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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Sommer der Wahrheit

7. Juni, 2006 · 3 Kommentare

Natürlich ist damit die WM gemeint, aber nebenbei sollte dieser Sommer meiner Meinung nach auch für die Finanzmärkte „die Entscheidung“ herbeibringen.

Max Otte von boerse.de hat bereits aufgerufen „Greifen Sie zu“. Ich war ohnehin zuvor geneigt zuzugreifen, aber als ich das las, zögerte ich – der Mann ist für gewöhnlich immer deutlich zu früh…

Das alles natürlich nicht mit dem Ziel, die Qualitäten von Max Otte als Investor und Börsianer abzuwerten. Eigentlich – natürlich aus meiner Sicht – hat er jetzt Recht, so wie ich hoffentlich Recht habe, wenn ich die Position vertrete, dass die Notierungen tief genug sind, die globale fundamentale Basis der Aktienkurse in Ordnung ist, es vorher keine Ãœbertreibung gegeben hat, und die Aussichten für die Wirtschaftsentwicklung, Inflation und Zinsen alles in allem mittelfristig vorteilhafte Rahmenbedingungen versprechen. Wenn Sie auf wolkenlose Perspektiven warten, um zu kaufen, sind sie ohnehin an der Börse verloren – Sie kaufen den höchsten Kurs…

Dennoch sehe ich, wie mittlerweile mindestens die Hälfte der Börsen-Akteure, die gewisse „Schwelle“ heranrücken, von der ich früher geschrieben habe. Damals wollte und konnte ich mich nicht festlegen, wann genau (oder ungefähr) wir den Punkt erreichen, wenn die Zinsen das Wirtschaftstempo und die – möglicherweise – spekulativen Überhitzungen in den einzelnen Märkten unterbrechen bzw. herunterdrücken.

Im Prinzip hat sich die Wirtschaft (in den USA und – oh, Ãœberraschung! – auch so langsam in Deutschland) als relativ robust und die Inflation als relativ zahm herausgestellt. Dies hat in meinen Augen die ganze Zeit eine vorsichtige, aber feste Long-Positionierung gerechtfertigt. Und, wieder mal im Prinzip, hat sich nicht viel – selbst in den letzten Wochen – daran geändert.

Aber die Zinsen sind in den Monaten seit November (als ich über die „Schwelle“ schrieb) deutlich angehoben worden (und die langen Zinsen gestiegen, aber nicht so viel). Die Liquidität weltweit schrumpft, unterschiedliche Carry-Trades vertrocknen und Hedges zu kippen drohen. Die Auswirkungen sehen wir vorerst in den engeren Märkten, und, ich glaube, wir werden einiges in den großen Börsen auch noch zu spüren bekommen.

Für mich reagieren die Zinsen noch nicht auf die Situation entspannend und die Rohstoff-Märkte sind auch noch zu hoch. Nicht zu vergessen, das in den USA und Teilen von Europa (als wichtigste Regionen) die Immobilien-Frage noch nicht geklärt ist.

Ich bleibe noch bei der Meinung, dass – zusammen mit den Rohstoffmärkten und bis zu einem gewissen Grad der realen Wirtschaft – etwas zu viel Geld in „Aktien-Alternativen“ gebunden ist. Lange Zeit lief alles so nach dem Motto „alles außer Aktien“: Immobilien – ja, super; Rohstoffe – ein Muss; Bonds – sicher, sicher, sicher….

Damit der nächste größere Schub für die Aktien kommen kann, bedarf es nach meiner Einschätzung nicht viel, aber vor allem zusätzliche Liquidität. Und diese verspreche ich mir von dem Disengagement in den besagten Alternativen und im Falle eines Abkühlens der Weltwirtschaft auch von dem kleineren Bedarf der realen Business-Aktivität.

Einem Abkühlen der Wirtschaft wird von vielen an der Börse mit Angst entgegengesehen, und entsprechend dürften in diesem Falle die Kurse tendenziell unter Druck stehen. Aber ein Abkühlen wird bald eine höhere Liquidität bedeuten und keine attraktive Aktien-Alternativen.

Aber bis dahin dürfte es noch etwas wackeln… Aber – damit ich nicht allzu seriöse klinge – mein Tipp “Korrektur noch bis ca. -10%” ist noch aktuell (sprich S&P500 nicht unter 1150).

Kategorien: Analysen · Gesamtmarkt

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3 Kommentare bis jetzt ↓

  • S.A.N. // 7. Jun, 2006

    Eigentlich sehe ich die gleichen Risikofaktoren. Aber ich verstehe nicht, wie ein allgemeiner Rückgang zusätzliche Liquidität freisetzt?
    Führt es nciht eher dazu, dass das allgemeine Wohlstandsgefühl sinkt und die Risikoneigung abnimmt?
    Was ich im Markt vermisse, sind Kommentare, die Schwarzmalerei betreiben. Ich habe eher den Eindruck, dass alle Welt sagt, dass ja eh nicht viel passieren kann, da Aktien sooo billig sind.

  • saviano // 7. Jun, 2006

    ich gehe davon aus, dass es nicht so viele Aktien-Verkäufer geben wird. Trader sind Trader – sie beschleunigen die Schwankungen etwas und machen sie um einiges zufälliger…

    Aber ich sehe nicht woher ein übergroßes Aktien-Angebot (in USA und den anderen etablierten Märkten) entstehen kann. Die Unternehmen sitzen immernoch auf Massen von Cash, Aktienrückkaufprogramme liefen und laufen – meines Wissens nach – immernoch in ungesehenen Dimensionen, jeder Rückgang der Wirtschaft und Börse wird die Bewertungsbasis noch günstiger machen und – was damit zusammenhäng – die Zinsen/Inflation in Schach halten. Wer wird denn die großen Aktien-Pakete abladen? Und wofür?…
    Auf ein KGV von 10 zu kapitalisieren ? In 5% Zinsen anzulegen?
    Abgesehen davon, bezweifle ich, dass viele nennenswert bei der Hausse bis jetzt partizipiert haben (wegen der andertweitigen “besseren” Engagements)…

  • Die Börsen-Wetten laufen noch • Börsennotizbuch // 6. Apr, 2008

    [...] Am 7. Juni habe ich geschrieben, dass trotz gewisser Spannungen und Unsicherheiten, die Aktien den Druck standhalten werden und [...]

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