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Die Finanzkrise nochmal: Die Psychologie (als Ursache) nicht vergessen

1. April, 2008 · 10 Kommentare

Ja, Recht hat er, Dennis Snower, wenn er beim WirtschaftsWunder (dem Business-, Wirtschafts- und Börsenblog der FTD) schreibt, dass viele Menschen, Laien wie Experten, beträchtliche Schwierigkeiten haben, die aktuelle Finanzkrise zu verstehen. Und dann fügt er hinzu: “Wenn wir die Vergangenheit nicht verstehen, sind wir überhaupt noch in der Lage, die zukünftigen weltwirtschaftlichen Gefahren zu erkennen?”

Gut, kann er uns das Ganze nun besser erklären?

Die Versuche, mit einfachen Worten die Geschehnisse rund um Banken, Hypothekenkredite, die ominösen Subprimes und die diversesten Abkürzungen der Immobilienkrise zu erläutern, sind nicht einer oder zwei. Trotzdem noch einmal hinhören (lesen) tut nicht weh…

Erstens, etwas überraschend:

  • Chinesische Geldpolitik erhöhte den Dollarpreis.

Wie kommt’s? Der Dollar ist doch weich wie sonst was? Ich möchte diese Passage dann genau zitieren:

Um das Exportgeschäft voran zu treiben, wurde die chinesische Währung billig gehalten. Die chinesische Notenbank gewährleistete dies, in dem sie massenhaft viele amerikanische Staatsschulden kaufte (Dasselbe galt auch für andere fernöstliche Staaten.). Dadurch blieben die amerikanischen Zinsen niedrig und wurde der Dollar teuer. Der teurere Dollar dämpfte die Preise von Gütern und Dienstleistungen, die Amerika importierte. Dies dämpfte die amerikanische Inflation und ermöglichte es der amerikanischen Notenbank, expansive Geldpolitik zu betreiben. Wegen dem deflationären Einfluss Chinas konnte auch die Europäische Zentralbank niedrige Zinsen tolerieren.

Teuer also hier relativ zu dem wichtigen Handelspartner und Importeur der USA — China. Die Argumentation gilt auch für viele andere Schwellenländer und einige erdölexportierende Länder, die einen fixen Wechselkurs zum Dollar unterhalten. Die relative Verteuerung deute ich so um, dass die Kaufkraft des Dollars (im Speziellen, um Waren aus diesen Ländern zu erwerben) gestiegen ist bzw. (unrealistisch) hoch gehalten worden ist.

Dann folgen auch andere “Meilensteine”, die sich, auch auf den ersten Blick, noch logisch einreihen:

  • Niedrige Zinsen führten zu mehr Schulden.

    Dabei gingen Schuldner und Gläubiger erhöhte Risiken ein, da sie von einem “ausgeglätteten” Konjunkturzyklus und dauerhaft stabiles Umfeld ausgegangen sind.

  • Finanzinnovationen rannten entsprechender Regulierung davon.

    Die Risiken wurden so fein gestückelt, wieder gebündelt und dann, so verpackt, herumgereicht (mit dem Gütesiegel der Rating-Agenturen), dass die Risiken zwar auf (angeblich) viele Schulter verteilt wurden (was das punktuelle Risiko relativieren und das System insgesamt stabilisieren sollte), aber dann nahmen die Investoren so viele Schulden auf, dass wir quasi mit der Situation am Ende standen “auf vielen Schultern jeweils viel Risiko” (wenn ich hier meine eigene Interpretation zum Besten geben darf. Die genaueren Ãœberlegungen von Herrn Snower bitte auf die verlinkte Seite nachlesen).

  • Die Effekte “Chinesischer Kapitalimport” — “niedrige US-Zinsen” — “steigende Verschuldung der US-Haushalte” — “steigende Immobilienpreise und Konsum in den USA” — “günstige und willige Finanzierung dessen durch die US-Finanzinstitute” verstärkten sich gegenseitig.

Und am Ende:

Irgendwann mal musste das Spiel zu Ende gehen. Dies begann vorigen August zu geschehen. Jetzt laufen die oben genannten drei Effekte in die entgegengesetzte Richtung. Obwohl der Ball schneller bergab rollen wird, als er bergauf kam, wird es dennoch ein langwieriger Prozess werden, bevor sich die drei Effekte vollkommen ausgespielt haben. Amerikanische Haushalte müssen das Sparen wieder erlernen; chinesische Haushalte müssen mehr konsumieren, so dass China weniger vom Export und mehr von der Binnennachfrage abhängig wird. Amerikanische Immobilienpreise müssen sich stabilisieren; Immobilienschulden müssen zurückgezahlt werden. Die Risiken, die aus den neuen Finanzinstrumenten entstanden sind, müssen transparent werden.

Ok, alles verstanden… (nein, ich meine es nicht allzu ironisch. Die Abläufe werden sicher zukünftige Diplomanten beschäftigen.. Sie lassen sich sicher nicht in ein paar Stichpunkten sauber zusammenfassen).

Bei dem Ganzen, sind mir (mindestens) noch zwei Aspekte eingefallen, die mir auch wichtig erscheinen, und auch einiges mit Psychologie zu tun haben (der erste weniger, der zweite mehr):

Die “chinesischen” Kapitalimporte bzw. die so genannte (Bernanke) “global saving glut” hat ja zu dauerhaft niedrigen langfristigen Zinsen in den USA beigetragen (bei gleichzeitig recht boomender Wirtschaft und mehreren Zinsschritten am kurzen Ende). Entsprechend verflachte die Zinskurve (Renditekurve) zusehends und nahm sogar für längere Zeit einen inversen Verlauf an. Dies erschwerte es den Banken, auf ihren “klassischen” Weg Geld zu verdienen (kurzfristig leihen, langfristig anlegen). Also “mussten” sie sich (hier: auch psychologischer Druck) auf “zusätzliche Geschäfte” einlassen.

Außerdem, der amerikanische Verbraucher (und Anleger, die Amis sind vielmehr Anleger als etwa die Europäer), haben nach der Dot-Com-Blase ganz selbstverständlich (wie wir auch) einen sehr bitteren Nachgeschmack von den “verunglückten” Aktien. Also mussten Ersparnisse (ja, die Amis sparen auch) und Investitionsinteresse irgendwohin — die niedrigen Zinsen, die Eigentums-Werbe-Aussagen (der Regierung), die Refinanzierungsmöglichkeiten und nicht zuletzt die Gewissheit, dass man mit einer Immobilie halt etwas “greifbares”, etwas mit “sicherem, sichtbarem” Wert erwirbt, haben hier natürlich kräftig mitgeholfen. Aber mein Punkt ist im Wesentlichen: Es gab auch so etwas wie “where ist the next big story?” (reine Psychologie).

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10 Kommentare bis jetzt ↓

  • Finanzkrise schon wieder vorbei? » Das Blog rund um Finanzen und Kredite // 2. Apr, 2008

    [...] das ist überwiegend Psychologie von der sich die Börse gerne verleiten lässt. Die Krise und die Rezession in den USA [...]

  • egghat // 2. Apr, 2008

    Tja, das bricht runter auf die Frage: Hat die Notenbank noch die Zügel in der Hand? Wir hatten das Thema schonmal und ich habe damals behauptet, dass die Chinesen in einer stärkeren (beeinflussenderen) Position sind als es viele glauben. Snower stützt diese These.

    Alan G. hat sich ja auch mal darüber beschwert/gewundert, dass es die Leitzinsen erhöhen kann, aber die Zinsen dann nicht steigen. Dazu haben die Effekte mit China beigetragen, aber auch die Carry-Trades mit dem Yen. Beides führt dazu, dass die US-Notenbank weniger Einfluss hat als jemals zuvor.Wir sehen auch auf dieser Ebene eine zunehmende Globalisierung! Ist das Geld in den USA billig, leiht man es sich da. Ist es in Japan billig, leiht man es sich halt da.

  • f.lübberding // 2. Apr, 2008

    Psychologie erklärt nun manches – etwa warum gestern die Bankaktien wieder gestiegen sind. Nur erklärt sie eines nicht. Warum die Banken (und Schattenbanken) in den letzten zehn Jahren so gehandelt haben. Das Finanzsystem saß schlicht auf zuviel Geld. Geld, das offensichtlich nicht mehr sinnvoll in der Realwirtschaft angelegt werden konnte. Den Bankern ging es wie verzogenen Kindern: Wenn die alles bekommen, wissen die am Ende auch nicht mehr, was sie sich noch wünschen sollen. Dann kann man natürlich auch von einem “psychologischen Druck” auf die Kinder reden und ihre Wunschliste ins völlig absurde steigern. Sinnvoller wäre es allerdings, den Kindern die Mittel zu streichen. Und das ist im Finanzsystem aus hier nicht zu erläuternden Gründen nicht geschehen – also kam die Finanzindustrie auf die Idee mittels “innovativer Produkte” ein finanzwirtschaftliches Schattenreich auzubauen; mit nur noch losen Verbindungen zur Realwirtschaft. So bekämpfte man den Anlagenotstand. Das hatte allerdings für die Banker ganz praktische Vorteile: Denn ihre Gehälter waren kompatibel mit der realen Welt. Mit ihren Dollars etc. konnte man sich schicke Häuser, Autos usw. kaufen. Die haben sie immer noch, selbst als sich jetzt ihr Schattenreich aus ABS, CDOs usw. in Luft aufgelöst hat. Den Schaden haben allerdings die Leute, die nun mit den Folgen dieser Auflösung des Schattenreiches zu kämpfen haben … . Etwa in der Realwirtschaft.

    “Psychologischer Druck”? Das ist die scheinheiligste Erklärung, die ich bisher gelsen habe. Diese Rotzlöffel hätte man wohl eher rechtzeitig übers Knie legen sollen … . Wenn man denn ein Anhänger der Schwarzen Pädagogik wäre. Was ich natürlich nicht bin.

  • Saviano // 2. Apr, 2008

    Doch, ich glaube die Psychologie hat eine nicht zu unterschätzende Wirkung auch bei größeren Bewegungen an den Finanzmärkten und auch in der realen Wirtschaft. Es wäre zu wenig, ihren Einfluss nur bei kurzfristigen Schwankungen zu sehen.

    Die Immobilienkrise wurde ja von einer … hm … Immobilienblase vorangegangen. Blasen an den Finanzmärkten entstehen unter der kräftigen Mitwirkung psychologischer Faktoren. Und zwar nicht alleine bei den (ach so bösen) Bankern, auch die übrige Bevölkerung hatte ihren Anteil beim Aufblasen der Preise, oder?

    Wir sind mehr oder weniger alle “verzogene Kinder” (die normalen Amerikaner haben sich auch einiges an Autos, Swimmingpools, Möbel und weiß der Teufel was noch – auf Kredit – geleistet). Und wenn uns die Gier packt, dann werden die rationalen Gesichtspunkte wohl eher ausgeblendet oder stark in die gewünschte Richtung verzogen. Ich bezweifle, dass – einmal los getreten – die Immobilienhausse durch etwas restriktivere Geldpolitik noch aufgehalten worden wäre. Noch, dass die Banken das Geschäft mit den Hypothekenprodukten gelassen hätten. Ähnliches konnte man früher und wird man in Zukunft noch häufig sehen.

    Um Blasenbildungen herum finden sich immer Menschen und Institutionen, die irgendwie profitieren und die Prozesse verstärken. Die sind aber häufig die Nebenerscheinung. Die Dot-Com-Blase ist nicht nur dadurch entstanden, dass die Geldpolitik zu expansiv war oder dass die Unternehmen, ihre Bilanzen fälschten. Sowieso schenkte kaum jemand den Bilanzen Beachtung. Im Nachhinein, natürlich, ladet man die Schuld allzu gern auf die Schulter der (wohlbemerkt: illegalen) Trickser und Betrüger ab. Und, natürlich, zum Teil völlig korrekt. Aber ich würde immer noch behaupten, die Massenverblendung (Psychologie eben) hat auch eine wesentliche Rolle gespielt — unabhängig von Geldpolitik, Bilanzpraktiken oder sonstigem.

    Ähnlich bei den Währungen — wenn man glaubt, dass alleine Zinsdifferenzen und Wirtschaftsleistung den Wechselkurs bestimmen, halte ich das für naiv. Rennt die Herde einmal, sagen wir in Richtung schwacher Euro (wie vor 2001), dann ist lange Zeit nichts zu machen. Man kann sich totregulieren und noch so höhere Zinsen setzen — erstmal rennen sie…

    Ja, die Banker haben in vielen Fällen verantwortungslos gehandelt, die Rügen will ich ihnen gar nicht sparen. Aber da steht man immer vor einem Dilemma: gibt man ihnen genug Geld und gibt es eine kleine, schöne, psychologisch begünstigte Blase, dann machen sie eine große daraus; auf der anderen Seite: gibt man ihnen nicht genug Geld, dann funktioniert es mit der Wirtschaft auch nicht so recht.

    Das Schlimme an der Sache (mit der Psychologie) ist es eben, dass, versucht man die Bewegungen zu bekämpfen, gewöhnlich noch mehr Schaden riskiert wird. Es wird ja vorgeschlagen, man hätte dem Finanzsystem früher und massiver Geld/Liquidität entziehen müssen (damit die verzogenen Banker nichts zum Spielen haben). Keine Frage, man kann streiten, ob hier und da ein Schritt nach oben oder nach unten, früher, später, mehr oder weniger hätte kommen können. Das wäre, denke ich, aber nicht genug. Man hätte “brachialer” die Spekulationslust brechen müssen — aber dann anstatt “speilende Banker” riskierten wir eine Menge Arbeitslose bzw. viel kleineres Wirtschaftswachstum.

    (Viel eher befürworte ich stärkere Regulierung im Hypotheken- und Bankengeschäft, aber die Erfahrung lehrt, dass auch hier immer wieder neue Türchen gefunden werden).

    Die entscheidende Frage — werden wir jetzt mehr zahlen als was uns in den guten Jahren entgangen wäre, würden wir früher eine viel restriktivere Geldpolitik betreiben (uh, diese Konjunktive)? Ich, ich persönlich, glaube nicht.

  • f.lübberding // 3. Apr, 2008

    Saviano

    Es geht mir nicht um “böse Banker” oder menschliche Charaktereigenschaften wie Gier. Es geht um Steuerungsprozesse. Die Immobilienkrise ist ja nicht entstanden, weil plötzlich jemand gierig geworden sein könnte. Gier gab es immer, nur gab es nicht immer solche Immo-Blasen. Das ist das erklärungsbedürftige Phänomen, nichts anderes. Warum kam es zur Expansion im US Immobiliensektor? Plötzlich waren selbst Ninja Hypotheken ein rationales Geschäftsmodell, weil die Banken ein System gefunden hatten, um die Risiken auszulagern und weltweit zu verteilen. Aus Risiko – in diesem Fall das Ausfallrisiko – wurde Risikominimierung. Genau darin ist die bahnbrechende Innovation des Verbriefungsmarktes gesehen worden. Ich kann wirklich nur jedem empfehlen, sich einmal die Verlautbarungen vor dem Zusammenbruch des Marktes anzusehen … . Wenn aber Risiko kein Risiko mehr ist, sondern ein tragfähiges Geschäftsmodell wird (DB Ackermann nennt das ja Risikotransformation, der Schelm … ), ist die Expansion zwangsläufig. Dafür braucht man nicht gierig zu sein, sondern muss nur bis drei zählen können wie mein geschätzter Goodnight im Herdentrieb Blog … . Ohne diesen Verbriefungsmarkt hätte jede Bank im amerikanischen Immo-Markt vorsichtiger agiert, weil sie die Risiken eben nicht transformieren konnten. Das Desaster hätte mit der Struktur der Pfandbriefe des alten Fritz gar nicht passieren können. Insofern ist US Treasury Paulson auch ein Goldman-Sachs Scherzkeks. Er will bei den Hypotheken ansetzen – und den Verbriefungsmarkt seiner Bank retten … . Dabei waren die mittlerweile zu hunderten Pleite gegangenen Hypobanken und Immo-Finanzierer nur die ausführenden Organe – die Drückerkolonnen der großen Investmentbanken, die diesen Kreditmüll verbrieften, bündelten und weiter verkauften. Etwa nach China oder Deutschland. Das betrifft auch nicht nur Subprime, sondern auch Unternehmensforderungen, Autokredite etc. Wie sagt Calculated Risk immer so schön: “We are all subprime”. Vielleicht liest ja jemand von der DB hier mit, dann kann er uns ja einmal erklären wie sich denn das ganze zur Zeit nicht bewertbare Zeug in der DB Bilanz zusammensetzt … . Das würde sicherlich auch Steinbrück interessieren, nur für den Fall, dass es noch zu größeren Unfällen im Sektor kommen sollte.

    Ansonsten ging es mir um die makroökonomischen Ungleichgewichte. Man hat in den letzten Jahren den Kapitalmarkt schlicht überfordert. Immer mehr Sektoren der Realwirtschaft wurden Kapitalmarkt-kompatibel gemacht. Angefangen bei den Sozialversicherungen bis hin zur Unternehmensfinanzierung. Unser altes Hausbankenmodell galt ja als hoffnungslos antiquiert. Die DB etwa hat ab 2001 systematisch ihre Kunden in diesen Kapitalmarkt hineingedrängt – und ihnen für den nötigen Druck auch schon einmal die Kreditlinien gekündigt. Warum wohl? Weil dort die Margen wesentlich besser waren – und damit die Performance im Finanzsektor. Wie will man sonst erklären, dass die Finanzbranche derartige Gewinnsteigerungen verbuchen konnte? Ganz im Gegensatz zu den Unternehmen der Realwirtschaft. Was war die Konsquenz? Noch mehr Geld floß in den Kapitalmarkt und befeuerten damit das Geschäftsmodell der Investmentbanken. Allerdings bis zu dem Punkt, wo sie keine tragfähigen Anlageformen mehr finden konnten, die die gewohnten Renditen erwirtschafteten. Selbst Norbert Walter nennt das ja “Anlagenotstand”. Und dann begannen einige Leute im Sektor auch notfalls kriminiell zu werden. Und die These vom “psychologischem Druck” bekommt ab dem Punkt eine Plausibilität. Denn die Banker sollten natürlich weiterhin hohe Renditen erwirtschaften, wussten aber im Grunde, dass die Party eigentlich schon vorbei gewesen ist. Und dieser Druck wurde noch verstärkt von Aktionären, Journalisten, Politikern, die meistens zwar keine Ahnung vom Finanzmarkt hatten, aber dort eine Art “Dukatenesel” vermuteten, der für jedes Problem eine Lösung hatte.

    Nun denn, dieser “Dukatenesel” ist ja mittlerweile verendet … .

  • Saviano // 3. Apr, 2008

    “Die Immobilienkrise ist ja nicht entstanden, weil plötzlich jemand gierig geworden sein könnte.”

    Nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht — die Hypothekenkrise und die Immobilienblase zuvor hatten ganz handfeste Treiber, wie oben im Artikel und in den geschätzten Kommentaren beschrieben. Doch – das war mein Punkt – es gab auch psychologische Aspekte, die nun auch geplatzt sind und uns (womöglich) tiefer stürzen lassen als es allein nach einer “kühlen Berechnung” notwendig wäre (dabei: der Banker-Schaff-Mir-Doch-Mehr-Rendite-Effekt habe ich explizit als der kleinere Psycho-Faktor bezeichnet). Und doch: Die Immo-Krise ist zum wesentlichen Teil durch jene für Blasenbildungen bezeichnende Gier entstanden.

    Aber noch eine pragmatische Frage: Haben wir eine Blase bei den Rohstoffen?

    Vielleicht reicht es hier auch bis drei zu zählen, dann wissen wir, ob wir nun die Zinsen so weit erhöhen müssen, bis die Öl- und Rohstoff-Preise endlich 40% korrigieren. Die Banken und Investmenthäuser sind hier auch gefährlich aktiv — sie emittieren am laufenden Band ETFs, Fonds und Prognosen… Die Rohstoff-Hausse ist auch noch gefährlich für die Realwirtschaft (Inflation etc.). Eines Tagen, bin ich fast sicher, werden wir massive Bilanzmanipulationen bei dem einen oder anderen Erdöl-Explorateur, Goldmine oder Anbieter von alternativen Energien feststellen. Vielleicht auch stark gehebelte Futures auf irgendwelche “norwegische Baumwolle”… Warum handelt man nicht? Soll man handeln? Und wie?

  • f.lübberding // 3. Apr, 2008

    Saviano

    Na klar, man kann die Zinsen so stark erhöhen, dass die Rohstoffpreise zwangsläufig fallen müssen. Nur wäre der Preis natürlich eine schwere Rezession … . Greenspan hat in seinen Memoiren zurecht darauf hingewiesen, dass er jede Assetblase hätte abwürgen können. Nur hätte er damit auch die US Wirtschaft ruiniert. Die steigenden Rohstoffpreise haben einen rationalen Kern. Das globale Wirtschaftswachstum vor allem in BRIC sorgt für eine entsprechende Nachfrage – und damit auch für steigende Preise. Der Markt erfüllt also seine Funktion zukünftige Knappheit anzuzeigen und damit auch die Suche nach Alternativen zu stimulieren. Besser können Märke nicht funktionieren. Das Problem ist zur Zeit, dass seit dem Zusammenbruch der Kreditmärkte alle Marktteilnehmer (Hedgefonds etc.) mit ihrer Restliquidität nach profitablen Anlagemöglichkeiten suchen. Angesichts der Entwicklung bei Anleihen oder Aktien gibt es eigentlich auch nur noch diese Alternative – und die Rohstoffmärkte sind im Verhältnis zu den anderen Märkten relativ klein. Deshalb der Boom. Im Gegensatz zu Immos oder Aktien hat dieser Markt ja auch noch die beschriebene realwirtschaftliche Grundlage. Dass die Banken diese Markterwartungen mit den entsprechenden Produkten bedienen, ist in diesem Umfeld völlig rational. Ich halte das auch nicht für problematisch, trotz des Inflationsdrucks, der davon ausgelöst wird. Was Nahrungsmittel angeht, hat die Politik gestern reagiert – und durch den Verzicht auf die Beimischung von Biosprit keine weitere Verknappung signalisiert. Bei Öl treibt der Inflationsdruck die Suche nach technischen Alternativen an. In den USA, das habe ich im Ziesemer Blog und im Herdentrieb schon einmal formuliert, werden die steigenden Energiekosten der Motor für die Wiederbelebung der US Ökonomie sein. Die Politik muss auf diese Marktsignale also nur angemessen reagieren – und die entsprechenden Anreize setzen.

    Ich sehe also in der Rohstoff Hausse keine systemischen Risiken. Einige Spekulanten werden draufgehen (vor allem bei Gold und Silber) – genauso wird es sicherlich auch die von Ihnen beschriebenen Manipulationen geben. Warum keine Goldmiene im sauerland aufmachen … wenn sich dafür chinesische Investoren finden. Aber diese Märkte, so mein Eindruck, sind zu klein für eine systemische Kapitalmarktkrise wie wir sie in den anderen Märkten zur Zeit erleben. Was man allerdings schon machen kann, ist endlich den Vorschlag von Tobin umzusetzen. Transaktionssteuern – eben nicht nur im Devisenmarkt – verringern den Anreiz zur Spekulation – und reduzieren sie damit auf ihren rationalen Kern. Spekulation bedeutet ja das Handeln mit Zukunftserwartungen. Viele Kritiker verkennen diesen durchaus sinnvollen Aspekt. Ich plädiere allerdings dafür, den Spekulanten wie den Kindern klare Ansagen zu geben – und sie eben nicht einfach machen zu lassen … . Ãœbers Knie wird man ja nur dann geleget, wenn der Mist schon gemacht worden ist. Sollte man vermeiden …. . Und gute Eltern sind dafür verantwortlich.

  • Saviano // 3. Apr, 2008

    Der Rohstoffmarkt ist in der Tat zu klein, daher mein Beispiel nicht gerade das beste, das stimmt….

    Für die Immobilien konnte man auch eine Menge “fundamentale” Begründungen hören (ein Median-Preis von ca. 200.000 USD erscheint bezogen auf die Einkommen auch nicht überteuert — ok, ok, nur so gesagt, kommen Sie jetzt nicht mit der Bauqualität und den Statistiken für Kalifornien –).

    Die Greenspan’sche Argumentation kenne ich… Es ist nicht leicht im Voraus eine Blase zu identifizieren und ihr gezieltes Aufhalten (frühzeitiges Platzen-Lassen) kann teurer sein als erstmal wenig (nichts) tun und dann “ausmisten”…

    Der Rohstoff-Story kann ich natürlich folgen, nur die Alternativen werden wohl nicht bald nennenswert das Angebot erhöhen können, und auch ihre (kleine) Wirkung wird wohl nicht richtig imstande sein, den Drang (vielleicht wieder eine gehörige Dose Psychologie?!) in die Rohstoffinvestments aufzuhalten…

    (Nachtrag)

    Apropos “rationaler Kern”:

    (Ich bin sicher, ich verrate Ihnen nichts Neues)

    Kostenseite: Was kostet denn die Förderung eines zusätzlichen Barrels Öl (bzw. einer zusätzlichen Tonne Kupfer etc.)? Vielleicht 10, vielleicht 20 Prozent vom Börsenpreis?

    Die relevantere Seite ist jedoch die Nachfrage, ja. So was wie affordability (wie bei den Immos). Wie lange können die Unternehmen die hohen Preise bezahlen? Und da kommen wir vielleicht auch auf die Kreditierung — wenn die Wirtschaftsexpansion auf einer (künstlichen und unhaltbaren) Kreditblase aufgebaut wurde, die den chinesischen Unternehmen (direkt oder indirekt) ermöglicht, ihre Waren (mit Wirtschaftlichkeit, die auch mal gerne kritisch zu betrachten wäre) zu produzieren und noch absetzen zu können, dann könnte die “Fundamentalseite” der Rechnung auch mal schnell kippen, oder?

    (Ende Nachtrag)

    Schauen wir mal…

    Ãœbrigens die Politik… die tut bei weitem nicht nur Gutes im Alternativen-Energien-Sektor (da werden womöglich auch ein paar Kinder überfüttert, diesmal aber keine Banker, sondern … hm … mittelständische Unternehmer oder so was). Hierzu von egghat: EEG: Subventionen für China

  • f.lübberding // 3. Apr, 2008

    Das mit den “fundamentalen Begründungen” bei den Immos ist ein starkes Argument. Und bei den Rohstoffen weiss jetzt auch niemand, was denn nun ein fundamental richtiger Preis wäre. Die Dame vom DIW ist ja immer ganz bemüht, den Spekulationsanteil am Ölpreis herauszuflitern … . Das finde ich aber nicht sehr überzeugend. Im Herdentrieb prophezeit einer der Austrians, ex Sozialist HeliBen, seit August einen crashenden Ölpreis. “Fundamental” hat er, denke ich, Recht. Nur kostet der doofe Barrel immer noch über 100 $ …. . Wenn die Preisbildung am Markt stattfindet, wird es immer Ãœbertreibungen geben, die sich aber erst nach einer Korrektur als solche herausstellen. Da sind die Eingriffsmöglichkeiten begrenzt, aber man sollte die Handlungsmöglichkeiten, die man hat, nutzen – wie bei der Transaktionssteuer.

    Ein wichtiger Punkt ist, wo man die Ursache eines Booms identifiziert. Im Immosektor kam der Preisanstieg erst nach der Einführung des strukturierten Mülls. Ohne Verbriefung hätte es keinen derartig rasanten Preisanstieg gegeben, trotz lockerer Geldpolitik oder Bretton Woods 2. Und die Chinesen sind auch wohl schon im Rückwartsgang – sowohl was den eigenen Finanzmarkt als auch die Exporte angeht. Wenn China kippt, wird die Spekulation aus den Rohstoffen verschwinden – aber wohl auch erst dann … und leider weiss keiner, wann es soweit sein wird.

    Egghat ist ja ein kluger Kopf – nur sieht er das mit den alternativen Energien viel zu dramatisch. Natürlich wird dort bisweilen Geld verschwendet und es werden auch Unternehmen Pleite gehen. Bis heute ist ja keineswegs klar wie denn der energetische Umbau unserer Gesellschaften ablaufen wird. Das kann man nicht planen, sondern nur einen Prozeß organsieren, der Handlungsoptionen ermöglicht. Was am Ende technisch machbar, ökonomisch effizient und ökologisch sinnvoll ist, wird sich erst in 30 Jahren zeigen. Aber die Grundsatzentscheidung für eine CO2 effiziente Gesellschaft ist eine Politische – und der Markt der Weg um verschiedene Optionen auszuprobieren. Ich habe immer den Vorwurf der Geldverschwendung beim Schnellen Brüter in Kalkar für absurd gehalten. In den 60er Jahren ahnte noch niemand, dass geschlossene Brennstoffkreisläufe nicht funktionieren werden – und damit der Atomenergie den Boden unter den Füssen wegzieht. Aber diese Erfahrung musste man erst einmal machen … und das kostet dann auch schon einmal 5 Mrd. DM. Auch Märkte haben immer etwas mit Versuch und Irrtum zu tun … deshalb darf man sie auch nicht den Akteuren überlassen. Vor allem nicht den Finanzmarkt, die produzieren einfach zuviel Irrtümer …

  • US-Senat übrlegt, die Spekulation in Öl zu erschweren • Börsennotizbuch // 4. Apr, 2008

    [...] gerade sprechen wir darüber (etwa die Transaktionssteuer und die Rohstoffe überhaupt, siehe Kommentare) und ich lese in der Presse, dass die Stimmen im US-Senat lauter werden, irgendwie den Handel, [...]

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