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Greenspan geht: Abschied vom Zauberer

31. Januar, 2006 · 3 Kommentare


Alan Greenspan, “Mein Leben für die Wirtschaft”, Deutsch (Link führt zu amazon.de)

Im Blog Herdentrieb gibt es einen wunderbaren ironisch-würdigenden Post zum Abschied vom großen Greenspan. Insbesondere der Vergleich zu der europäischen Geldpolitik, die gezeichnet von “Stabilitätswahn” (wie auch hier häufiger geschrieben) wahrscheinlich einiges an Wirtschaftswachstum in den letzten Jahren (wenn nicht Jahrzehnten) gekostet hat.

Nur zu empfehlen: Hoch verehrter Alan Greenspan

An dieser Stelle möchte ich gern auch eine andere Erkenntnis erwähnen, die durch Greenspan Beachtung und auch letztendlich Praxis fand. Es geht um die erklärte Haltung und Handlungsrichtlinie einer Notenbank hinsichtlich spekulativer Ãœbertreibungen (Blasen) an den Finanzmärkten: Soll man sie bekämpfen? Wenn ja – wie? Und wenn nein – was riskiert man dabei?

Alan Greenspan hat des öfteren die Meinung geäußert, dass man (etwas überspitzt natürlich gesagt) Blasen an den Finanzmärkten (insbesondere an den Börsen) nicht direkt bekämpfen soll. Die Rolle der Zentralbank und der Geldpolitik sieht er vielmehr darin, “den Mist” nach dem Platzen der Blasen “aufzuräumen”. Diese Erkenntnis ist natürlich nicht unumstritten und die geldpolitischen Maßnahmen diverser Zentralbanken sind natürlich nicht danach ausgerichtet. Aber ich finde sie durchaus berechtigt.

Wann sich an den Finanzmärkten Blasen gebildet haben, kann man eigentlich nur im nachhinein sagen. Eigentlich kann sich keiner anmassen, beurteilen zu können, wann die Aktien etwa zu hoch gestiegen sind und wann nicht. Die Zentralbank soll nicht so viel auf die Entwicklungen an den Börsen achten, sondern vielmehr auf die realwirtschaftlichen Daten. Und hier geht es bekanntlich um das “Doppelziel” Wachtum und Beschäftigung auf der einen Seite und (relative) Preisstabilität auf der anderen. Ãœbertreibende Börsen gehen gewöhnlich einher mit starker Konjunktur und anziehender Inflation (nicht zuletzt wegen der Gewinne, die sich durch die Aktien in solchen Phasen von breiten Massen erzielen lassen). Aber auf die Inflation soll die Notenbank reagieren und nicht auf die Aktienkurse. Dass durch die Einschränkung der Liquidität auch die Börsen in Mitleidenschaft gezogen werden, ist so zu sagen dann ein Nebeneffekt.

Greenspan selbst hat mal rückblickend auf die Ereignisse an den Börsen nach 2000 seine Geldpolitik so verteidigt: hätte man früher und aggressiver die Liquidität abgeschöpft (sprich: die Zinsen angehoben), hätte man höchstwahrscheinlich viel zu früh die Konjunktur abgewürgt , sodass der gesamtwirtschaftliche “Schaden” größer gewesen wäre. Von seiner “irrational exuberance” sprach Greenspan bekanntlich noch 1996, aber hätte er womöglich “entschiedener” Gegenmaßnahmen ergriffen, hätten Amerika und die Welt noch knapp 4 Jahre Wachstum “verpasst”. Die ganze Infrastruktur (insbesondere im IT-Bereich) wäre nie (oder vielleicht immer noch nicht) entstanden, das ganze Know How hätte sich nicht entwickelt etc. (weiter hierzu: Produktivität und Technologie). Auf dem Niveau von 1996 scheinen die Börsen die Wachstumsmöglichkeiten und -chancen wohl eher richtig eingeschätzt zu haben. Somit hatte selbst Alan Greenspan die Bewertung der Aktien nicht ganz richtig beurteilt. Gut nur, dass er seine Position nicht mit den geldpolitischen Mitteln durchzusetzen versuchte.

Klar, die Blase nahm einige Jahre später gewaltige Ausmaßen an und das “Aufräumen” nachher war eine schwierige, langwierige und wenig dankbare Aufgabe. Aber es ist geschafft. Es gab keine Weltwirtschaftskrise von dramatischer Dimension und die Wirtschaften konnten nun von einem höheren Niveau ihren Weg aufnehmen.

Vielleicht klappte alles auch zu gut!?… Aber darauf komme ich ein anderes Mal zurück…

Nun ein Blick wie sich andere von Alan Greenspan “verabschieden”:

FAZ: Abschied vom Zauberer

Heute ist der letzte Tag von Alan Greenspan als Chef der amerikanischen Notenbank Fed und wird wohl in wenigen Minuten zum letzten Mal den Entschluss über die Zinspolitik in der wichtigsten Wirtschaft der Welt leiten.

In der FAZ ist zu diesem Anlass einen breiten Überblick über seine Tätigkeit, die sich übrigens über mehr als 18 Jahre ersteckt, zu finden.

Greenspan geht: Abschied vom Zauberer – FAZ.NET

Kategorien: Allgemein · Analysen · Gesamtmarkt · Wirtschaftsdaten · Zinsen

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3 Kommentare bis jetzt ↓

  • Die Notenbank und die Aktien-Blasen • Börsennotizbuch // 16. Apr, 2007

    [...] Mehr dazu im früheren Blog-Post: Greenspan geht: Abschied vom Zauberer. [...]

  • EZB erhöht die Zinsen auf 4 Prozent • Börsennotizbuch // 6. Jun, 2007

    [...] Solche Überlegungen hatte auch der frühere Fed-Chef Alan Greenspan, und sie erwiesen sich als sehr richtig (auch wenn die Verluste an den Finanzmärkte schmerzten, hatten wir in den 90ern einen Jahrzehnt hohen Wachstums und Wohlstandaufbaus und eine ziemlich milde Rezession (in der Realwirtschaft). Die Kritiker dieser Politik warten allerdings noch auf negative Konsequenzen – was “wir” fairerweise noch nicht ganz ausschließen, aber auch nicht wirklich glauben können). [...]

  • Bernankes Flitterwochen als Fed-Chef sind vorüber • Börsennotizbuch // 4. Sep, 2007

    [...] Grundsätzlich hat man auch bei Greenspan solche Töne vernehmen können. Kenneth Rogoff verweist aber auf einen zusätzlichen Aspekt – Greenspan hat auf die Signale der Märkte stets reagiert und hat sich nicht alleine auf die Daten aus der Wirtschaft verlassen: Bernankes Ansichten mögen streng der Theorie folgen, die Wirklichkeit aber tut es nicht. Problematisch ist, dass wissenschaftliche Modelle von der Prämisse ausgehen, dass die Zentralbanken tatsächlich wissen, wie hoch Produktionsleistung und Inflation in Echtzeit sind. In Wahrheit verfügen die Zentralbanken normalerweise lediglich über äußerst ungenaue Werte. Die US-Statistikbehörden etwa haben erst vor einem Monat ihre Schätzung für die landesweite Produktionsleistung für das Jahr 2004 beträchtlich gesenkt. [...]

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