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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Adrenalinstoss für die Börsen?

10. April, 2007 · 2 Kommentare

Conrad Mattern versucht auf Zeit.de die überraschenden (!?) neuen Höhen bei den internationalen Aktienindizes nach dem so genannten “Mini-Crash” von Ende Februar durch die besonderen psycho-physischen Prozesse bei den Börsianern zu erklären:

Nach besonders starken Adrenalinstößen fühlt man sich, als könne man Bäume ausreißen, sei zu allem in der Lage und nichts und niemand könne einen aufhalten. Diese Euphorie lässt die meisten Leute ihre guten Vorsätze vergessen, die sie im Moment des Schreckens gefasst haben. Sie werfen sie einfach über den Haufen. Unvorsichtiges, sorgloses Handeln? Sollte eigentlich nie mehr vorkommen. Riskante Unternehmungen? Davon wollte man doch Abstand nehmen – jedoch: Das Adrenalin macht alles vergessen.

Etwas ähnliches scheint derzeit an den Finanzmärkten zu passieren. War da nicht vor kurzer Zeit ein Mini-Crash? Gingen nicht die Kurse kurz danach innerhalb weniger Tage nochmals in den Keller? Und war nicht kurz vorher die Sorglosigkeit besonders groß? Ganz dunkel scheinen sich einige wenige Investoren noch daran zu erinnern: Als die Kurse im Keller waren, begann das Umschichten. Die Anleger flohen aus den riskanten Investments, die so stark nach unten gegangen waren, und suchten Schutz in defensivere Engagements.

Zeit.de, Das Glück trügt

Solche Beobachtungen sind – wahrscheinlich – schon richtig. Jeder kennt sie auf die eine oder andere Weise. Ob sie nun direkt auf das Investmentverhalten übertragen werden können, ist vielleicht diskutabel. Aber nicht das war mir bei diesem Artikel wichtig.

Wichtiger ist, wie man, erstens, notgedrungen immer aus einer subjektiven Perspektive urteilt. Alleine Begriffe wie Mini-Crash sagen vieles. Sehr wahrscheinlich wollte so mancher Börsenkommentator die ganze Zeit, dass ein Crash passiert. Ich bin überzeugt, dass draußen viel zu viele Anleger neidisch auf die Börsenentwicklung schauen und sich nichts mehr wünschen als stark fallende Kurse. Die Hausse bisher war stets durch “warnende Stimmen” und bösen Szenarien begleitet. Nur für kurze Perioden konnte sich die Stimmung spürbar aufhellen, um gleich bei den ersten Turbolenzen wieder ziemlich schnell in Skepsis umzuschlagen. Das war der Fall im Mai-Juni 2006 und auch jetzt. Die Kurse konnten sich immer auf relativ hohem Niveau fangen und den Aufwärtstrend neu aufnehmen. Klar, wird es nicht immer so kommen können, aber hier ist auch die Schlüsselfrage, die uns beschäftigt. Wie sieht es mit der fundamentalen Lage, mit den fundamentalen Triebkräfte für den Börsen-Aufschwung aus?

Und hier kommen wir zum Zweiten: an der Börse gibt es irgendwie viele “gelernte Phrasen”. Und natürlich ist es richtig zu schreiben:

Die wenigsten Investoren trauen sich jedoch, antizyklisch zu agieren, also gegen den Markt. Wer das tut, verkauft in die Übertreibungsphase hinein und greift auch einmal beherzt zu, wenn die Kurse abstürzen. Die meisten Anleger verhalten sich genau umgekehrt. Das ist auch in der aktuellen Situation sehr schön zu sehen.

Aber die ganze Kunst ist es, richtig zu erkennen, ob es denn nun wirklich die Ãœbertreibungsphase ist, was im oberen Zitat und für die aktuelle Situation offensichtlich behauptet wird. Es ist natürlich schwachsinnig mit dem Finger zu zeigen und zu sagen: aller Warnungen zum Trotz sind die Aktien gestiegen, also habt ihr alle viel zu früh gewarnt und überhaupt, versteht ihr nichts davon… Denn auch der beste Spekulant wird den genauen Zeitpunkt der Wende nicht voraussagen können. Es kommen außerdem auch völlig unerwartete Ereignisse und Entwicklungen vor, die die Ãœberlegungen (auch wenn sie völlig korrekt waren) auf einmal ungültig machen können. Das ist ein immanentes Risiko, das man nie ausschalten kann.

Es wird sich zeigen, ob dies nun die Übertreibungsphase war, wenn die Märkte ein deutlich höheres Niveau nach einer etwas längerer Zeit (ohne wesentliche Korrektur, z.B. um die 15-20%) erreichen werden. Nach dem heutigen Stand behaupte ich, dies wird so kommen. Die genaueren Argumente werden ja hier im Blog häufig angeführt.

Und, übrigens, die Marktreaktionen, können nicht unbedingt als erneute Sorgenlosigkeit der Anleger gedeutet werden. Vielleicht ist es einfach so, dass die besorgte große Masse der (potenziellen) Investoren an der Seitenlinie steht und sich wundert, warum die Börse ihre Sorgen nicht berücksichtigt. Vielleicht ist die Angebots-Nachfrage-Struktur des Marktes eben sehr stabil. Und das hängt zum Beispiel zum großen Teil von der günstigen Finanzierung und der hohen Rentabilität der Unternehmen ab.

Kategorien: Frontpage · Gesamtmarkt

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2 Kommentare bis jetzt ↓

  • Master of Disaster // 10. Apr, 2007

    Noch kein Grund zur Panik. Aktien als Anlagekategorie sind im Moment immer noch herzlich unbeliebt. Die Tendenz zu weniger Aktienbesitz bei den “kleinen Leuten auf der Straße” hat sich trotz der sensationellen Kurserholung seit 2002/03 und trotz aktuell moderater KGVs sogar noch verstärkt.

    Die momentane Rallye beäugt man – wie ja in deinem Beitrag schon durchklang – mit Argwohn. Ich persönlich werde erst aufhorchen wenn die Bildzeitung wieder mit Aktienkaufempfehlungen titelt.

  • Saviano // 10. Apr, 2007

    Nicht umsonst sagt man “gesunde” oder “bereinigende” Korrektur – durch die etwas stärkeren Turbolenzen ist die Angst wieder da und die Aktien … hm … in den Händen, die sie auch angesichts dieser Sorgen trotzdem halten wollen… (Hoffentlich irren wir uns nicht…)

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