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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Sehr schwache Daten vom US-Arbeitsmarkt

8. September, 2007 · 5 Kommentare

Hammer - Der Arbeitsmarktreport USA Das war schon hart – anstatt der erwarteten +100.000 Jobs wurden am Freitag -4.000 gemeldet. Ein toller Konsensus der Analysten!

Ich habe bereits geschrieben, dass sich die Blicke der Investoren verstärkt auf die Beschäftigungssituation in den USA richten. Die Hypothekenkrise ist nun da – die Lage ist so unübersichtlich und in vielen Punkten widersprüchlich, dass sich die Hoffnungen letztendlich auf die US-Verbraucher richten – diese sollen weiter mit Konsumlust und Optimismus die Konjunktur stabilisieren. Dafür soll die Arbeitslosigkeit niedrig und die Einkommenssituation (tatsächliche und gefühlte) robust bleiben.

Und jetzt dieser negative Report! Ich glaube, egghat gleicht nach Punkten aus…


Zwar steigt jetzt die Wahrscheinlichkeit, dass die Fed die Zinsen am 18. September senken wird (vgl. Arbeitsmarktdaten bringen Zinssenkung bei Herdentrieb von Uwe Richter), doch bad news ist bad news. Zumal ich immer behauptet habe, dass die Hypothekenkrise – soweit sie eine Geldkrise bleibt – nicht so schlimm ist. Geld gibt es, Geld kann man “drucken”; die Zentralbanken werden Sicherheiten annehmen, übernehmen, alles ist letztendlich nur Papier, Schulden, die verlängert, umstrukturiert werden können etc. (wenn die EZB – weniger flexibel und “akademisch” wie sie nun mal ist – es nicht machen soll, so macht es die Fed und das ist wichtiger: worum geht es? – Man muss den Spekulanten leider helfen, Robert von Heusinger in der Zeit).

Der Vertrauen kann mit Geld geflickt werden – der Preis dafür ist gewöhnlich Inflation. Da wir aber die – vermutlich - günstige Situation haben, wegen der Globalisierung (darunter vor allem wegen der großen Produktivitätssprünge in den Emerging Markets) in einem eher deflationären Umfeld zu leben, kann die Operation sogar gelingen…

Löst die Krise aber Abruptionen am Arbeitsmarkt aus, wird es “realer”. Der Arbeitsmarktreport ist eine erste und ernste Warnung. Die Investoren können sich auf eine Zinssenkung kurzfristig freuen, aber sehr bald – danke ich – wird die “Freude” den Sorgen um die Konjunktur weichen. Noch muss man hinzufügen: falls negative Daten die Tendenz verstärken. Dann werden die “Handbücher für Abschwung und Rezession” aufgeschlagen, und dort steht im Zweifel, dass die erste Zinssenkung gewöhnlich nicht den Kaufpunkt markiert…

Außerdem: an der (möglichen) Schwelle eines Abschwungs (geschweige denn Rezession) sind die Aktien plötzlich nicht mehr so günstig… Und weiter: Hören die USA auf zu wachsen, können uns einige andere “aufgepushte” Märkte abschmieren – hier meine ich vor allem China & Co., etwas weniger, aber durchaus auch – die Rohstoffe…

Der September kann seinem schlechten Ruf also gerecht werden…

Ja, wo bleibt denn nun mein Optimismus? Keine Angst – der ist immer noch da und ziemlich fest. Ich halte an meiner Einschätzung fest, dass die Aktien der großen Industrieländer (etablierten Börsen) auch im Moment nicht zu teuer gekauft sind. Und wer schon ein bisschen Zeit an der Börse verbracht hat, müsste eigentlich wissen, dass dies die “halbe Miete” ist (selbstverständlich, falls korrekt).

Mein Optimismus ist und war nie kurzfristiger Natur. Ich erwartete vielmehr weiter korrigierende Märkte (angesichts doch ernste Liquiditäts- und Kreditprobleme blieb etwas erstaunlich, dass sich die Aktien so gut hielten):

Ich tendiere aktuell auch dazu, eine Fortsetzung der Korrektur als die wahrscheinlichste Option zu sehen. Die Märkte haben sich zwar deutlich beruhigt, aber die “Probleme hinter den Kulissen” dürften nicht so einfach verschwunden sein. Für eine richtige Anpassung scheint mir die Zeit zu kurz und die Abschläge noch etwas zu klein.

Beitrag vom 3. September 2007, Thomas Müller: Die Korrektur ist noch nicht überstanden.

Und für offensive Handlungen sah ich jetzt noch keinen Platz, allerdings eine Überprüfung der Aktienquote für wichtig.

Behielte man eine (optimistische) langfristige Perspektive für die Weltwirtschaft, die ich für angebracht halte, kann die aktuelle Situation eine gute Möglichkeit eröffnen – der Markt neigt dazu, die kurzfristigen Aussichten einzupreisen. Und die Divergenz zur langfristigen Perspektive ist die Chance des Spekulanten.

Fallende Aktien sind im Moment also das günstigste Szenario. Gibt es denn andere Szenarien? Ja: die Börsen können positiv auf die kommenden Zinssenkungen reagieren – das wäre schwieriger zu manövrieren. Es kann eine Flucht in die Sicherheit der Aktien (!) einsetzten, das wäre auch schwieriger zu manövrieren.

Es wird vermutlich eine umfassende Anpassung der Risiken stattfinden – die Aktien haben für mich immer noch nicht überzogenes Risiko eingepreist, und sinkende Kurse erhöhen schnell das Chance-Risiko-Verhältnis.

Kategorien: Frontpage · Gesamtmarkt · Wirtschaftsdaten

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5 Kommentare bis jetzt ↓

  • egghat // 8. Sep, 2007

    Weiche Tannine umkreisen mein Näschen ;-) Nee, n’Spaß. Das war eine Zahl aus Tausenden, die in den nächsten Monaten noch kommen werden. Das 3. Quartal wird wohl an dich gehen, dazu gab es in der vergangenen Woche von der Industrie zu gute Zahlen und dazu ist das Quartal zu alt. Aber dann kommt mein Hattrick ;-)

    Die Arbeitsmarkt-Zahlen waren aber echt schlecht sogar für mich als Pessimisten. Die Berechnungen von Econbrowser errechnen sogar ein Minus von 65.000 Stellen. Autsch.

    Ich halte weiterhin erstklassige Anleihen für ein gutes Investment. Und danach Aktien. Vor allem in Europa. Und nix aus der Finanzbranche. Solide Firmen mit soliden Bilanzen. Und (aber da langweile ich) Gold und Silber, die wieder kommen.

    Ãœbrigens halte ich die “Globalisierung als Inflationsbremse”-These inzwischen auch für eine umstrittene. Es war sicherlich so. Nun aber ist jedes T-Shirt aus China. Jeder verlagerbare Industriejob abgewandert. Was jetzt verlagert werden könnte, kostet hier erstens Arbeitsplätze, zweitens relativ gut bezahlte Arbeitsplätze und drittens ist das in China auch nicht mehr sooo billig. Früher waren die Chinesen 90% billiger und heute vielleicht noch 60%. Ganz nebenbei haben die Chinesen über 6% Inflation, die Arbeit wird also noch teurer. Und einen großen Teil des positiven Effekts (5 T-Shirts für 15 Euro) heben inzwischen die durch die chinesische Nachfrage gestiegenen Rohstoffpreise wieder auf. Das ist inzwischen ein ganz schön zweischneidiges Schwert!

    Bye egghat.

  • Saviano // 9. Sep, 2007

    Leider ist die Globalisierungsthese in vielem tatsächlich umstritten. Für die Neugierigeren — eine frühere Erwähnung: Globalisierung ist nicht verantwortlich für die niedrige Inflation.

    Trotzdem: Auch wenn die Effekte sicher akademisch etwas schwierig nachzuweisen wären, glaube ich an die Auswirkungen der Globalisierung. Die Produktivitätssprünge, die viele Millionen Menschen mit einem sehr hohem Tempo erfahren, dürften per Saldo zu spüren sein.

    Außerdem: die Inflation-Stresstests für die entwickelten Wirtschaften (vor allem USA) waren sehr groß, und die Inflation blieb aber alles in allem moderat. Es kann sein, dass dies nur eine Zwischenperiode war, aber auch dass es sich um einen längeren Trend handelt.

    Die Globalisierung wirkt sich nicht nur durch (einfaches) Outsourcing aus, sondern auch durch die Intensivierung der Konkurrenz. Diese kommt nicht nur durch die “ärmeren” Länder zustande – die großen und mittlerweile auch die mittleren und die kleinen Unternehmen der Industrieländer spielen immer mehr eine globale Rolle.

    Es müssen nicht nur “ganze” Produkte sein, die in den Schwellenländern produziert werden, es werden viel häufiger Teile der Wertschöpfungskette ausgelagert. Das Potenzial hier ist, denke ich, bei weitem nicht ausgeschöpft. Eine Konjunkturabkühlung wird auch mächtig Druck ausüben, weitere – noch unproduktive – Regionen in diesen Prozess einzubeziehen.

  • New York Times: Rezessionswahrscheinlichkeit hoch? • Börsennotizbuch // 16. Sep, 2007

    [...] New York Times setzt das Thema Rezession praktisch als prominente Schlagzeile. Die Arbeitsmarktstatistiken sowie die Bond-Märkte würden klare Signale senden (daher: Double Warning That a Recession May Be on the Way): [...]

  • Verkäufe und Preise neuer Immobilien stark gefallen • Börsennotizbuch // 29. Sep, 2007

    [...] Die logische Schlussfolgerung: die Bauunternehmen werden ihre Aktivitäten reduzieren, was die Konjunktur direkt schwächt. Im Artikel werden noch die aktuellen Wirtschaftsdaten aufgezählt, die ein negatives Bild zunehmend konkretisieren: Der Konsum (Konsumausgaben) verliert an Tempo; die Verbraucherinflation läßt nicht nach (entlastet die Verbraucher – noch – nicht); das US-BIP für das zweite Quartal wurde nach unten revidiert (auf 3,8 Prozent von zuvor 4); die Kreditierungsbedingungen (vor allem Hypotheken) haben sich “verschlechtert”, sprich: werden nicht so leicht gewährt (wollten wir alle das nicht?). Einzig die Arbeitslosenzahlen in der letzten Woche halten sich gut (aber das starke Signal, dass der Arbeitsmarkt womöglich bereits eine konjunkturelle Wende vollzieht, kam bereits). [...]

  • Der Arbeitsmarktbericht nun stark • Börsennotizbuch // 7. Okt, 2007

    [...] Noch Anfang September erschreckte der sehr schwache Arbeitsmarktbericht aus den USA die Finanzmärkte. Damals schrieb ich, dass sich die Aufmerksamkeit der Investoren nach meiner Auffassung langsam, aber sicher dem Arbeitsmarkt zuwendet. Die Hypothekenkrise, heute noch mehr als vor einem Monat, kann keinen noch so wirklich überraschen. Selbst wenn große Banken Berichtigungsbedarf in Milliardenhöhen bekanntgeben, überrascht es die Börse nicht. Man kann natürlich streiten, ob, wann und wie sich weiterer Korrekturdruck, ein “materieller”, nicht einpreisbarer Verkaufs- und Berichtigungsdruck entfalten kann (wird, soll?), psychologisch sind die Märkte erstmal vorbereitet. Und mit der Zinssenkung ist das Finanzsystem nun besser gewappnet. [...]

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