anzeige

Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
Börsennotizbuch random header image

Bernankes Flitterwochen als Fed-Chef sind vorüber

4. September, 2007 · 3 Kommentare

Für den Fed Chef Bernanke wird es in diesem Sommer tatsächlich erst. Jetzt wird sich zeigen, ob er seine erste wirklich schwierige Aufgabe bewältigen kann. Denn bisher war alles wohl klar: der Zinserhöhungszyklus, eingeleitet von seinem Vorgänger Alan Greenspan, musste fortgesetzt werden. Die Zinsen standen offensichtlich etwas zu tief, die Wirtschaft brummte, die Inflation kletterte schleichend, aber hartnäckig, die Asset-Preise stiegen, und zwar auf einer bedenklich breiten Front – von Immobilien über Rohstoffe bis hin zu den Festverzinslichen. Also – Zinsen anheben…

Bis wann? Bis Indikationen auftauchen, dass der (Wirtschafts-)Motor verlangsamt oder zu stottern beginnt. Und jetzt stotterte der Motor wohl? Das ist eben nicht so eindeutig, denn was passiert ist, waren einige Turbolenzen an den Finanzmärkten. Auf die plötzliche Illiquidität musste die Fed irgendwie reagieren, das ist wohl klar und wurde auch gemacht. Aber ob die Änderungen der Asset-Preise generell die Fed-Politik beeinflussen sollen? Die Immobilienpreise sinken, die Aktien geben nach … hmm … soll die Zentralbank eingreifen?

In diesem Punkt unterscheiden sich Greenspan und Bernanke wohl etwas. Auf den Unterschied geht Kenneth Rogoff in einer FTD-Kolumne ein. Er macht sich, so zu sagen, Sorgen darum, ob Bernanke das nötige Fingerspitzengefühl beweisen wird und ob er nicht die Signale der Märkte zu sehr ignorieren könnte. Denn Bernanke hat vorher die Position vertreten, dass die Notenbanken sich weitestgehend aus dem Spiel mit den Vorhersagen, insbesondere an den Wertpapiermärkten, fernhalten sollen:

Aus der Perspektive des Ökonomieprofessors argumentierte Bernanke, dass die Zentralbanken sich davor hüten sollten, Vorhersagen für die globalen Wertpapiermärkte zu machen. Er forderte die Notenbanker auf, Schwankungen von Aktienkursen und Immobilienpreisen zu ignorieren, solange es keine eindeutigen und zwingenden Beweise für eine gefährliche Rückwirkung auf Produktion und Inflation gebe.

Grundsätzlich hat man auch bei Greenspan solche Töne vernehmen können. Kenneth Rogoff verweist aber auf einen zusätzlichen Aspekt – Greenspan hat auf die Signale der Märkte stets reagiert und hat sich nicht alleine auf die Daten aus der Wirtschaft verlassen:

Bernankes Ansichten mögen streng der Theorie folgen, die Wirklichkeit aber tut es nicht. Problematisch ist, dass wissenschaftliche Modelle von der Prämisse ausgehen, dass die Zentralbanken tatsächlich wissen, wie hoch Produktionsleistung und Inflation in Echtzeit sind. In Wahrheit verfügen die Zentralbanken normalerweise lediglich über äußerst ungenaue Werte. Die US-Statistikbehörden etwa haben erst vor einem Monat ihre Schätzung für die landesweite Produktionsleistung für das Jahr 2004 beträchtlich gesenkt.

Dass die Fed stärker nachgelagerte Indikatoren berücksichtigt, ist auch Gegenstand des Beitrags von The Prudent Investor bei seekingalpha (Markets Watch the Fed — What Does the Fed Watch?), in welchem das letzte Sitzungsprotokoll des FOMC analysiert wird.

Kategorien: Frontpage · Zinsen

Tags:

Vor- und zurückblättern (aktuelle Kategorie) ↓

Anzeige ↓


Verwandte Beiträge ↓



3 Kommentare bis jetzt ↓

  • Bernankes Dilemma • Börsennotizbuch // 11. Sep, 2007

    [...] Matthias Eberle schreibt für das Handelsblatt ein Kommentar zur schwierigen Entscheidungslage der Federal Reserve. Ich habe auch in einem früheren Beitrag erwähnt, dass dies die erste ernsthafte Prüfung für den neuen Fed-Chef Bernanke sein wird. Matthias Eberle konzentriert sich auf die möglichen Zinssenkungsschritte — ob 25 Basispunkte, ob 50 (”keine Zinssenkung” ist wohl keine Option mehr). In jedem Fall gäbe es Unzufriedene, gäbe es Gründe für die Märkte nervös zu bleiben, für die Aktien zu fallen. [...]

  • Bernankes erste große Prüfung • Börsennotizbuch // 19. Sep, 2007

    [...] Die Parallele mit der Great Depression geht für mich aber eindeutig zu weit. Die Flitterwochen von Bernanke sind zwar sicher vorbei; die große Angst dürfen wir trotzdem, finde ich, nicht ausrufen (vgl. etwa Wird die Krise überschätzt?). Es ist halt nur “der Ernst der Ehe”… [...]

  • Saviano // 20. Sep, 2007

    Mit der gestrigen Entscheidung hat Bernanke doch eher gezeigt, dass er nicht so akademisch-nüchtern lediglich theoretischen Modellen oder (etwas besser) nachgelagerten Indikatoren als Grundlage der Geldpolitik nimmt. Vielleicht taten ihm die Kommentatoren einfach nur Unrecht (ich war etwas zu zögerlich, mit eine Meinung zu bilden — und wie auch? — was sich wahrscheinlich jetzt als richtig erweist).

    Bernanke hat sehr wohl die Finanzturbolenzen und Unsicherheiten registriert und auch einen entschiedenen Schritt gemacht. Die Urteile über diesen gehen – wie normal – auseinander, auf jeden Fall zeigt er aber die Offenheit, den Ton des Marktes zu vernehmen. Ob dies das berühmte “Fingerspitzengefühl” ist, wird sich noch zeigen. Wir haben aber zumindest keinen Grund, es auszuschließen — eher im Gegenteil.

Kommentieren: