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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Die Zeit schwärmt vom globalen Kapital

13. Juli, 2007 · 1 Kommentar

Golbus WeltThomas Fischermann und Robert von Heusinger werfen in der Zeit einen detaillierteren Blick auf die großen, ja überschwemmungsartigen Kapitalströme der globalisierten Welt. Kaum einer hat nicht von der “globalen Liquiditätsschwemme” gehört, von den riesigen Währungsreserven, die sich in den so genannten Entwicklungsländern anhäufen.

In der modernen Weltwirtschaft kommt dabei eine – auf den ersten Blick – paradoxe Entwicklung zum Vorschein: die “armen” Schwellenländer transferieren Unsummen in die “reichen”. Einer der Ergebnisse ist das große Leistungsbilanzdefizit der USA. Auch die Ursachen für das üppige Vorhandensein von Kapital wird zum entscheidenden Teil bei den Schwellenländern gesehen:

Tatsächlich spart die Welt als Ganze heute nicht mehr als früher: Nach Angaben des IWF wurden 2006 knapp 23 Prozent des Weltsozialprodukts nicht verbraucht, so viel wie auch im Jahr 1990. Doch die Verteilung hat sich geändert. Die Schwellenländer haben zunehmend gespart, während sich manche Industrieländer, allen voran die USA, höher verschuldeten. 1996 brachten Industrieländer 78 Prozent der weltweiten Ersparnisse auf, 2006 waren es nur noch 65 Prozent. Das spiegelt sich in den nationalen Sparraten wider: In den USA werden heute noch knapp 14 Prozent des Volkseinkommens gespart, in Europa sind es 21 Prozent, aber in den Schwellenländern Asiens im Schnitt 42 Prozent. Das zeigt, woher der Milliardenstrom kommt.

Zeit.de, Die große Welle

Für die Börsenbeobachter stellt sich die Frage, was denn nun passieren wird, wenn diese globale Liquidität, die auch kraftvoll die Assetpreise nach oben treibt, auf einmal schrumpfen würde, gar versiegt? Meine Überzeugung von der enormen Wichtigkeit der Liquidität für die (hier im Speziellen) Aktienmärkte ist bekannt. Also schaut der Börsianer, wie immer, nach vorn.

Und hier sind in der Tat einige dunkle Wolken am Horizont auszumachen: die Zinsen dieser Welt sind insgesamt am Steigen. Auch wenn die Fed (US-Notenbank) schon seit einem Jahr nicht mehr erhöht hat, setzen in anderen wichtigen Wirtschaftsregionen die Zentralbanken weiterhin mit den restriktiven Schritten fort. Dazu kommt, dass auch die langfristigen Zinsen – in Euroland spürbarer, in den USA weniger spürbar – nach oben klettern. Wenn wir hier von Zinsen reden, meine ich die sichersten Investments, die es eigentlich zu kaufen gibt – die Staatsanleihen der etablierten westlichen Staaten. Darüberhinaus werden am Kapitalmarkt auch unzählige andere Schuldverschreibungen und zwar zuletzt mit erstaunlich niedrigen Risikoprämien (sprich Zinsaufschlag gegenüber den besagten Staatsanleihen) gehandelt. Die globale Liquidität hat gehörigen Druck auf die festverzinslichen Renditen ausgeübt, und hier wird sich sehr wohl zeigen, ob wir Liquiditätsprobleme bekommen (sprich die Risikoaufschläge und die Zinsen insgesamt würden steigen).

In diesem Zusammenhang:

Die Geldschwemme wird nicht versiegen, selbst wenn sich der Kreditmarkt beruhigt. Deshalb steht die Weltwirtschaft vor einer historischen Herausforderung: Auch in weniger entwickelten Regionen und Märkten müssen Anleger und Investitionsmöglichkeiten endlich zueinanderfinden.

Rezepte dafür kursieren in großer Zahl. Marktliberale Ökonomen drängen, dass mehr Länder als bisher ihre Finanzmärkte für ausländische Banken und damit für deren Expertise öffnen. Diese Länder sollten zudem zulassen, dass Kapital auch ungeregelt wieder abfließen kann, damit die heimischen Firmen und Banken stärker um die verbleibenden Mittel kämpfen müssen.

Hier sprechen die Autoren (etwas weniger direkt, eigentlich) die Urquelle des globalen Kapitalzuwachses und der Liquidität an: enorme Entwicklungssprünge in weiten Teile der Welt. Natürlich sind hier die bevölkerungsreichsten Schwellenländer Asiens das deutlichste Beispiel. Aber das Gleiche spielt sich prinzipiell auch in Osteuropa und Lateinamerika ab. Innerhalb kurzer Zet trafen modernste westliche Technologie und Know-How auf verbesserte Investitionsbedingungen (und natürlich reichlich vorhandene billige Arbeitskraft). Viele sind sonst die Faktoren, die zusammen den Begriff Globalisierungen bilden, aber dies, meine ich, ist einer der zentralen Punkte: auf “einmal” sind Menschen, Organisationen, ja ganze Volkswirtschaften in der Lage, einen gigantischen Sprung quasi von der Vorindustriellen Zeit (oder meinetwegen: der frühen Industriellen Zeit) in die Moderne zu machen. Und so sind Abermillionen Menschen (adäquat, sprich viel effizienter) in der (globalen) Wertschöpfung eingebunden. Wert-Schöpfung – sie schaffen Werte. Und ohne jetzt zu viel auf “das Rüstzeug” früher Ökonomen zurückzugreifen, wird dies auch letztendlich in Form von Kapital sichtbar werden.

Und weswegen der Zitat von oben? Na, eben, die Prozesse gehen weiter; und es gibt noch genug Länder der Welt, die mitmachen können, wohl mitmachen werden. Der große Schub – kurzfristige Kreditschwierigkeiten hin oder her – ist nicht ausgeklungen. Wenn wir Glück haben (und das hoffe ich für die ganze Welt) ist dies nur der Anfang.

Jetzt, aber – stop! – nicht Kopf über Kragen Aktien kaufen! Die Börse ist noch etwas anderes. Ich habe nicht von der Börse gesprochen. Stimmt schon, mit dem Glauben an diese Schilderung, sollte man Aktien kaufen und lang halten. Das ist auch meine grundsätzliche Ãœberzeugung und Strategie. Dabei aber nicht vergessen, dass die Börse zu sehr kapriziösen Bewegungen neigt, dass sie mit der Wirtschaftsentwicklung (Konjunktur) nur auf eine seltsame Weise korreliert (oder nicht korreliert). Hier muss man sich extra auskennen (Volkswirtschaftsstudium reicht nicht) und lernen ist teuer. Aber was soll’s, Hauptsache man verliert nur Geld…

Ansonsten – ab zu Prosperity!

Kategorien: Analysen · Frontpage · Gesamtmarkt

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1 Kommentar bis jetzt ↓

  • Globalisierungsblog // 13. Jul, 2007

    Man muss mit der ganzen Liberalisierung trotz allem Vorteil vorsichtig sein. Märkte neigen zu übertriebenen Schwankungen und gerade kleine Schwellenländer können diese Schwankungen oft noch nicht vertragen. (Asienkrise)

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