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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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“Stolz” und “Bedauern”

1. Dezember, 2005 ·

Machen wir einen Ausflug in die Welt der behavioral finance.

Ken Fisher beschäftigt sich umfangreich auf diesem Gebiet. Es ist immer interessant, die psychischen Reaktionen und Motivationen der Menschen im Börsenumfeld zu studieren.

Dies ist natürlich sehr wichtig, da die meisten Entscheidungen ja ohnehin unter emotionalem Druck entstehen und so manche Meinung in Wirklichkeit ein Gefühl ist (wenn Sie mich verstehen…).

Ken Fisher sagt aber etwas Interessantes: Angst und Gier (fear and greed) sind, ja, die klassische Beschreibung der „Börsenemotionen und -motivationen“. Sie sind mächtige Impulsgeber, dennoch ist das Verhalten der Anleger/Spekulanten durch zwei andere „Kräfte“ viel konkreter und unmittelbarer bestimmt. Und diese nennt er „pride“ (Stolz) und „regret“ (Bedauern).

In ihrer evolutionären Entwicklung haben sich diese beiden für die Menschen als außerordentlich nützlich erwiesen. Die Menschen „instinktiv“ neigen dazu „Stolz zu akkumulieren“ und „Bedauern zu verdrängen“ (die Übersetzung ist etwas holprig, klar). Die Erfolge werden als Stolz akkumuliert und auf die eigenen Fähigkeiten zurückgeführt, während die Misserfolge, das Bedauern, werden verdrängt und durch äußere und wenig beeinflussbare Umstände entschuldigt.

Dieser Mechanismus hat dazu beigetragen, psychisch besser mit den Widrigkeiten des Lebens (wir sprechen hier von der Evolutionsentwicklung) zu umgehen und immer wieder aufs Neue zu versuchen, nicht aufzugeben etc. Nach dem Motto: wenn die Jäger heute keine Beute mitbringen konnten, so war das z.B. wegen des schlechten Wetters und nicht weil sie keine guten Jäger sind. Und so brechen sie morgen wieder auf. Wenn sie dann irgendwann etwas erlegen konnten, so war es, weil sie eben die schlauen Spurenlesen sind und fähige Speerwerfer…

Auf unserem Weg erleben wir unzählige Misserfolge und auch Erfolge. Die Evolution hat unsere Psyche so angepasst, dass wir durch „Akkumulieren von Stolz“ und „Verdrängen von Bedauern“ eine bessere psychische Balance erhalten können, um weiter zu gehen…

Ich würde die beiden vielleicht eher irgendwie mit „Eitelkeit“ und „Verstecken“ ergänzen. Wann kommt der „normale“ Mensch zur Börse? Gierig sind wir ja sowieso. Aber den entscheidenden Impuls kommt für die meisten wahrscheinlich durch die Eitelkeit, dass man zu den Gewinnern gehören will (also muss es Gewinner bereits geben, ergo die Kurse sind bereits deutlich gestiegen). Wenn die Gewinner vielmehr im eigenen Umkreis zu finden sind (also mehr oder weniger unmittelbarer Kontakt: Freunde, Kollegen, der Mann der Schwester von X etc.). Und gleichzeitig das „Verstecken“ des – dann lächerlichen – Sparbuches.

Wie am Neuen Markt: damals war das Sparbuch ja geradezu verpönt. „Derjenige hat mit der und der Aktie so und so viel gewonnen!!! – Ich gehe auch Aktien kaufen…“ Die anderen hörte man mit ihren besten Treffern angeben. Seinerseits protzte man auch nur mit den allerbesten. Und so weiter…(wahrlich nicht immer so extrem…)

Wenn wir die aktuelle Situation nehmen (und die obigen Gedanken hierauf anwenden):
Die Menschen haben große (glaubt man den Statistiken) Ersparnisse angehäuft. Auf festem, aber niedrigem Zinssatz. Lebensversicherungen, Rentenfonds, Garantieprodukte. Was ist geschehen: die Festverzinslichen haben in den letzten Jahren (in der Baisse ja sowieso) sehr gut performt. Auch die vorausgesagte Zinswende ist nicht eingetroffen. Vielmehr sind die Rentenpapiere weiter gestiegen (plus Zinszahlungen). Die Investition in Sicherheit ist bisher erfolgreich. Man braucht nur ein paar Jährchen weiter zurück zu blicken und kann auf eine deutliche outperformance gegenüber den Aktien verweisen. Auch in den letzten Jahren, die durch feste Aktienkurse gezeichnet waren, haben sich die Festverzinslichen gut gehalten. Außerdem waren sie sicher. Bei den Aktien weiß man ja nie…

Noch sind die(se) Menschen nicht mit deutlicher outperformance der Aktien konfrontiert oder gar mit Verlusten. Auch wenn zum Teil in Aktien diversifiziert worden ist, ist die große Masse des Kapitals in Bonds. Eventuelle Turbulenzen an der Börse werden diese Portfolios nicht so hart treffen können. Sogar im Falle einer ungünstigen Aktienentwicklung, werden die Zinsen eher fallen und neue Gewinne bei den Bonds auslösen. Die Performance insgesamt wird nicht so leiden und wird die diversifizierten Anleger also weniger zu Panikverkäufen (von Aktien) verleiten.

Kategorien: Analysen · Sentiment

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