas angezogen, doch das wird sich als kurzes Aufflackern und nicht als neuer Trend erweisen.

Die Hausse wird noch weitergehen. Wir müssen uns aber auf größere Schwankungen einstellen. Die Zeit, in der man an der Börse blind einsteigen konnte, ist vorbei. Jetzt ist eine vorsichtigere Anlagestrategie angesagt, nicht zuletzt auch deshalb, weil sich immer mehr “Zittrige” im Markt tummeln.

In der Welt: Jetzt wagen sich auch wieder die “zittrigen Hände” auf das Parkett

Nun, die fundamentalen Daten, wie Heller unterstreicht, begünstigen und rechtfertigen den Aktienkauf auf diesem Niveau. Auch wenn man gedanklich die Konjunkturentwicklung, Zinsen (Inflation) und Gewinne der Unternehmen einen “Stress-Test” unterzieht, sind meiner Meinung nach die Preise, die man heute zahlt, nicht zu hoch. Natürlich in einem “Stress-Fall” werden die Kurse nachgeben, aber es ist erstens nicht sicher, ob sich eine solche Situation ergeben wird, zweitens berücksichtig die Bewertung aktuell in meinen Augen kaum (wenn überhaupt) ein mittelfristiges Wachstum.

Den Markt zu “timen” kann man immer versuchen, und es ist überflüssig zu erklären, welche Chancen sich so für den geschickten Spekulanten eröffnen. Aber es ist sehr schwierig. Für den langfristigen Anleger ist ein Kauf zu fairen Kursen “mehr als die halbe Miete”.

Aber die “Zittrigen”…

Ich habe das Gefühl, dass sie, erstens, immer noch recht zaghaft Investitionen tätigen. Die Mittelzuflüsse signalisieren immer noch Risikoaversion und Vorliebe für (lassen wir die Top-Renner Rentenfonds sogar beiseite) Garantieprodukte und Mischfonds (also Aktien + Renten). Ich habe schon die Vermutung geäußert, dass solche Portfolios weniger anfällig für negative Börsenentwicklungen sein sollten bzw. die Anleger auch im Falle einer Korrektur weniger stark “zittern” werden. Aber es ist freilich eine Vermutung.

In diesem Zusammenhang würde ich mich auch fragen, in wieweit die besagten “Zittrigen” (oder “Spätkommer”) mittelfristig agieren: der Absicht sowie der Möglichkeit nach. Und “aus dem Bauch heraus” (denn wie sonst kann man es begründen?) würde ich sagen, sie kommen eher mit der Intention ihre mittelfristige Rendite durch Beimischung von Aktien mittelfristig zu erhöhen, und die dafür vorgesehenen Mittel dürften eher mittelfristig zur Verfügung stehen.

Eine Steigerung der Volatilität wird hier schnell eine gehörige Menge Risikosinsibilität (falls die Kurse auch stärker nachgeben) und die Mittel gleich als mittelfristiges Investment “einfrieren” lassen.

Etwas mehr Sorgen machen mir nicht die deutschen “Spätkommer”, sondern die recht üppigen Investitionsflüße aus dem Ausland (und vor allem aus den USA). Das Gros der US-Fondsgelder gehen (wie BlogginWallStreet nicht nur berichtet, sondern sich über die voreingenommene Haltung der Kommentatoren in den dortigen Medien “aufregt”) nach “Ãœbersee” – also in die Emerging Markets und auch (wahrscheinlich verstärkt) nach Europa. Angesichts der etwas delikaten Situation, die es in den USA in den kommenden Monaten zu bewältigen gilt, und nämlich: die (vermutlich) finalen Schritte des Zinserhöhungszyklus, ist mir der Exodus der Dollars etwas suspekt.

In der Zinsentwicklung steckt immer die Gefahr einer Konjunkturschwäche (und natürlich auch Liquiditätsabschöpfung) und beides birgt Risiken für die internationalen Börsen – aus wirtschaftlicher und auch aus technischer Perspektive. Dahingegen erwarte ich, dass die amerikanischen Indizes viel stabiler mögliche Turbulenzen überstehen werden (zumal sie auch nicht so stark gestiegen sind).

Kategorien: Analysen · Gesamtmarkt · Inflation · Prognosen

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4 Kommentare bis jetzt ↓

  • Anonymous // 28. Feb, 2006

    Interessanter Artikel! Ich denke auch, dass die Hausse vorerst weiter geht, da viele Ausländer in Deutschland investieren und zunehmend Kleinanleger in Fonds investieren, begünstigt natürlich durch das Bewusstsein, dass die Rentenkasse in absehbarer Zewit nichts mehr hergibt.

    Aber eben wegen, der von Dir und Heller prognostizierten Volatilität, ist es wichtig, jetzt moderat bewertete Aktien zu kaufen. Zum Glück sind diese noch im DAX zu finden.

  • saviano // 4. Mrz, 2006

    Ich würde die moderate Bewertung, die Du vorschlägst, in Richtung “solide Unternehmen” verstehen (denn ansonsten mit z.B. KGV o.ä. hätte ich ein größeres Problem).

    Die Frage, wie man nun “solidere” Aktien erkennt, ist allzu trivial und kann erspart bleiben – aber ich würde mich fragen, in wieweit die (erwartete) Volatilität die Anlageentscheidung beeinflussen soll/darf? Welche wären die (anderen) Aktien, die man als kaufenswert ansehen würde, falls die Volatilität als niedrig/konstant zu erwarten wäre? Und falls es doch andere sind, warum soll man sie nicht kaufen? Um sich die Nerven zu schonen?

    Die Volatilität betrifft denjenigen, der ein kurzfristiges Problem mit stärkeren Kursschwankungen hat – Marginkäufe, Optionsscheine, Futures, Zertifikate etc. Für den normalen Aktienbesitzer dürfte es doch egal sein…

    Ich würde sagen, dass die mittelfristige Aktien-Anlageentscheidung nach den gleichen Gesichtspunkten getroffen werden soll wie sonst. Und wenn man nicht gerade Schlaftabletten einnehmen möchte, dann Beruhigungsmittel, um die Auf und Abs gelassener zu betrachten… Selbst dann, wenn diese in die positive Richtung gehen – und dies ist genauso wahrscheinlich wie das andere…

    Meiner bescheidenen Meinung nach …

  • maxmoritz // 14. Okt, 2007

    Natürlich, ausländische Käufer, das ist eher kein gutes Omen. Und warum soll Otto Normalbürger den Banken trauen, wenn die sich im Interbankenhandel schon mal die Zinsen anheben ? Dann ist es wohl gerechtfertigt, dass die Leitzinsen angehoben werden. Richtig ist, dass Kleinanleger seit 2002 Aktien wie die Pest meiden. Und die Abgeltungssteuer garantiert, dass dies so bleibt, jetzt nochmal, aus welchem Grund sind Aktien attraktiver als Festgeld ? Weil der DAX von 2200 auf 8000 gestiegen ist ? Niemals.

  • Saviano // 15. Okt, 2007

    Wie schön, dass auch mal ältere Artikel kommentiert werden!

    Und somit möchte ich auf das Datum hinweisen: 26. Februar 2006. Der Dax schloss an diesem Tag bei genau 5.870,79 Punkten (via Onvista.de). Kurz darauf (im Mai) erlebten wir auch etwas Schwäche, Turbulenzen, die für viele die Wende einläuten sollten. Kam aber nicht so, und die optimistische Strategie hat sich mehr als gelohnt. Also: aus damaliger Sicht waren die Aktien (Zufall oder nicht, weiß man sowieso nie…) eindeutig die bessere Alternative als Festgeld (zumal ich ziemlich klar geschrieben habe, dass sich die vernünftigen Anleger von der Volatilität nicht abschrecken lassen sollten).

    Heute stehen wir bei ca. 8000 Punkten (und der Bund Future, beispielsweise, bei ca. 111 statt ca. 120 wie im Februar 2006) . Wir sind um anderthalb Jahre fortgeschritten im Konjunktur- und auch im Zinszyklus (eigentlich sind wir langsam auf dem Plateau der Zinserhöhungen). Das ändert schon die Ausgangslage nicht ganz unwesentlich. Von der Hypo-Krise ganz zu schweigen. Hierzu sind dann natürlich die aktuelleren Beiträge “zuständig”.

    Meine Präferenz für Aktien gegenüber Festgeld bleibt auch jetzt weitestgehend bestehen, kann aber nicht so eindeutig sein bzw. ist wohl etwas “risikoreicher” geworden. Trotzdem: wesentliche Parameter der Analyse sind intakt, die Kursentwicklung hat sich nicht zu weit von der Realität entwickelt (dabei will ich auf keinen Fall profan die Gewinn- und Kursentwicklung nebeneinander stellen, weil die Ausschläge bei guten und schlechten Zeiten schon heftig sein können, so dass man vorsichtig mit jeglichen Trendextrapolationen umgehen soll).

    Aber vielleicht auf die Frage von oben (Aktien vs. Festgeld): Natürlich nicht wegen der Kursentwicklung (das ist eher “Kontraindikator”), sondern weil ich erwarte, dass der Business (die Aktien) in den nächsten einigen (sagen wir 2-5) Jahren bessere Rendite (hier explizit nicht Kursentwicklung, sondern altmodische unternehmerische Rendite über die Jahre) abwerfen wird als die festverzinslichen Papiere (zumindest mehr als die Staatsanleihen, sprich die “Sicherheit”).

    Oder mal anders (abstrakter) formuliert: das globale Umfeld ist auf 2-3 Jahre hinaus zu sicher/stabil als dass man die momentanen Preise für Sicherheit voll bezahlen soll.

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