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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Wie ist denn nun das Börsensentiment?

29. April, 2008 · 14 Kommentare

Vielleicht nehme ich wieder Bill Miller als Einstieg…

Neben den fundamentalen Kriterien, die er und seine Kollegen untersuchen (ich meine den strikten Value-Ansatz, den sie verfolgen), verweist Bill Miller auf die Stimmung an den Börsen. Und diese Stimmung vergleicht er mit Panik, einer ähnlichen Panik wie 1990-92 oder 1998.

Bill Miller sieht hier eine wesentliche Ursache für die (große) Differenz zwischen Preis und Wert im Moment — die Preise der Unternehmen sind schneller und tiefer gesunken als ihr Wert (und ist dieser überhaupt gesunken?)… Die Risiken, die sicherlich vor uns liegen, sind bereits in den Kursen berücksichtigt. Eingepreist, heißt es im Börsen-Jargon.

Also die Stimmung… Sind die Investoren wirklich so panikartig verunsichert?


Jeder hat da seine individuellen Antennen, und das Sentiment hierzulande dürfte sich von Wall Street auch ein bisschen unterscheiden (obwohl im Großen und Ganzen wahrscheinlich nicht sehr viel). Mein persönlicher Eindruck ist — Verunsicherung – ja, Panik – nur teilweise, und zwar tatsächlich rund um den Zusammenbruch von Bear Stearns und auch vorher im Januar (könnte damit zusammenhängen, dass die Aktionäre in Deutschland immer rarer werden, wohingegen in den USA viel mehr Menschen Aktien besitzen). Trotzdem würde ich die Börsenstimmung im antizyklischen Sinn als vorteilhaft, d.h. “schlecht” bezeichnen.

So, sieht es auch Ken Fisher:

An old saw says, “You should be fearful when others are greedy and greedy when others are fearful.” Clearly folks are fearful now. So you should be greedy. Another saw: “Buy when there is blood on the streets.” There’s plenty of blood, or at least depression, on Wall Street. So keep buying.

… und liefert uns noch einen witzigen Kontra-Indikator mit der Freistellung von Abby Cohen, die jahrelang der Star-Stratege bei Goldman Sachs war (Personalien-Kontraindikator halt), weil sie “zu lang, zu optimistisch gewesen sei”:

On Mar. 13 Goldman Sachs (nyse: GS – news – people ) demoted market strategist Abby Cohen for having been bullish too long. That day marked the bottom of the back half of what I think is a double-bottom whose first bottom was in January. I see Goldman’s move as bullish.

Beide Zitate: Forbes.com, Dear Abby

Andererseits zeichnen die Sentiment-Umfragen zuweilen auch ein anderes Bild. Heute, zum Beispiel, die Portfolio Managers in den USA in dieser aktuellen Erhebung (Barron’s, via: The Big Picture):

After a winter of discontent marked by massive write-offs on Wall Street and a wilting economy on Main, America’s portfolio managers have declared that the worst is over. More than half of the institutional investors participating in our latest Big Money poll say they’re bullish or very bullish about the prospects for stocks through the end of 2008. Their forecasts suggest they’re even more upbeat about the first half of 2009.

Barron’s, Back in the Pool

Oder, vor einer Woche, die institutionellen Anleger der cognitrend-Umfragen, die ausgesprochen optimistisch gestimmt waren.

Die US-Blogger schwanken auch ziemlich — volatil, aber mit tendenziell neutraler bis bullischer Einstellung.

Und dann wieder: Abseits der Börse (oder kann das gar nicht abseits sein?) fallen alle Indikatoren für Vebrauchersentiment, Konsumentenvertrauen etc. auf tiefste Stände…

Ich würde aber im Zweifel meinem persönlichen Eindruck und der Meinung von erfahrenen Börsianern sowie eher den Börsenkursen und zum Teil den realwirtschaftlichen Indikatoren vertrauen als den Sentiment-Umfragen…

Kategorien: Frontpage · Sentiment

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14 Kommentare bis jetzt ↓

  • Falk Kuebler // 29. Apr, 2008

    An old saw says, “You should be fearful when others are greedy and greedy when others are fearful.” Clearly folks are fearful now. So you should be greedy. Another saw: “Buy when there is blood on the streets.” There’s plenty of blood, or at least depression, on Wall Street. So keep buying.

    Also ich muss sagen, dass mir langsam dieses dumme Geschwätz derart auf den Keks geht! Nein, natürlich meine ich nicht den Blogersteller, sondern diese Leute wie Fisher…

    Der S&P liegt 10% unter den Alltime-Highs. Wenn man berücksichtigt, dass der Finanzsektor in den letzten 3..5 Jahren (habe die Statistik gerade nicht präsent) seinen Langfrist-Anteil am GDP vielleicht verdreifacht hatte und jetzt endlich wieder auf den langfristigen Normalpegel zurückkommt, dann dürfte das meiste von den 10% Verlust im Vergleich zum ATH sogar noch auf das Konto des Finanzsektors gehen. Insofern schätze ich einfach mal wild, dass die Realwirtschaft im S&P, also alles ausser dem Finanzsektor, vielleicht gerade mal 3..5% unter dem ATH liegt.

    Dabei dann von “There’s plenty of blood, or at least depression, on Wall Street” zu sprechen, ist mindestens lächerlich, eigentlich sogar ärgerlich…

    Aber da ich massiv short bin, sollte ich mich über diese Idioten eigentlich freuen…

    Dann tue ich das jetzt mal ;-)

  • Saviano // 30. Apr, 2008

    Du meinst, die Aktien müssen sich wie die Realwirtschaft verhalten?

  • Falk Kuebler // 30. Apr, 2008

    > Du meinst, die Aktien müssen sich wie die Realwirtschaft verhalten?

    Naja, ganz langfristig schon, aber 1. haben wir es hier zugegebenermassen mit allem möglichen, nur nicht mit Langfristüberlegungen zu tun, und 2. verstehe ich wohl deine Ironie.

    Aber im Ernst: als einigermassen (nicht übertrieben!) rationaler Mensch (Ingenieur) denke ich, dass einer von mehreren parallel anzuwendenden Blickwinkeln auch an der Börse ein rationales und numerisches In-Bezug-Setzen sein sollte.

    Und da komme ich noch mal auf meine schlichte Beobachtung zurück: der der “Realwirtschaft” entsprechende Teil des S&P (also fast alles) liegt gerade mal einige wenige Prozentpunkte unter dem Alltime High.

    Ob das zu hoch oder zu niedrig ist, kann ich ja (huch, was bin ich heute tolerant) als philosophische Frage der Meinung der vielen Börsen-Philosophen überlassen…

    Aber diesen Status als Blutbad-nahe depressive Börsensituation zu bezeichnen, kann ich nur als – ich wiederhole meine unflätige Charakterisierung – ausgeprägte Idiotie bezeichnen.

    Allerdings als höchst erfreuliche Idiotie, wenn man den dazu passenden Blickwinkel einnimmt ;-)

  • Saviano // 30. Apr, 2008

    Langfristig – ja, das sehe ich auch so (wobei langfristig wohl nicht unter 10 Jahre ist)…

    Danke für die Kommentare — sie bereichern die Diskussion hier. Denn ich sehe es etwas anders:

    Ich glaube die Stimmung ist schlechter als die Kurse, was eine – in der Tat – Diskrepanz offen legt. Diese kommt, meiner bescheidenen Meinung nach, dadurch zustande, dass sich die Aktien nun mehrheitlich in stärkeren Händen befinden (wo sie sich mehrheitlich, glaube ich, auch bis vor den Sommermonaten 2007 befanden; danach fand eine *kleine* Ãœbertreibung statt). Die Investoren sind schon verunsichert, aber können nicht den notwendigen Verkaufsdruck ausüben…

  • Falk Kuebler // 1. Mai, 2008

    >> Langfristig – ja, das sehe ich auch so (wobei langfristig wohl nicht unter 10 Jahre ist)…

    Meinte ich auch so, also im Mittel von mindestens 10..20 Jahren.

    > > Danke für die Kommentare — sie bereichern die Diskussion hier. Denn ich sehe es etwas anders:

    Danke für das Acknowledgement. Wie ich schon sagte, ich hafte zur Zeit ganz böse für meine Meinung, falls sie falsch ist …

    >> Ich glaube die Stimmung ist schlechter als die Kurse,

    Interessant, da könnte ich fast zustimmen, denn die Kurse sind IMHO sehr hoch, so dass ich selbst bei der nmM implizit einigermassen guten Börsenstimmung dein Statement noch unterschreiben würde… Auch gegen die Annahme der starken Hände hätte ich keine gravierenden Einwände (allerdings haben starke Hände auch nicht automatisch Recht oder Erfolg :-)

    Aber trotzdem gucken wir offensichtlich noch aus einem jeweils anderen Blickwinkel auf das, was wir glauben, dass es zur Zeit an der Börse passiert ;-)

    Zum Beispiel fand die Ãœbertreibung (wieder IMHO) implizit schon lange vor Sommer 2007 statt, explizit allerdings erst ab da, weil man vorher in der Breite nicht wirklich realistisch von dem Riesenbubble wissen konnte. Die Leute die heute sagen “das war doch alles ganz klar” befinden sich IMHO weit überwiegend in einer eitlen Selbsttäuschung. Ich zumindest, obwohl in der Tendenz Contrarian, habe es nicht gewusst.

    Noch mal eine andere Betrachtung: selbst wenn es den Profis (aka starken Händen) klar wäre, dass die Kurse viel zu hoch sind, dann müsste das nicht heissen, dass sie jetzt schlagartig verkaufen. Die Mechanik der Börsen-Oberliga ist ja gerade, dass man die Phasen bis zum Bubble-Zusammenbruch eben auch noch zum Geschäftemachen nutzen will oder sogar muss. Ackermann hat so etwas vor einiger Zeit mal gesagt, sinngemäss “wir können doch nicht einfach ein Jahr lang kein Geschäft mehr machen”. Und er hat verdammt recht!

    Die wirklichen Profis belauern sich also gegenseitig bis zur letzten Sekunde, und gucken weniger auf die Fundamentals als darauf, wie sie die Meinung der Kollegen gegenüber den Fundamentals und vor allem deren kurzfristige Reaktion darauf einschätzen. Manchmal sogar mit noch mehr Indirektionsstufen, da kann einem Normaldenker schon schwindlig werden… Und dann kommt es halt darauf an, wer wenn die Musik aufhört zu spielen keinen Stuhl mehr erwischt.

    Das ist schon ein verdammter Haifisch-Teich da draussen …

  • Saviano // 1. Mai, 2008

    Ich möchte etwas “einwenden”:

    Mit “starken Händen” meine ich nicht unbedingt und direkt die professionellen Anleger. Diese sind, meiner Meinung nach, sehr häufig sogar zittriger, kurzfristiger orientiert (und motiviert) und (finanziell) abhängiger als viele der privaten. Ein Teil von ihnen ist sowieso stark auf bestimmte Strategien, Day Trading, Arbitrage, Momentum etc. ausgerichtet und stellt wenig mittelfristige Nachfrage (zumindest nicht nachhaltige) dar. Andere mögen erfahrener und informierter sein, handeln aber häufig genug einfach mit der Herde.

    (Ich weiß, dass ich hier wohl an jeder Stelle etwas Richtiges und etwas Nicht-so-Richtiges sage — es ist mehr eine Nuance und Differenzierung…).

    Mit “starken Händen” meine ich vor allem Anleger, die (ausschließlich) “voll bezahlte” und mindestens mittelfristige (also 2-3 Jahre) Positionen halten (also nicht leicht in Liquiditätsprobleme geraten). Ich weiß, hier taucht aktuell erstmal ein Fragezeichen auf, wenn man an die Banken, die Hedge Fonds und einige Private Equity Akteure denkt. Ich vermute, ich könnte da – ganz offen zugegeben – auch irren, wie weit sie (in einem ausreichenden Maß) “deleveraged” haben.

    “Starke Hände” sind Investoren, die sich nach fundamentalen Kriterien richten, und zwar nicht die Momentaufnahme, sondern eine längere Periode (Zukunft und Vergangenheit) vor Augen haben. Um auf meinen – ja, schon – Optimismus zu kommen, beurteile ich also persönlich die Fundamentalsituation für die Aktien als günstig (aber, weiß Gott, kann ich daneben liegen).

    Als “starke Hände” würde ich auch Akteure bezeichnen, die nicht in erster Linie als Finanzinvestoren erscheinen, sondern … sage ich mal … strategische unternehmerische Investitionen betreiben — mit einem Wort: kaufen Unternehmen, sichern sich Anteile, Kooperationen etc. — im Grunde genommen sind dies die Unternehmen selbst (die noch gut auf Cash sitzen, niedrige Zinsen zu zahlen haben bzw. bekommen können, und lieber bei diesen Kursen, die eine oder andere sinnvolle Akquisition vornehmen sollten…).

  • Falk Kuebler // 1. Mai, 2008

    Gut, ich verstehe wie du “starke Hände” meinst. Zweifellos keine unsubstantiierte Einschätzung.

    Es wäre dann die Frage, wie das Verhalten dieser fundamentalistisch-mittelfristigen Investoren sich gegen die Profis und die zittrigen Hände in der Gesamtwirkung austariert. Man kann ja auch nicht sagen, dass die starken Hände (in deinem Sinne) einfach nur bullish sind oder durchgängig halten werden, was die resultierende Wirkung somit noch weiter kompliziert.

    In solch einer intellektuell hoffnungslosen Gemengelage pflege ich wegen Strömungsabriss in meinem Normalgehirn dann in der Regel zu sagen: “kann sein, kann nicht sein” oder auch “Kismet, Insch’allah…” ;-)

    Hilfsweise – eben aus intellektueller Not – wird mein Blickwinkel dann wie anfangs schon einmal dargestellt zu einem fundamentalistisch-komparativen. Das heisst ich nehme eine heutige Fundamentalsituation und vergleiche die mit einer früheren Fundamentalsituation (beide sind übrigens letzten Endes ja auch nur jeweils Einschätzungen einer Fundamentalsituation!) und vergleiche die sich in Kursen konkret zeigenden Auswirkungen dieser beiden Fundamentalsituationen (aka “Stimmungen”).

    Und dann komme ich aktuell halt zu dem Assessment, dass die Kurse das ganz erhebliche Delta in den beiden Fundamentaleinschätzungen bisher nicht “nachgespielt” haben. Und dann gehe ich short, und zittere und bete, und zittere und bete ;-)

    Mangels einer komplexen volkswirtschaftlichen Ausbildung bleibt mir ja auch gar nichts anderes übrig als eine solche simplistische Handlungsweise ;-)

    Das – bitte-schön – sollte aber jetzt äusserstenfalls nur eine winzig kleine Spitze gegen die Experten dieser Blogs sein, die sich ernsthaft und honorig um sachliche Erklärungen bemühen. Schiebt es am besten einfach auf meinen Neid ;-)

  • Falk Kuebler // 1. Mai, 2008

    >> Hilfsweise – eben aus intellektueller Not – wird mein Blickwinkel dann wie anfangs schon einmal dargestellt zu einem fundamentalistisch-komparativen. Das heisst ich nehme eine heutige Fundamentalsituation und vergleiche die mit einer früheren Fundamentalsituation (beide sind übrigens letzten Endes ja auch nur jeweils Einschätzungen einer Fundamentalsituation!) und vergleiche die sich in Kursen konkret zeigenden Auswirkungen dieser beiden Fundamentalsituationen (aka “Stimmungen”).

    Ich möchte mich selbst noch einmal kommentieren, weil meine Äusserung sonst missverständlich sein könnte: beim Vergleich der beiden Fundamentalsituationen (bzw. der bestmöglichen Interpretationen selbiger) kommt es IMHO darauf an, wie die jeweilige längerfristige Erwartung war bzw. sein musste (letzteres ist zugegeben hochgradig subjektiv):
    a) Im 1. Halbjahr 2007 hatten wir eine durchgängig langfristig optimistische Einschätzung der Wirtschaftssituation weltweit (nur als kleines isoliertes Beispiel “Inflation besiegt”)
    b) heute wissen wir (präziser: glauben wir zu wissen, noch präziser: glaube ich zu wissen, dass es über kurz oder lang die Mehrheit wissen wird), dass in Folge der Beseitigung der langfristig aufgebauten Wirtschafts-Ungleichgewichte zumindest mittelfristig, also auf Sicht von sagen-wir-mal 2 Jahren die Weltwirtschaft sich vergleichsweise schwach entwickeln wird, insbesondere ganz wesentlich schwächer als damals im 1. Halbjahr 2007 eingeschätzt. Wenn das zweifelhaft erscheint (was ich hier in diesem Kreis jetzt eher nicht vermute), dann kann ich es gerne darzulegen versuchen.

    Die Kursdifferenz ist nun aber viel kleiner (wie dargelegt gerade mal einige Prozentpunkte) als diese Unterschiedlichkeit. Dafür kann es zumindest auf den ersten Blick für mich nur 2 überzeugende Gründe geben:
    1. die bestimmenden Akteure (das wären übrigens IMHO *nicht* die starken Hände, sondern diejenigen die tatsächlich kurzfristig kursbestimmend handeln, also die Profis und evtl. zusätzlich noch einige zittrige Hände) gehen aus der klassischen 6 Monate vorauseilenden Börsensicht davon aus, dass wenn der reale Abschwung wirklich konkret passiert, der darauf folgende Aufschwung ebenfalls schon mit 6 Monaten Entfernung erkennbar wird und deshalb ein tiefer Kursverfall gar nicht erst eintreten wird,
    2. die Profis gehen durchaus von einem auf Sicht von 2 Jahren zu erwartenden nachhaltigen Abschwung der Realwirtschaft aus, aber “spielen” kurzfristig halt immer noch das “wer-hat-keinen-Stuhl-wenn-die-Musik-zu-spielen-aufhört”-Spiel.

    Erklärung 1 dürfte im Herbst widerlegt werden, und Erklärung 2 führt unmittelbar und selbsterklärend zum perspektivischen Short.

    Im ethischen Sinne vielleicht sogar bedauerlich, dass ich insofern auf das erwartete deutlich negative Szenario sogar hoffen muss, um wirklich “Kriegsgewinnler” zu werden, aber so ist nun mal die Welt…

    P.S.I: Es hat übrigens auch nach 2000/2001 ziemlich lange gedauert, bis sich eine unangenehme Realitätswahrnehmung wirklich voll entfaltet hatte. Wenn ich mich richtig erinnere, von den ersten tieferen Zweifeln Mitte 2000 (vielleicht vergleichbar dem Stand von Mitte 2007) bis zum nachhaltigen Verfall zwischen Mitte 2001 und 2003 eben auch gut 2 Jahre. Und wenn die beiden Situationen strukturell auch nur schwer vergleichbar sind (IMHO), dann halte ich tendenziell das heutige Blasen-Platzen sogar eher noch für für fundamentalistisch gravierender.
    P.S.II: So, jetzt muss ich mich hier mal wieder zurückziehen und eine Zeitlang wieder aufs Zittern und Beten konzentrieren ;-)

  • Saviano // 2. Mai, 2008

    Dass Sie über keine “komplexe volkswirtschaftliche Ausbildung” verfügen, ist wohl eher ein Vorteil an der Börse… ;-)

    Im Ãœbrigen schildern Sie eine vertretbare Position, die ich sogar – denke ich – nachvollziehen kann (obwohl ich Sie nicht teile). Ihre Sichtweise enthält jedoch einige Punkte, die ich auch in meiner Analyse für “ungewiss” halte — einer darunter, eben, die Frage nach dem Sentiment (die ich etwas anders empfinde…).

    Da Sie schon mal konkret März 2007 genannt haben, habe ich noch mal ins Archiv nachgeschaut (dieses Tagebuch muss schließlich auch ein wenig von Nutzen sein) — Börsennotizbuch Archiv März 2007 — und, mein Eindruck war damals, dass die Zukunft gar nicht sooo rosig wahrgenommen wurde. Ganz im Gegenteil: Die Experten waren auch damals um die Konjunktur (sehr) besorgt; es war die Zeit der ersten sehr deutlichen Anzeichen für Krise am Immobilienmarkt (ich habe die Entwicklung hier insgesamt etwas unterschätzt, aber nicht für den März und die Monate danach, sondern insgesamt für die späteren Monate…).

    Also vielleicht in Kürze nochmal: Stimmung damals — nicht sehr positiv; Immobilienmarkt belastete; Konjunkturabschwächung erwartet; Greenspan sprach von “möglicher Rezession”; die Kurse sackten das erste Mal deutlich ab.

    Ich war für das Jahr 2007 insgesamt sehr optimistisch, ich behauptete und glaubte, die (deutschen, europäischen und sonstigen etablierten) Aktienmärkte sind unterbewertet (auch zum März 2007). Ich dachte nicht, dass es im ersten Halbjahr so schnell aufwärts geht, daher habe ich zur “Halbzeit” etwas vorsichtigere Töne eingeschlagen

    Zusammenfassend (meine Einschätzungen):

    März 2007 gab es keinen Optimismus; die Kurse standen auf fundamental unterbewertetem Niveau; erst im Sommer 2007, bei einem sehr schnellen Anstieg, erwachte der Optimismus und die Kurse begannen, nicht mehr günstig zu sein — nicht zuletzt, weil sich das Zinsumfeld veränderte.

    Ich hielt die Preise im Sommer 2007 (also um die 8.000 im Dax) noch für fair. Dies ist eine Einschätzung, die sich noch beweisen soll. Ich habe die Immobilienkrise insgesamt unterschätzt sowie die Bankenkrise, die daraus entstand.

    Doch bei den Aktien habe ich noch recht — sie halten ganz gut, weil es keine übermäßige Investitionstätigkeit und Spekulation in den Aktien (der etablierten Börsen) gab — mit nur kleinen Abstrichen rund um die dann doch tiefere Bankenkrise und den Januar-Sturz (der noch durch die Verluste des/der SocGen-Trader mit verursacht wurde — ich war wirklich nicht eingeweiht…).

    Heute haben wir eine größere Krise, aber auch deutlich niedrigere Zinsen am kurzen Ende (und am langen auch niedriger). Die Zinsaufschläge und die Liquidität sind jedoch etwas ungünstiger… Und die Kurse haben zwischenzeitlich deutlicher korrigiert (und einige schwächere Hände abgeschüttelt…). Heute sehe ich — die 7.000 ist zurückerobert. Da kann ich vielleicht sagen, dass ich keine schnelle Erholung erwarte.

    Im Grunde würde ich in zwei Fällen falsch liegen:

    (a) sollten wir nach 12 Monaten noch in einer Baisse stecken oder

    (b) sollte die neue-alte Hausse jetzt unmittelbar wieder Fahrt aufnehmen (sprich: ohne neue Korrektur bzw. etwas längere Schwäche-/Seitwärtsphase).

    Eigentlich wünschte ich mir (b) — und ich wünschte es auch Ihnen, damit Sie nochmal die Shorts schließen können ;-)

  • Patt im Börsensentiment? • Börsennotizbuch // 2. Mai, 2008

    [...] diejenigen, die es vielleicht nicht mitgekriegt haben, hat die Bestimmung des Börsensentiments Anfang der Woche eine (nicht so kleine) Diskussion ausgel&#… (weitere Meinungen sind herzlich [...]

  • Falk Kuebler // 2. Mai, 2008

    Die fehlende volkswirtschaftliche Ausbildung bringt in der Tat auch Vorteile gegenüber den Experten, die nach klassischem Vorurteil den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen. Aber ein wenig mehr wüsste ich schon ganz gerne und hoffe deshalb, dass das so langsam implizit einsickert.

    Wie “abseitig” akademisch, fast hohepriesterisch so ein Thema diskutiert werden kann, sieht man IMHO ganz gut beim Herdentrieb-Blog. Ich selbst möchte das Thema eher als “Kunsthandwerk” im Sinne des Geldverdienens verstanden wissen und versuche es so zu betreiben.

    Zum eigentlichen Thema noch eine Bemerkung: Ich finde dass die Diskussion viel zu sehr auf die Frage Finanzkrise fokussiert. Dadurch entsteht dann auch der IMHO gefährliche Fehlschluss, dass man für die Börse vor allem deren weitere Entwicklung vorhersagen muss. In Wirklichkeit geht es aber um eine Krise der Realwirtschaft. Die ist zwar mit dem Finanzsektor durchaus korreliert, aber nicht so wie in den vielen Diskussionen, wo der (Finanz-) Schwanz mit dem (Gesamtwirtschafts-) Hund zu wedeln scheint. Das Problem ist in der Realwirtschaft entstanden, durch eine Über-Investition und -Konsumption vor allem der US-Privaten, die lange die Weltwirtschaft vorangepuscht und eine Kette von anderen Fehlentwicklungen nach sich gezogen hat. Bei diesen Folge-Fehlentwicklungen hat es dann geknirscht und auch geknallt. Das darf aber IMHO nicht von dem Grundproblem ablenken.

    Es hört sich manchmal nämlich geradezu so an, als ob alleine die Tatsache, dass die Banken nicht pleite zu gehen scheinen, die Kurse schon zügig über die alten Alltime-Highs hinauskatapultieren müsste.

    Meine Sicht (und renditemässige Hoffnung :-) ist, dass die Realwirtschaft eine nennenswerte Zeit lang etwas gedrückt verlaufen wird, insbesondere im Vergleich zu den geradezu paradiesischen Turbo-Zuständen der letzten 10..15 Jahre. Dass der Finanzsektor an seine spektakulären Performances, die zwischenzeitlich zur Vermehrfachung seiner Marktkapitalisierung in % des GDP geführt haben, nicht so schnell wieder anknüpfen dürfte, scheint mir fast schon trivial sicher. Aber selbst wenn das in der Gesamtwirtschaft noch ein paar Minuseffekte addiert, geht es nicht wirklich darum.

    Woher eine neue Hausse kommen sollte, ist mir deshalb insgesamt schleierhaft. Trotzdem bedanke ich mich für Ihre guten Wünsche ;-) . Wovor ich allerdings Angst haben muss, ist eine Bärenmarktrallye, die schon sehr hoch gehen und harmlose Shorties in den Squeeze bringen kann. Wirkliche Bärenmärkte gehen über den Daumen 25..50% runter, und Bärenmarktrallyes immerhin 15..40% (!) rauf, wenn man sich mal Langfristcharts ansieht. Alleine daran sieht man, dass die Börse die Verarbeitung des Themas eher mal gerade erst angefangen hat.

    Eine ganz lesenswerte Kommentierung der Frage “Ende vom Anfang oder Anfang vom Ende?”, wenn auch wieder ein bisschen wie oben beschrieben von der Finazsektorseite her betrachtet, fand ich hier:

    http://www.rgemonitor.com/euro-monitor/252542/the_credit_crisis_final_act_or_intermission

  • Falk Kuebler // 2. Mai, 2008

    Zufällig sah ich gerade, dass der Weissgarnix-Blog genau diese Diskussion jetzt auch eröffnet hat. Und weil ich vermute/hoffe, dass Blogs aufeinander nicht allzu eifersüchtig sind, möchte ich hier mal darauf hinweisen:

    http://www.weissgarnix.de/?p=130

  • Saviano // 2. Mai, 2008

    Selbstverständlich doch… Ich schaue mir das an… (weissgarnix steht ja so wieso “unter Beobachtung” — ich meine jetzt natürlich nicht wegen “gefährlichen Pessimismus”, sondern auf der Feed-Liste ;-) )

  • George Soros erwartet neuen Test der tiefsten Aktienstände von diesem Jahr • Börsennotizbuch // 8. Mai, 2008

    [...] Fall hier aufnehmen (zu den Differenzen schreibe ich praktisch einen ganzen Blog…). Ich habe bereits geschrieben, ich erwarte auch einen Test bzw. nicht die unmittelbare Rückkehr der Hausse — [...]

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