Die Stimmung an den Börsen ist gut, keine Frage. Die Lage in der Wirtschaft, hierzulande und weltweit, scheint auch Grund genug zu geben, um zuversichtlicher in den nächsten Monaten zu schauen. Die Bewertungen der Aktiengesellschaften scheinen nach den klassischen Kriterien alles andere als überzogen. In den letzen Wochen haben viele Medien günstige Einschätzungen und Prognosen veröffentlicht, Analysten äußern sich optimistisch, Beobachter gehen von steigenden Börsen aus, ja – machen wir uns nichts vor – die Stimmung ist gut, solide. Die Aktien sind auch noch gut gestiegen, insbesondere zum Jahresende.
Nur, wo sind die Anleger? Vor allem, die deutschen? Man würde meinen, sie kaufen und profitieren vom günstigen Umfeld, von der Hausse?
Dieses Mal mit etwas Feiertags-Verspätung: die Statistik des BVI zur Entwicklung der Mittelaufkommen der deutschen Publikumsfonds. Und sie zeigt etwas Erstaunliches. In dem vierten Hausse-Jahr in Folge, als der DAX neue Hochs erklimmt, stellt man hierzulande Rekorde in Netto-MittelABFLÜSSE aus Aktienfonds fest.
Im November alleine sind über 900 Mio. Euro aus Aktienfonds abgeflossen. Für die ersten 11 Monate in 2006 kommen wir auf die atemberaubenden 5,8 Milliarden Euro Minus. Ich kann mich zum Beispiel auch an die schwachen, ja traurigen, Börsenjahre 2001 und 2002 erinnern – die BVI-Statistik wies damals noch immerhin Zuflüsse aus. Und auch in den noch ferneren Jahren (die Zahlen sind nicht mehr online zu finden) war eine positive Bilanz die Regel.
Auch nicht prächtig die Entwicklung der Rentenfonds – gegen das Ende des nun vergangenen Jahres schmolzen die anfänglichen Netto-Zuflüsse und verwandelten sich in 355 Mio. Euro Netto-Abflüssen.
Dafür aber glänzen besonders die Geldmarktfonds (12,6 Mrd. Euro), gefolgt von den wertgesicherten Fonds (4,1 Mrd. Euro) und die Mischfonds (3,7 Mrd. Euro). Soll so die Zuversicht, der Optimismus aussehen – höchstens eine Diversifizierung, etwas Aktien „beimischen“?
Alle Zahlen: BVI-Fondstatistiken für November 2006 (pdf) (31. Mai 2007: Link auch leider tot. BVI stellt rgendwie keine Archive hierzu zur Verfügung. Gut, dass ich berichtet habe.
Nun, in Europa sieht es nicht so ängstlich aus. Deutschland und Italien sind die zwei Länder, die sich am deutlichsten von dem Gesamttrend der europäischen Fondsindustrie abkoppeln. Die Anleger im europäischen Ausland kaufen schon (Europäer kaufen mehr Aktienfonds). Aber das Fehlen von zwei der wichtigsten Industrienationen der Welt kann nicht leicht mit einem gefährlichen Optimismus vereinbart werden, oder?
PS: Ich werde bald etwas detailliertere Daten zum internationalen Anlageverhalten posten, bleiben Sie dran.
10 Kommentare bis jetzt ↓
gsyi // 3. Jan, 2007
Die Abflüsse kann man damit begründen, dass die institutionellen Anleger der Meinung sind, dass die Aktienwerte bereits überbewertet sind. Nach Meinung von Kostolany (wenn er noch leben würde) sind wir wahrscheinlich bereits in die Phase der Übertreibung gekommen.
Olaf // 3. Jan, 2007
Die Frage ist jetzt nur, wer den längeren Atem hat. Ziehen die Anleger weiter Mittel ab (aus welchen Gründen auch immer), so zwingen sie die Fondsmanager letztendlich zur Anpassung ihrer Aktienquote durch den Verkauf von Aktien, was die Kurse drücken dürfte (einige Mischfonds machen das bereits)
Oder dreht die Stimmung und die Anleger wechseln von Geldmarkt- zu Aktienfonds? Dann wird weiter steigenden Kursen nichts im Weg stehen.
Saviano // 3. Jan, 2007
Dass der Markt den indirekten Verkaufsdruck (Nettoabflüsse) so gut standhielt und sogar ansehnlich stieg, deutet für mich eher auf das zweite Szenario hin. Außerdem, wie hieß es: steigen die Kurse – kommen die Anleger. Diesmal wird es wohl auch nicht anders sein.
Saviano // 3. Jan, 2007
@ gsyi
Du sollst mir etwas bei der Begründung helfen – wieso der Institutionellen? Institutionelle Mittel sind auch in der Statistik (aber nicht deutlich und getrennt ausgewiesen) – soweit ich die Definitionen von BVI gut verstanden habe, zählen insbesondere die Sonstigen Wertpapierfonds (S) zu den “reinen” institutionellen Fonds (aber natürlich nicht ausschließlich). Diese sind gut im Plus.
Wie auch immer – Mittel fießen ab.
Nach Kostolany, würde ich sagen, sind wir eindeutig in der Begleitungsphase.
Vergessen wir nicht - die Börsen bauen technisches Korrekturpotenzial auf • Börsennotizbuch // 3. Jan, 2007
[...] In einem der Kommentare zum gestrigen Artikel „Die Stimmung ist gut, wo sind die Anleger“ wird die Lage – nach Kostolany – als Übertreibungsphase charakterisiert. Meine Antwort darauf ist – nein, wir befinden uns (für mich: eindeutig) in der Begleitungsphase. In ihr „begleiten“ die Aktienkurse die wirtschaftliche Entwicklung, oder besser die Nachrichtenlage: fallen die Nachrichten gut aus, steigen die Kurse (etwas), kommt es zu Schwierigkeiten, ziehen sie sich (etwas) zurück. [...]
gsyi // 3. Jan, 2007
Kostolany beschreibt das Börsengeschehen in drei Phasen:
1. Korrektur
2. Stimmungsumschwung
3. Ãœbertreibung
In der jetzigen Phase treiben sich Kurse und Stimmungen gegenseitig in die Höhe. Allein der DAX stieg im letzten Jahr um 20%. Die Statistiken habe ich so interpretiert, dass die institutionellen und privaten Anleger nicht getrennt aufgelistet sind. Ein Großteil der Kapitalabflüsse stammen sicherlich von den institutionellen Anlegern, da die Privatanleger in der Regel den Trend folgen (following the trend) …
Momentan warte ich aber auf die Stellungnahmen der Notenbanken, wie sie die Wirtschaft einschätzen. Denn nach meiner Meinung spiegel die Börse den Gesundheitszustand der Volkswirtschaft wieder…
Saviano // 4. Jan, 2007
Die Bezeichnung der Phasen habe ich auch mal so, mal anders gelesen (eben mit der “Begleitungsphase”). Womit ich – übrigens bei Kostolany ganz gut unterstrichen – nicht ganz einverstanden wäre, ist, dass die Börse den Gesundheitszustand der Volkswirtschaft(en) wiederspiegelt.
Die Börse wiederspiegelt nur eins: Angebot und Nachfrage. Der Umweg über den Gesundheitszustand (im Sinne, dass dieser auch über die Angebot-Nachfrage-Verhältnisse entscheidet) stimmt nicht immer. Aber am meisten stimmt es in der (nach Kostolany) Begleitungs- oder Stimmungsumschwungsphase.
Die Weltwirtschaft hat sich in den vergangenen Jahren prächtig entwickelt (wohlbemerkt aus einer als sehr schwierig wahrgenommenen – und in vielem tatsächlichen – Krise heraus). So auch die Kurse. Natürlich ist die große Kunst an der Börse nun feststellen zu können, ob die Notierungen noch OK oder schon übertrieben sind. Dies wird letztendlich eine sehr subjektive Einschätzung bleiben.
Ich persönlich habe nicht das Gefühl, dass die Kurse durch Stimmungen hochgetrieben wurden. Sie spiegeln für mich noch immer die reale Entwicklung wieder, oder vielmehr: sie eilen einer fairen Bewertung nach. Denn in meinen Augen sind die wichtigsten Börsen (insb. Europa) noch unterbewertet . Die Ertragskraft und -potenzial der Unternehmen unter den aktuellen und ähnlichen Rahmenbedingungen (Inflation, Zinsen, Globalisierung, Technologie, Politik etc.) sollte langfristig – meiner Meinung nach – deutlich höher bewertet werden.
Schauen wir mal…
PS: Übrigens interessante Überlegung zu den Mittelabflüssen. Kann jetzt nur zur Kenntnis nehmen.
gsyi // 4. Jan, 2007
>> Womit ich – übrigens bei Kostolany ganz gut unterstrichen – nicht ganz einverstanden wäre, ist, dass die Börse den Gesundheitszustand der Volkswirtschaft(en) wiederspiegelt.
Würde ich nicht behaupten. Sicherlich wird die Börse durch Angebote und Nachfrage beeinflusst, wenn man jedoch weiterdenkt, werden die Angebote und Nachfrage von der Stimmung der Menschen bestimmt.
In einer Rezession oder Depression neigen die Menschen dazu, weniger zu investieren -> Baisse. In einer Hochkonjunktur kaufen viele sogar auf Kredit -> Hausse.
Besonders in den USA, in dem Land wo die meisten Menschen Aktien anstatt irgendwelche Rentenversicherungen als ihre Altersvorsorge kaufen, ist dies so. Schließlich gehören die wichtigen amerikanischen Indices wie Dow Jones oder Nasdaq auch zu den Kennziffern der Federal Reserve, um eine Zinsentscheidung zu treffen.
Trader’s Quest » Geld an der Seitenlinie? // 21. Jan, 2007
[...] Viel Geld fließt derzeit in Geldmarktfonds. Aber ist dieses Geld wirklich an der Seitenlinie? Ich habe bisher nicht von einem Geldmarktfond gehört, der Geld in irgendeiner Art physisch lagert, ganz im Gegenteil zu einigen ausländischen Gold-ETFs, die zur Zeit ca. 560 Tonnen des Edelmetalls physisch lagern. Das heißt, auch das Geld, das in Geldmarktfonds fließt, wird anderswo investiert, hauptsächlich in Termingeldern, Schuldscheindarlehen, Bankguthaben und Anleihen mit kurzer Laufzeit. Aha, das Geld wird also weiter verliehen, und auch die Geldmarktfonds haben “nur” Schuldscheine in der Hand. Damit sich das rentiert, muß das Geld natürlich mit einer höheren Rendite verliehen werden, als der Geldmarktfond ausschüttet. Das bedeutet, dass das Geld im Laufe dieser Kreditketten immer höhere Renditen erzielen und somit auch in immer risikantere Anlageformen fließen muss. [...]
Die Zahlen der “Aktien-Begeisterung” • Börsennotizbuch // 31. Jan, 2007
[...] Wie auch immer, wenden wir uns den Jahreszahlen zu (Grafik von oben): wie ich bereits angemerkt habe, schreiben wir hier vermutlich einen zweifelhaften Rekord. Mit Netto-Mittelabflüssen in Höhe von 5.616,8 Mio. Euro sind wir Zeigen einer ungesehener Zurückhaltung der deutschen Anleger vor der Aktien-Anlage. So was hat man selbst in den “düsteren” Jahren nach dem Platzen der Dot-Com-Blase nicht feststellen können. [...]
Kommentieren: