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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Liquiditätshausse

28. Mai, 2009 ·

Konjunktur vs. Börse

Heute möchte ich einen typischen Blog-Beitrag schreiben: Ich beziehe mich auf den Marktkommentar von Ulf Sommer im Handelsblatt (Ratlosigkeit treibt den Dax) und will meine Anmerkungen zu dieser Interpretation des Börsengeschehens notieren. Eine Art “Nacharbeiten” einer Mainstream-Meinung — etwas, was ja gelobte Funktion der Blogs sein soll…

“Nacharbeiten” bedeutet aber nicht “restlos kritisieren” — das ist auch gar nicht nötig, denn der Artikel von Sommer enthält schon viele richtige Punkte.

Im Kern steht das angeblich verwunderliche Kursfeuerwerk an den Börsen, das inmitten düsterer und sich sogar verschlechternder Nachrichten aus der Wirtschaft stattfindet. Sommer schreibt:

Solch ein Börsenfeuerwerk verhöhnt all jene, die mit Gehaltseinbußen oder Entlassungspapieren in der Hand unter der Krise leiden.


Der Satz steht ziemlich am Anfang des Textes, und ich habe schon an dieser Stelle mit dem Kopf geschüttelt ob so viel Unverständnis und Unerfahrenheit in Sachen Börse seitens eines … hm … Börsenkommentators. Doch das war etwas voreilig, denn der Autor kennt schon eine plausible Erklärung dieses Phänomens (seine moralisch verurteilende “Verhöhnung” zieht er trotzdem irgendwie nicht zurück, obwohl — meiner Meinung nach — dieser Kursanstieg ein signifikanter Beitrag auf dem Weg aus der Krise ist).

Sommer bezieht sich hier auf den “Börsenaltmeister” André Kostolany, was ich auch ab und an gern tue, und schildert einfach (aber an dieser Stelle wohl ausreichend) den bekannten Mechanismus:

Bei flauen Geschäften und geringen Investitionen wird dem Geld langweilig, zumal es die Notenbanken und Regierungen im Übermaß anbieten. Den Zinssenkungen und Konjunkturprogrammen sei Dank. Doch anstatt die Wirtschaft anzukurbeln, findet ein großer Teil dieser zusätzlichen Geldmenge seinen Weg an die Börse.

Das sehe ich auch so, und will ergänzend (zum wievielten Mal?) hinweisen, dass Nachfrage und Angebot an der Börse nicht (alleine) durch Nachrichten und Daten aus der Wirtschaft entstehen (vgl. Beitrag von gestern “Woher wird die Nachfrage nach Aktien kommen? — Einen Teil könnten die Hedge Fonds beisteuern“), sondern auch stark von der Liquidität beeinflusst werden.

Wie oben richtig hervorgehoben: Da zur Zeit nicht gerade rosige Investitionsperspektiven im realen Business vorherrschen, fließt die Liquidität, die auch stark mit Hilfe der Zentralbanken massiv ausgebaut wurde, vermehrt in Wertpapiere, darunter auch in Aktien. Normal (gleichwohl schwierig zu timen).

Dann kommt aber Herr Sommer mit einigen merkwürdigen Anmerkungen: Er stört sich an dem kräftigen, V-förmigen Anstieg und meint, es sei unwahrscheinlich, dass die Börsen eine neue Hausse eingeleitet haben können. Diese Unwahrscheinlichkeit glaubt Sommer aus der Geschichte ableiten zu können: V-förmige Wenden habe es nur zwei Mal seit den 30er gegeben — 1942 und 2003. Bei jeder anderen Trendumkehr habe auf die Erholung eine langwierige und nervenaufreibende Phase gefolgt, “in der die Kurse stiegen und sogleich wieder zurückfielen” (was auch immer das genau bedeuten soll).

Den Chartverlauf kann man an der einen oder anderen Stelle sicherlich auch anders interpretieren. Wollen wir der Beobachtung von Herrn Sommer trotzdem folgen, müssten wir sowieso viele kleinere Verlauftiefs ignorieren, so dass am Ende viel zu wenig relevante Perioden für eine wie auch immer geartete Schlussfolgerung bleiben würden. Eine statistische Masse von, sagen wir, 5 oder 10 Beobachtungen zu verwenden, ist etwas gewagt.

Zudem, fragt man sich, sollen wir jetzt Aktien nur deswegen nicht kaufen, weil es nach der Erholung nicht mehr so schnell aufwärts geht oder weil die Börsen schwanken werden? Und ist es denn – meinetwegen wieder aus der historischen Perspektive – auszuschließen, dass — ja, richtig, auf die Erholung kann auch eine längere Seitwärtsbewegung folgen, — das aktuelle Kursniveau aber nicht mehr so deutlich unterschritten wird? Wenn Sie mich fragen, dass kann man überhaupt nicht ausschließen.

Zu einer (ordentlicher) Hausse soll es aber auch deswegen nicht kommen, weil sobald die Wirtschaft wieder anspringt, die Liquidität für Investitionen, Ãœbernahmen und sonstige Geschäftstätigkeit gebraucht und der Börse “entzogen” wird. Die sog. Liquiditätshausse sei dann schnell vorbei.

Prinzipiell schon richtig, aber — mal im Ernst — zwischen Punkt A (Rezession, hohe Arbeitslosigkeit, niedrige Kapazitätsauslastung, folglich keine Investitionen, folglich Liquidität fließt in vorhandene Wertpapiere) und Punkt B (Aufschwung, Finanzmittel für Investitionen werden benötigt, folglich besorgen sich die Unternehmen Liquidität an den Kapitalmärkten, folglich entziehen sie dem Markt Liquidität) ist doch ein Stückchen Weg, oder? Sich jetzt schon Sorgen zu machen, wie die Kurse ins Stocken geraten können, weil die Liquidität von der Realwirtschaft aufgesaugt wird, ist eindeutig zu früh. Wahrscheinlich ein paar Jahre zu früh.

Und übrigens — ich glaube, es gibt keine andere Art von Hausse als die Liquiditätshausse.

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