DAX knapp +50% in einem Jahr – die Stimmung wird besser, die Stimmung ist gut. Das ist mehr als normal. ABER ist sie bereits zu gut. Und wessen Stimmung?
Thomas Grüner konstatiert in seinem aktuellen Beitrag den Stimmungsumbruch von Aktionären und Anlegern, der nach seinem Eindruck so in den letzten wenigen Monaten deutlich zustande gekommen ist. Vorher waren die meisten noch eher skeptisch, unentschieden und vorsichtig. Etwas gewagtere Kursziele (wie ein Plus von mehr als 10% im DAX auf Jahressicht) empfanden sie als übertrieben. Heute – nicht mehr. Die Kurse machen Stimmungen, die Kurse machen Meinungen.
Was mich anbetrifft, habe ich schon seit einigen Monaten eine etwas „komische“ Haltung eingenommen: auf Sicht der nächsten 2-3 Jahren (mittelfristig ist das bei mir) dürfen die Aktien die beste Anlageform sein; kurzfristig aber ist Vorsicht geboten. Nun warte ich seit einiger Zeit auf meine Korrektur, und die Märkte zeigten eine beeindruckende Performance. Aber ich warte mit Long-Positionen. Ich habe immer wieder gesagt – man soll in diesem Markt long bleiben, die Aktien erscheinen mir höchstens fair bewertet – und fair bewertete Aktien verkauft man nicht.
Nun, das klingt sehr nach einem zweifelhaften Börsenbrief… Ich warte weiter. Doch nach den starken Monaten zuletzt ist unweigerlich auch die Gefahr vor schärferen Korrekturen gestiegen. Insbesondere angesichts der deutlich besseren Stimmung. Die Argumente für positive Entwicklung von Wirtschaft und Börse sind bis zum breiten Publikum (und den Analysten und Journalisten) angelangt, sind verstanden und viele haben auch danach gehandelt. Und hier kommt eine wichtige Frage: wie viele?
Ich verfolge auch hier im Blog die Investment-Statistiken der deutschen Fonds-Industrie: viel Begeisterung (in From von mehr Investitionen) ist überhaupt nicht zu spüren. Aber ist das ein verlässlicher Indikator? Die amerikanischen Fonds-Daten (zugegeben – hier wiedergebe ich eher fremde Meinungen, die ich als seriös halte (uch!), als dass ich selber Zeitreihen studiert habe) zeigen eher starke, zum Teil rekordverdächtige Inflows, die allerdings meistens außerhalb der USA gehen (also theoretisch auch nach Europa) oder durch die Öffnung von ETFs (insbesondere im Rohstoffbereich) für das breite Publikum angetrieben wurden.
Statistiken, wie wir wissen, sind mehr als gemeine Lügen… Also vertraue ich etwas mehr meiner subjektiven Wahrnehmung und Intuition: ich glaube, ein sehr signifikanter Teil der momentan aktiven Investoren sind dauerhaft interessierte Anleger, viele davon mit gehöriger Erfahrung, ein guter Prozentsatz davon solche, die seit Ende der 90er bis heute, die bittere Zeit überstanden haben und geblieben sind. Die Portfolien haben sich langsam aus der Defensive gewagt, wurden a la hausse umgestellt, die meisten Verluste sind eingeholt. Dabei vermute ich, dass die Portfolien erst jetzt etwas aus dem Gleichgewicht geraten: die Investitionsanteile etwa in Emerging Markets, Rohstoffe, Öl und Gold (wahrscheinlich gehörig klein und ziemlich spät erworben) dürften langsam für eine rationale und vernünftige Betrachtung übertrieben groß sein. Die Einstiegskurse der erhöhten Aktienanteile liegen vermutlich ziemlich nah an die heutigen Stände. Viele neugebackene Aktionäre denke ich, sind nicht dabei, und auch wenn – die Größe der Engagements ist wahrscheinlich übersichtlich.
Nicht ohne Grund habe ich neulich auf Gottfried Hellers Kolumne verwiesen.: die Aktien, aus einer rationalen Perspektive betrachtet, sind ok, doch die „zittrigen“ Hände, die vermehrt kommen, werden die Schwankungen erhöhen. Also man wird wahrscheinlich für die nächsten Monate gute Nerven haben müssen. Die Long-Positionen wären immer noch zu halten, aber umgekehrt der allgemeinen Stimmung, sollte man den Anlagehorizont erhöhen, Risiken aus den Positionen herausnehmen, und womöglich Gewinne aus den Mode-Branchen und Trends sichern.
1 Kommentar bis jetzt ↓
Die Anleger werden schnell unsicher • Börsennotizbuch // 6. Apr, 2008
[...] Darf ich auf einen früheren Beitrag verweisen. Da sind einige Überlegungen noch vom 28. April insbesondere bezügich Interesse und Teilnahme des Publikums zu dieser Zeit zu lesen: Kurse machen Stimmungen. [...]
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