Interessanter und lesenswerter Beitrag von Jack McHugh in The Big Picture über eine sehr grundsätzliche Frage, die lange kontroverse Diskussionen verursachte, dann fast als gelöst schien, um jetzt wieder einmal brisant zu werden:
Wie sollen sich Zentralbanken gegenüber Finanzmarktblasen verhalten? Sollen sie diese frühzeitig zu verhindern suchen, oder dürfen sich die Zentralbanker erst gar nicht zutrauen, Blasen korrekt erkennen und bekämpfen zu können, so dass sie — entsprechend — das Marktgeschehen eher aus der Ferne beobachten sollen?
Alan Greenspan war zum Beispiel – erklärterweise – ein Verfechter der letzteren Route. Er hat mehrmals gesagt, dass sich die Rolle der Zentralbanken vielmehr auf das Beheben des Schadens nach dem (zeitlich ungewissen) Platzen einer Blase beschränken soll, im Aufräumen sozusagen, und nicht darin, (vermeintliche) ungesunde Preisentwicklungen an den Kapitalmärkten präventiv zu bekämpfen.
Diese Position war — wie gesagt — lange unter den Zentralbankern umstritten (etwa in den 80er), doch dank der zu seiner Amtszeit als sehr erfolgreich geltenden Geldpolitik gewann die Meinung Greenspans gewissermaßen Ãœberhand.
Die Kritik kehrt jedoch zurück.
Die Missbildungen im Finanzsystem, die uns in die Krise stürzten, werden zu einem nicht unwesentlichen Teil dem ehemaligen Fed-Chef angelastet. Nicht wenige rufen nach einer “verantwortungsvolleren” Zentralbankpolitik, die frühzeitig Verwerfungen, faule Praktiken und Ungleichgewichte erkennt und gegensteuert. Eine prominente Stimme auf dieser Seite ist William White, ehemals Chief Economist bei der Bank for International Settlements (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich) .
Als Greenspan noch als “Star” der Finanzszene galt und mit “Maestro” angesprochen wurde, äußerte sich White warnend zu der sehr expansiven Geldpolitik, die eine (illusorische?) Deflationsgefahr bekämpfen sollte, aber viel Treibstoff für die Entstehung von Kapitalmarktblasen und (globalen) Ungleichgewichten lieferte. Damals fand er wenig Gehör, heute warnt er wieder, aber die Fed, diesmal unter der Führung von Ben Bernanke, marschiert wieder gegen die Deflation, und zwar gerüstet mit so ziemlich allen Waffen, die ihr zur Verfügung stehen.
White ist in seiner Kritik nicht allein. Mittlerweile gilt fast als Konsens, dass die “lockere Geldpolitik” der Jahre 2003-2004 als wesentliche Ursache für die Entstehung einer Immobilienblase (nicht nur in Amerika) verantwortlich ist. Diese Einschätzung kann man sicher nicht ignorieren und nicht völlig negieren (und Blasen können ohne “lockere Kredite” ja sowieso nicht entstehen). Trotzdem halte ich die Geldpolitik der Fed nicht für die maßgebliche Ursache und denke, dass der Versuch andererseits, durch monetäre Restriktionen Blasen präventiv zu verhindern, ebenso riskant ist. Eine solche Geldpolitik wird womöglich schnelle Expansion und Kontraktion der Kapitalmärkte sowie der Wirtschaft verhindern können, aber auch (wissen kann man es nicht wirklich, aber vermuten…) über längere Perioden das Gesamtwachstum hemmen.
Nicht die Zinssetzung war so verkehrt und schuldig, sondern die (sträflich) mangelhafte Regulierung, die irrationale Hypothekenvergabepraktiken am Immobilienmarkt zuließ und den Banken ohne weiteres erlaubte, gewaltige Risiken anzuhäufen, die mit einer viel zu dünnen Eigenkapitaldecke gegen Schocks eben nicht abgesichert waren. Nicht zu vergessen ist die Rolle der Ratingagenturen, die auch viel enger und aufmerksamer beobachtet und geprüft werden mussten.
Das hat zunächst wenig mit der (falschen oder richtigen) Bekämpfung der Deflation und den “zu lange zu niedrigen” Zinsen zu tun. Noch mal: Klar haben die niedrigen Zinsen eine zu üppige Liquidität ermöglicht, die wahrscheinlich früher abgeschöpft werden musste, aber der gefährliche Teil der Blase ist vielmehr auf strukturelle und regulatorische Fehler zurückzuführen. Nicht alle hat die Fed zu verantwortet, aber einige.
Eine verantwortungsvolle Geldpolitik müsste zunächst hier ansetzen (und das kann man begrüßen) und sich nicht als Kapitalmarktlenker versuchen.
5 Kommentare bis jetzt ↓
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Der Fall Opel und die unkonsequenten Politiker • Börsennotizbuch // 16. Sep, 2009
[...] da, die Scherben nach dem Platzen der Blase aufzusammeln (und nicht die Blase aufzuhalten; mehr zum Thema). Geht Strobl auch in diese Richtung, jetzt aber für die Realwirtschaft? — Der Staat [...]
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