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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Bottom-Fishing

18. November, 2008 · 5 Kommentare

Fischer NetzDaytrading.de ist zumindest einer der wenigen, die konkrete Aussagen wagen. Kurzum: Den Boden sollen wir bereits im Oktober gesehen haben.

Pierre veröffentlicht heute hierzu einen längeren Artikel (mit einigen Querverweisen auf seine frühere Beiträge, die immer noch Gültigkeit haben sollen).

Zu allererst will ich wiederholen, dass ich mich mit dem Traden an sich wenig anfreunden kann. Das ist vielleicht auch ein Grund weswegen ich nicht immer genau weiß, mit welchem Zeithorizont und im Kontext welcher Strategie die Aussagen von Pierre letztendlich zu verstehen sind. Ich bin ja kein Trader.

Trotzdem finde ich Einiges in diesem und den früheren Beiträgen beachtenswert. Die zentralen Gedanken (ohne die trading-spezifischen Anmerkungen) würde insgesamt auf diese zwei Punkte reduzieren:

  • Das Sentiment ist am Boden.
  • Die schlechten Nachrichten, die uns seit mindestens 6 Wochen definitiv plagen, haben es nicht geschafft, die Aktien unter die Tiefs zu drücken (steht so, ich komme noch dazu) — also: der Markt scheint eindeutig überverkauft.

Zum Sentiment habe ich hier auch in aller Deutlichkeit geschrieben. Ob es der ifo war (hier für September, Oktober war auch schlecht), der ZEW-Index, das IPO-Sentiment, die Kommentare zu den Mittelabflüssen der Fondsindustrie, das US-amerikanische Verbrauchervertrauen auf einem Allzeit-Tief (hier noch etwas zum Thema Wendepunkte Sentiment vs. Aktienmarkt), allgemeine Bemerkungen zur Sentimentslage oder Sonstiges. Das miese Sentiment ist ja einer der Bausteine der Analyse.

Die Anlegerstimmung ist mit einem Wort klar gebrochen und ruft natürlich ein antizyklisches Investieren auf den Plan. Apropos Antizyklik: Diese verstehe ich immer mittelfristig. Von kurzfristiger Antizyklik halte ich wenig. Folglich halte ich antizyklisches Investieren jetzt für angebracht, jedoch noch behutsam…

Denn: Die Liquiditätssituation gefällt mir nicht. Immer noch nicht. Zwar haben die Fed und die EZB (und die Bank of England, und sogar die Bank of Japan) die Zinsen heruntergesetzt (die Fed wieder auf das sehr tiefe Niveau von 1 Prozent), und der LIBOR hat sich wieder ein sehr gutes Stück beruhigt (aktuell steht der 3-Monat-LIBOR auf 2,13%, noch Mitte Oktober waren es knapp 5%). Der Bund-Future sowie die amerikanischen Bonds tendieren fester (die Zinsen fallen). Auch die Zinsen auf Commercial Papers sind ordentlich zurückgegangen. Die deutsche Umlaufrendite ist auf die echt billigen 3,5% gefallen. Das ist alles prima. Doch für die Unternehmensanleihen (vor allem Junk-Bonds) werden 20% Rendite verlangt. Das ist viel. Und die Liquiditätsnöte aus der Industrie vernimmt man recht deutlich. Ãœber die Liquiditätsnöte der Fonds (und Banken sowie private Großinvestoren) kann man allerdings nur spekulieren (wie würden die Amerikaner sagen?– Anecdotal evidence: Investor Merckle; auch sehr schön: Tod des Rentiers).

Mit einem Wort: Der Himmel hellt sich hier etwas auf. Aber ob der Schmerz vorbei ist? Dann kommen wir zum Schmerz…

Die Beobachtung, dass der Markt seit 6 Wochen trotz reichlich schlechter Nachrichten keine neuen Tiefs gesehen hat, ist erstmal falsch. Die wichtigsten Indizes markierten ihr vorläufiges Tief am 27. Oktober (Dow Jones bei 8.175; S&P 500 bei 848; Dax, eigentlich am 26. Oktober, bei 4.295 — die VW-Story kommt noch dazu…). 6 Wochen sind es auf jeden Fall nicht. Vielleicht waren die Banken gemeint? Wohl auch nicht: Der S&P 500 Financials schafft es deutlich unter die Tiefs vom 27. Oktober (Bloomberg). Also lassen wir die Wochen… Die Nachrichten waren übrigens sicherlich negativ, aber in der Zwischenzeit sind auch die Zinssenkungen sowie neue Ankündigungen für Rettungsaktionen gefallen…

Die Beobachtung ist also nicht ganz eindeutig. Ein paar Tage haben wir aufgeatmet, aber für mich reagiert der Markt eigentlich zu verhalten. Die Oktober-Ausverkäufe waren schnell und umsatzstark – eine heftigere Gegenbewegung war im Prinzip drin.

Ich weiß nicht, ob Sie mir folgen können. Die Zeichen verdichten sich, dass die Aktien (stark) unterbewertet werden, dass die Marktteilnehmer mehr und mehr aus Angst und Not handeln (und unterbewertete Aktien abstoßen), also dass die Zeit für antizyklisches Investieren wohl gekommen ist… Aber die allgemeine technische Verfassung der Finanzmärkte ist noch schwach und anfällig. Die Zinsen kommen langsam ins Lot (bzw. liefern langsam günstige Signale), die allgemeine Anfälligkeit bleibt aber vorerst bestehen. Weiteres Abstoßen von Dividendenpapieren in substanziellem Umfang ist möglich. Der Weg des größten Schmerzens ist — leider, leider — eher nach unten.

Als Investor (und Spekulant) muss man Schmerz allerdings ertragen können. Das ist mein Punkt — wahrscheinlich ist es klug, jetzt zu kaufen. Ich glaube, es ist klug. Aber genauso wahrscheinlich wird diese Entscheidung mit Schmerzen verbunden. Den Boden exakt erwischen (und mit einem Schlag investieren) wird eher unmöglich sein. Daher — dosieren Sie bitte den Schmerz, den Sie ertragen können.

Kategorien: Analysen · Frontpage · Gesamtmarkt · Sentiment · Zinsen

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5 Kommentare bis jetzt ↓

  • Nanuk // 18. Nov, 2008

    Das Problem ist das alles was mal galt nicht mehr gilt weil es keine Märkte mehr gibt…

    http://boerse.ard.de/content.jsp?key=dokument_312684

    Die Börse ist Tod…

  • Saviano // 18. Nov, 2008

    Das ist jetzt wohl eine Provokation ;-)
     

    PS: [Der Oberlehrer meldet sich...] Keine (lebenden) Märkte würden bedeuten, die Börse ist tot;-) . So geschrieben ist der Satz aber irgendwie grausam-poetisch, was durchaus einen Charme hat (aber hoffentlich keine zu große Richtigkeit)

  • Nanuk // 18. Nov, 2008

    Man reiche ihm einen Stift damit er etwas rot anstreichen kann.

  • Saviano // 18. Nov, 2008

    Lassen wir das Sprachliche (mit rotem Stift in der Hand fühle ich mich sowieso nicht sehr wohl)…

    Die Börse ist nicht tot. Sie wird schon ihr “fulminantes Comeback” feiern. Nur Geduld…

  • Nanuk // 18. Nov, 2008

    Die Börse ist nicht tot. Sie wird schon ihr “fulminantes Comeback” feiern. Nur Geduld…

    Du meinst das Gebilde im dem fiktive Gebilde fiktive Werte hin und her schieben und fiktiven Zahlen nachjagen.Die existenz eines solchen Dings ist schon absurd genug jetzt soll es auch noch widerkommen.

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