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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Crash-Gefahr in China?

21. Mai, 2007 · 14 Kommentare

Chinesich für GlückBekanntlich eskalieren in China die Aktienkurse. Und die Stimmungen. Die Euphorie – allen Berichten zufolge – hat längst das Volk erreicht. Auch wenn die meisten Chinesen arm sind, eilen immer mehr “neu gebackene” Anleger zur Börse und kaufen die große Story des chinesischen Siegeszug in der Weltwirtschaft. Begleitet wird dies ohne Frage auch von Nationalstolz und großen Ambitionen, die spätestens mit dem enormen Wirtschaftswachstum der letzten Jahrzehnte überall im Reich der Mitte evident sind.

Zwar sind diese gar nicht ohne Grund (China schreibt beeindruckend (s)eine Wirtschaftswunder-Geschichte), aber Wirtschaft und Börse … das hatten wir schon… Die Kurse sind dramatisch gestiegen, und allen Anschein nach werden sie nunmehr durch wenig rationale Kräfte nach oben bewegt. Selten geht so etwas gut aus. Der steile Kursanstieg erinnert uns unweigerlich an andere große Ãœbertreibungen (Link: wieder Trader’s Quest, mit dem provokanten Titel: Börsencrash in China in genau einem Monat). Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mir jucken schon die Hände, da short zu gehen…

ABER. Tue ich vorerst nicht.

Der chinesische Markt ist offensichtlich von Hochstimmung erfasst. Lange hat es gedauert bis die wirtschaftliche Stärke des Landes in die Aktienkurse eingepreist wurde. Lange stagnierten oder sogar fielen die Aktien in China, ganz gleichgültig, ob die Wirtschaft mit 10 Prozent wuchs oder nicht. Erst seit etwa einem Jahr (so seit Anfang 2006), beobachten wir eine wahre Kursexplosion. Als ob der ganze wirtschaftliche Aufschwung und das (neue) Gewicht Chinas auf einmal neu bewertet werden mussten. Bestimmt ist ein Teil dieser neuen Bewertung berechtigt, aber in einer derartig spekulativen Atmosphäre verlieren die Notierungen den Bezug zur Realität. Nur, man weiß nie, wie hoch “eine verrückte Menge, den Kurs hochtreiben kann” (um Sir Isaac Newton zu zitieren).

Und da kommen ein paar Ãœberlegungen von mir:

Der chinesische Aktienmarkt ist relativ klein. Eigentlich wollte ich tatsächlich so etwas schreiben, aber als ich dann kurz recherchierte:

In fact, as of May 2007 the combined market capitalization of China’s stock markets total $2.3 trillion, far ahead of Hong Kong ($1.7 trillion) and behind only Japan ($4.7 trillion) in Asia. In global terms, the Chinese markets still rank well behind the USA’s combined $16.5 trillion, the UK (London) at $4 trillion, and the EU’s Euronext at around $2.9 trillion.

China Market Valuation – Stock Market Capitalization

Sicherlich ist die Marktkapitalisierung nicht die größte, aber der Markt ist beträchtlich geworden. Die IPO-Aktivität hat bereits etablierte Börsen hinter sich gelassen. Mein Argument, dass ein relativ kleiner Markt unberechenbarer (hier: nach oben) sein kann, gilt also – langsam, aber sicher – nicht.

Hier dachte ich vor allem an die chinesische Regierung (die maßgeblich beteiligt an fast allen der größeren Aktiengesellschaften im Land ist). Und diese Regierung sitzt bekanntlich auf einem Berg von über 1 Billion Dollar Devisenreserven. Außerdem könnte sie ein Interesse daran haben, dass kein allzu großer Crash für Unruhen unter den kleinen Anlegern sorgt, die sehr wohl politische Erschütterungen nach sich ziehen können. (Nur angemerkt: ein Crash könnte ein in politischer Hinsicht sehr positiver Anlass für Reformen und eine weitere und wirkliche Demokratisierung Chinas bedeuten, auch wenn schmerzhaft).

Allerdings erinnere ich mich unweigerlich an den alten Spruch: “Ein Rockefeller kann eine Hausse verursachen (einleiten), aber auch ein Rockefeller kann die Baisse nicht verhindern”. Also, wenn es soweit ist, wird auch die chinesische Regierung die fallenden Kurse kaum abwenden können. Zumal ich mir gar nicht so sicher bin, ob der politische Wille (etwas im Sinne des Volkes da zu retten) ausreichen wird.

Eine Hausse ist eigentlich ein sehr mächtiger Umverteilungsmechanismus. Das Geld verschwindet bekanntlich nicht – nur ist es nachher bei jemand anderem. Die manchmal katastrophalen Folgen eines Crashs basieren darauf, dass eine sehr breite Masse ihr Geld verliert und der Konsum zusammenbricht sowie darauf, dass in Folge des Börsen-Booms zu viel Kapital in überflüssige, nicht überlebensfähige Bereichen/Technologien/Industrien gelenkt worden ist. Es wurden also Kapazitäten geschaffen, die keiner so richtig benötigt und die keinen wirklichen, dauerhaften Wert stiften.

Also wenn ich über mögliche Folgen eines chinesischen Crashs nachdenke, würde ich kein sehr schwarzes Szenario für die Weltwirtschaft malen (aktuell macht sich auch Conrad Mattern einige Gedanken zum Thema in Die asiatische Gefahr): Noch hängt relativ wenig vom chinesischen Konsum ab (?); billige chinesische (asiatische) Ware wird wohl auch weiterhin die westlichen Märkte (in Überfluss) erreichen können; die Über-Kapazitäten, sagt man, dürften in den Bereichen Bau und Metallindustrie, und insgesamt in den rohstoffintensiven Branchen konzentriert sein (daher auch die große Rohstoff-Story). Das letzte könnte für ein wenig Entspannung bei den Rohstoffpreisen sorgen.

Natürlich bleiben die Kapitalverluste, und der eine oder andere China-Hedge-Fund könnte zusammenbrechen. Solange ich aber die etablierten Börsen als relativ sicher bewertet und durch ausreichend Liquidität gestützt sehe, sollte die doch beschränkte Größe des chinesischen Kapitalmarktes womöglich nicht die Power haben, uns substanziell in die Knie zu zwingen.

Und hier kommen wir (in meinem etwas durcheinander geworfenen Beitrag) zum Punkt, dass ich ziemlich ungern in einem Markt short gehen würde, wenn ich insgesamt für die Börse (vor allem die etablierten) recht positiv und eindeutig long eingestellt bin.

Trotzdem (auch weil ich mir die Kapitalisierung des chinesischen Marktes angeschaut habe), finde ich die Idee spannend. Das ist letztendlich der Reiz der Spekulation. Zumindest scheint ein China-Short ein nicht schlechter Hedge gegen globalen Börsenturbolenzen zu sein. Wenn etwas schief geht, will ich sehen, wie die Chinesen ihren senkrecht verlaufenden Index halten werden.

Bestimmt sollte man nicht zuviel setzen; das Timing – naja, müsste man irgendwie erahnen (oder selbstverständlich erst die deutlichere Wende abwarten…). Auf jeden Fall werde ich mich langsam nach ein paar Short-Möglichkeiten umschauen (wer weiß, ob rein technisch attraktive Papiere verfügbar sind). Für alle Fälle.

Nachtrag: Übrigens, das Bild oben zeigt das chinesische Zeichen für Glück.

Kategorien: Analysen · Frontpage · Gesamtmarkt

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14 Kommentare bis jetzt ↓

  • Saviano // 21. Mai, 2007

    Passend dazu heute im Blog Zeitenwende: Der Kran-Indikator (China). Ich würde dabei gar nicht auf die Fertigstellung von hohen Gebäuden hinweisen, sondern auf Bauboom und scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten…

  • Olaf // 22. Mai, 2007

    Prima Beitrag! China tut ja noch so, als wüssten sie nicht, wohin mit der $1 Billion. Wenn das erst einmal klar wird, dann werden die Märkte entsprechend auf die Umschichtung reagieren. Und $1 Billion ist nicht gerade wenig…

    Danke auch für die Recherche der Kapitalisierungen. Dass China nicht mehr sooo klein ist, hatte ich mir schon gedacht, aber dass sie bereits dabei sind, an die “etablierten Börsen” anzuschließen, hätte ich auch nicht gedacht. Was bei einem KGV > 50 so alles möglich ist.

    Der Crash ist aber schon eine Woche überfällig. Ich muss noch an meinem Timing arbeiten. Aber jetzt bereits short gehen ist unnötiges Risiko. “Märkte können länger irrational bleiben, als man es sich leisten kann.” – John Maynard Keynes, Ökonom (1883-1946)

  • philipp // 23. Mai, 2007

    Eine Frage: wie wollt ihr denn alle auf Chinesische Aktien short gehen???

    Auf den Hang Seng Index geht das ja Problemlos, aber China?

    Wäre euch sehr dankbar da mal konkret etwas zu hören, wer solche Short zertifikate, Puts etc. anbietet.

    MfG
    Philipp

  • Saviano // 23. Mai, 2007

    Ich weiß nicht, ob alle in China short gehen wollen, aber in der Tat, die Short-Zertifikate sind ziemlich rar. Ich hatte noch nicht wirklich Zeit, genau nachzuschauen, auf den ersten Blick war es sehr dünn.

    Vielleicht wird der eine oder andere Leser Tipps haben…

    Wenn ich was habe, werde ich posten…

  • Gut geraten? Aber zu langsam. • Börsennotizbuch // 24. Mai, 2007

    [...] Ist es möglich, dass ich mit dem China-Crash-Beitrag gerade rechtzeitig geraten habe? Die Aktien in Shanghai gehen deutlich in die Knie… Ja, aber ich war zu langsam, ich habe mich jetzt hier in keiner Weise engagiert (hatte selbst keine Zeit, passende Papiere auszusuchen). [...]

  • philipp // 25. Mai, 2007

    Ist sicher nicht zu spät.

    Wenn China mal kracht, dann richtig. Bisher die 7% sind da vernachlässigbar.

    Könnte mir gut vorstellen, dass eine Korrektur 20 bis 40% der Marktkap abträgt.
    Problematisch sind dann noch die Proteste und Unzufriedenheiten in China, die dadurch zu stande kommen…

    Also, bitte schau mal nach Papieren. Persönlich bin ich der Meinung, dass man als Privatanleger am besten immernoch Puts auf den Hang Seng kauft, auch wenn das wirklich etwas anderes ist!

  • Saviano // 25. Mai, 2007

    Hallo philipp, ich habe Dir eine E-Mail geschickt (an die beim Kommentieren angegebene E-Mail-Adresse).

  • Saviano // 25. Mai, 2007

    Also, auch für alle: das einzige was ich gefunden habe, auf ein China-Index short zu spekulieren (für Normalanleger und nicht auf Hong Kong Aktien), ist:

    China SE Shenzhen B-Share Index MINI Short

    von ABN Amro (WKN: AA0HRX | ISIN: NL0000788719)

    – so eine Schrift habe ich! Die kleinen “Kreise” sind Nullen natürlich; copy+paste funktioniert natürlich einwandfrei ;-)

    Link zum Zertifikat bei ABN: China SE Shenzhen B-Share Index MINI Short

    Ich sehe, dass egghat auch nur diesen einen China-Short-Schein finden konnte.

    Weitere Recherchen am Laufen, Vorschläge sind willkommen!

  • Vorsicht und Mut - eine Korrektur wird wohl wahrscheinlicher • Börsennotizbuch // 31. Mai, 2007

    [...] Über die Verhältnissen an der chinesischen Börse habe ich schon geschrieben. Aber auch die übrigen Börsen präsentieren sich in diesen ersten 5 Monaten des Jahres sehr stark. Der Dax nähert sich schnell (wohl etwas schneller als ich in meiner Jahresprognose vorgesehen habe) dem Allzeithoch. In Amerika – ein ähnliches, gleichwohl etwas abgemildertes Bild. [...]

  • Blogger-Kollegen zur Börsen-Situation in China • Börsennotizbuch // 4. Jun, 2007

    [...] Am chinesischen Aktienmarkt scheinen die Turbolenzen zuzunehmen, die Überhitzung könnte tatsächlich einen Hochpunkt erreicht haben. Ich bin früher bereits auf die Entwicklungen an der Börse Shanghai eingegangen, jetzt verweise ich auf die Berichte von Trader’s Quest (Viele chinesische Aktien schließen “limit down”) und von den kapitalmarktexperten (Beginnt die Panik in China?). [...]

  • Chinas hitzige Börsen • Börsennotizbuch // 14. Aug, 2007

    [...] Die Börse in China will nicht abkühlen. Ganz im Gegenteil – die Kurse erhitzen sich weiter und markieren neue Allzeithochs (ATH). Es war also nicht sonderlich viel mit meinen Vermutungen von Ende Mai, dass eine deutliche Korrektur das Logische ist … Oder vielleicht zum Teil doch, insbesondere mit dem Satz: “ABER. Tue ich vorerst nicht.” [...]

  • China Börsen-Hausse - wie lange noch? • Börsennotizbuch // 18. Okt, 2007

    [...] Bei der letzten heftigeren Korrektur, habe ich wirklich gedacht, das es langsam aus sein soll mit der chinesischen Börsenhausse (vorher die Crash-Warnung, dann die kleine, voreilige Bestätigung, insgesamt daneben!). [...]

  • China im Bear-Modus: Es wird nicht viel über die letzten Minus 40 Prozent gesprochen • Börsennotizbuch // 20. Apr, 2008

    [...] notiert der Index allerdings über dem erwähnten “ersten Schock”, Aber mittlerweile unter den Ständen, zu denen wir uns schon sogar nach Shorts umgeschaut haben (ich persönlich habe aber keine gekauft, nicht zuletzt wegen eines großen Mangels an [...]

  • Aktuelle Wirtschafts- und Finanznews frisch auf den Tisch // 5. Nov, 2009

    [...] der USA weiter zu finanzieren. Was ist die emittierende Währung denn dann noch wert?  OK, die Chinesen kaufen fleißig weiter, irgendwo müssen ja die Exportdollars untergebracht werden. Und Märkte, die mal so einfach [...]

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