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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Wann kommt die Zeit des Öls wieder?

14. Januar, 2009 ·

Barrel Öl

Das Jahr 2008 war wirklich nicht arm an spektakulären Ereignissen. Eines davon war sicherlich die Berg- und Talfahrt des Ölpreises.

Zunächst schien das Öl wirklich alle zu sein: Das Angebot konnte der Nachfrage nicht schnell genug hinterhereilen; die Peak-Oil-Theorie fand immer mehr Anhänger; von Top-Adressen des Investmentbusiness wurden tolle Zielmarken von über 200 USD ausgerufen. Und dann … die Talfahrt…

Von über 150 USD stürzte das “schwarze Gold” auf nunmehr knapp 40 USD pro Barrel ab. Das sind ungefähr -75%. In den letzten Tagen wurden eben neue Tiefstände markiert; aktuell zeigt Bloomberg folgendes an:

  • WTI Cushing Spot: 37.78 USD
  • Nymex Crude Future: 39.02 USD
  • Dated Brent Spot: 45.66 USD

Die Leser des Blogs werden sich erinnern, dass mir der ganze Öl-, Energie- und Rohstoffe-Hype lange missfiel. Irgendwie war es zu spüren, dass die geradezu senkrecht verlaufenden Charts einiger Commodities (insbesondere des so wichtigen Ölpreises) mehr mit Spekulation zu tun haben müssten als mit den Wachstumsraten der lieben Asiaten.

So sieht es auch 60 Minutes, die bekannte CBS-Sendung — Did Speculation Fuel Oil Price Swings? — Die Spekulation in Öl war nicht nur immens, der Hype wurde auch extra durch die Banken per lautstark verkündete Kursziele und Peak-Oil-Analysen angeheizt. Die Banker arbeiteten offenbar auch sehr eifrig dran, beträchtliche Summen in den neuen Trendmarkt “umzuleiten”. Neue, finanzkräftige Akteure, die nichts mit der physischen Lieferung zu tun haben, gesellten sich dazu.

Nach dem regelrechten Crash des Öls scheint es nun, die viel beschworene globale Nachfrage nach Energie und Rohstoffen war eher spekulative Nachfrage in - wieder einmal! – wenig regulierten Märkten. Die Spekulation (bzw. der Verdacht auf übertriebene Spekulation) rief auch die US-Regulierer auf den Plan, so dass der US-Congress “Investigationen” einleitete. Das war im Sommer 2008 (vgl. etwa diese zwei Meldungen hier im Blog: 1.) der Kongress/Senat machen sich Gedanken (April)… und 2.) Hedge Funds reduzierten die Long-Positionen in Öl auch wegen den (kommenden) Investigationen (Juni)). Der Krach von Lehman Brothers und AIG (die laut 60 Minutes massiv am Öl-Markt engagiert waren) dürften den Ölpreis endgültig von der Klippe gestoßen haben…

War es aber nur Spekulation?

6 Monate später werden wieder Analysen herumgereicht, diesmal sprechen die Banker aber von Ölpreiszielen von … hm-hm … 30 USD. Wo sind die fundamentalen Faktoren geblieben? Wieder einmal lernen wir, dass die Preise an der Börse eigentlich Grenzpreise sind, sprich: Preise zu denen die letzte Einheit bzw. handelbares Quantum eines Wertes den Besitzer wechselte. Zwar sind die Märkte gewöhnlich liquide, es gibt market making etc. pp., aber immer noch sind die aktuellen Kurse nicht identisch mit etwas wie Gesamtpreis.

So möchte Barry Ritholtz an einige Punkte erinnern, die einen fundamentalen und “technischen” Ölpreisanstieg begünstigten. Unter “technisch” wären hier Faktoren wie der schwache Dollar, die sehr niedrigen Zinsen zwischen 2002 und 2004 sowie – vermutlich – die politische Unsicherheit in der Nahost-Region zu nennen. Die “fundamentalen” haben, klar, viel mit dem realen Wachstum, mit Asien, mit Global Boom und wachsender Produktivität zu tun.

Vielleicht sieht man es bereits — sowohl die technischen als auch die fundamentalen Faktoren (bzw. ein großer Teil davon) haben nach wie vor gewisse Gültigkeit. Zudem dürfte die Exploration deutlich zurückgehen. Wirtschaftsquerschuss kann hierzu eine umfangreiche Sammlung von Daten präsentieren (“Niedrige Ölpreise ein Garant für künftig hohe Ölpreise!”).

Kann man also eine baldige Erholung der Ölpreise erwarten?

Ich glaube, nicht so schnell und nicht viel früher als eine globale Wirtschaftserholung einsetzt. Ein wichtiger Aspekt: Die Lagerbestände steigen massiv (was den Preis belastet), als Lagerstätten werden jetzt auch die Tanker benutzt (mitunter weil die Frachtraten so am Boden liegen); der Preisunterschied zwischen Lieferungen Februar und Juli ist so gestiegen, dass sich die Lagerhaltung als lukrativ erweist (und trotzdem kann dies den Preis nicht stützen).

Inventories in Cushing, Okla., the delivery point for futures traded on the New York Mercantile Exchange, have jumped more than 40% in the month ended Jan. 2 to the highest level since at least April, 2004, when the government started collecting Cushing data.

Such stockpiling reflects the wide gap between the price of oil for delivery in the next month and contracts to deliver oil later this spring and summer. On Monday, oil for February delivery closed at $37.59 a barrel on the Nymex, or nearly $15 lower than July’s contract price.

MarketWatch.com, More oil is put into storage, waiting for prices to rise

Es gibt also viel Öl, das auf Preisanstieg wartet (und wettet). Die Angebotskürzungen werden sich auch nicht so schnell auswirken können. Der spekulative Drive ist erstmal raus. So bleibt ein Long-Öl vorerst eine Wette auf die Erholung der Wirtschaft. Diese wird sich aber kaum in den nächsten 6 Monaten wieder fangen und kräftiger wachsen. Der Ölpreis dürfte weiter schwächeln bzw. große Schwierigkeiten haben, signifikant zu steigen.

Für die Konjunktur wäre dies eine Entlastung, Kaufkraftzugewinn, Good News.

Erst wenn dieses “Konjunkturprogramm” zu wirken beginnt, dürfte die Zeit des Öls wieder kommen.

Kategorien: Frontpage · Rohstoffe

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