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Noch einmal zur makroökonomischen Debatte in Deutschland

19. November, 2006 · 2 Kommentare

Makroökonomie … Debatten über Debatten …

Meine bescheidene Ãœberzeugung ist es, dass die Wirtschaft recht unverdient mit dem Zusatz „Wissenschaften“ versehen wird. Natürlich sind die ganzen Universitäten, Institute und Forscher nicht ohne Berechtigung, und natürlich basiert die Wirtschaftslehre auf wissenschaftlichen Methoden – aber es ist eben dies: wissenschaftliche Methoden, aber keine Wissenschaft.

Ich hoffe, ich kann mich deutlich ausdrücken. Aber auch ohnehin nimmt man es, glaube ich, relativ deutlich wahr: die ökonomische Debatte dreht sich nicht nur um Fakten, ökonomische Gesetze (die gibt es meiner Meinung auch nicht so richtig – was es gibt sind eher Gesetzmäßigkeiten), sondern sehr stark auch um imaginäre Größen wie „Gerechtigkeit“, „Psychologie“, letztendlich um persönliche – auch imaginäre – Ãœberzeugungen.

Ok, kürzer: ich wollte auf einen Artikel bei den Nachdenkseiten.de hinweisen (, der mir irgendwie gefiel und der sich auch zum Teil mit den Überlegungen von Robert von Heusinger zu den Problemen (oder Schein-Problemen) der deutschen Wirtschaft und der (unnötig?) schmerzlichen Reformpolitik decken: Arbeitslosigkeit als unabänderlich hinnehmen oder trotz allem dagegen angehen?

Robert von Heusinger, zum Vergleich, hat sich etwa hier zu diesem Gegenstand (hier speziell die antizyklische Wirtschafts- und Geldpolitik, sonst natürlich in vielen Artikeln bei Herdentrieb und der Zeit) geäußert: Krisenpropheten, wo seid ihr

Wozu meine „Einführung“? – Wenn wir schon bei der Ökonomie und der Debatte zur Gestaltung einer Wirtschaft in recht imaginäre Gebiete vordringen, dann sei es mir erlaubt, einfach etwas „gefühlsmäßig“ zu glauben:

Der normale weltwirtschaftliche Konjunkturzyklus wurde in Deutschland durch eine unter anderem auf ideologischen, irrationalen Gründen basierenden prozyklischen Politik verlängert, was zu noch mehr Verunsicherung in der Bevölkerung und unter den Unternehmen beigetragen hat.

In einem normalen Konjunkturabschwung versuchen die Menschen und die Unternehmen natürlich entsprechend zu reagieren, aber wie auch in unserem Alltag, orientieren wir uns an einem wahrgenommenen mittelfristigen Durchschnitt, was unsere Einkünfte und Ausgaben betrifft (ein bekanntes ökonomisches Verhaltensmodell). Somit wird einiges fürs erste ausbalanciert. Die Unternehmen stürzen sich nicht gleich in massiven Personalkürzungen, wenn sie ein oder zwei Quartale schlechtere Zahlen haben. Und die Menschen sparen auch nicht gleich darauf los, als ob eine Hungersnot bevorstünde…

Sollte sich alles in normalen Rahmen abspielen (die Konjunkturzyklen dauerten in der Vergangenheit ziemlich unterschiedlich lange, aber selten länger als 18 Monate), kommt es idealerweise zu keinen größeren Verwerfungen und nicht zu der befürchteten Abwärtsspirale. Hierfür sind der Staat und die Geldpolitik gefragt, um gegenzusteuern.

Deutschland hat aber ein relativ langes Konjunkturtief erlebt, und hier waren die Sparpolitik und die scharfe Debatte um Reformen psychologisch mit entscheidend. Nach einer gewissen Zeit sind die Unternehmen in einer mittelgroßen Panik geraten, und begannen rigoros Kosten zu senken, Personal zu entlassen, Produktion auszulagern und alles, was die Wirtschaftsberater so für notwendig hielten. Die Arbeitnehmer waren im Gegenzug zunehmend verunsichert und schränkten ihren Konsum ein. Die Politik – opportunistisch wie sie ist – hat noch mächtig Öl ins Feuer gegossen und die wirtschaftliche und soziale Zukunft Deutschlands stark in Frage gestellt. Und wenn die Realität die düsteren Erkenntnisse (auch wenn sie eine Momentaufnahme sein mögen) eine gewisse Zeit lang bestätigt, ändert sich auch langsam die Grundhaltung. Nicht umsonst fürchtet man sich im sozialen Bereich vor einer „Gettoisierung“.

Um gleich klarzustellen: In Deutschend spielte sich keine „Gettoisierung“ ab, aber eine schon bemerkbare psychologische Veränderung. Ich glaube, dies hat viel zu einer atypischen Verlängerung des Konjunkturzyklus beigetragen.

Meine Hoffnung (und Erwartung) wäre, dass wir langsam aus dem Konjunkturtief herauskommen und auch bald eine Besserung der psychologischen Verfassung der Bevölkerung sehen. Dank massiver Rationalisierungen und Produktivitätsfortschritte, dürfte die deutsche Wirtschaft gestärkt da stehen, aber ob der Preis nicht zu teuer war?

Kategorien: Allgemein · Gesamtmarkt · Wirtschaftsdaten

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2 Kommentare bis jetzt ↓

  • Olaf // 20. Nov, 2006

    Interessanter Beitrag. Für die Zukunft der Konjunktur sehe ich zwei wichtige Einflussfaktoren: Erstens auf die Entwicklung der Konjunktur in den USA, wo es – wenn man den Zahlen glauben darf – bis auf den Immobilienmarkt eigentlich wieder ganz gut aussieht, und zweitens auf die Wirkung der Erhöhung der Mehrwertsteuer auf die Kaufkraft der in Deutschland lebenden Personen. Die deutschen Unternehmen sind zwar nicht so stark wie die amerikanischen von dem Binnenkonsum abhängig, aber auf die von Dir angesprochene (Massen-)Psychologie kann es einen ähnlichen Einfluss haben wie seinerzeit die Teuro-Debatte. Zu dem Thema findet heute außerdem eine Diskussion an der American Academy in Berlin mit Richard W. Fisher (Präsident der Federal Reserve Bank von Dallas) unter dem Titel “Is German Economic Decline Exaggerated or Inevitable?” statt.

  • Germany is back! • Börsennotizbuch // 16. Mrz, 2007

    [...] Die gute Wende wurde von den meisten Wirtschafts-Experten nicht für möglich gehalten. Wie bereits geschrieben, verfiel auch die Bevölkerung in eine Art “Wirtschaftsmelancholie”. Und jetzt auf einmal – ein Wachstumsschub! Thomas Fricke schreibt in seiner Kapital-Kolumne bei FTD.de: Die Fragen drängen sich auf: Warum haben so wenige Experten diese Entwicklung vorhergesehen? Weshalb hat niemand an die Kraft der deutschen Wirtschaft geglaubt? Und was ist in Deutschland geschehen? Die Antwort könnte sein, dass die Deutschen sich vor lauter Krisengerede in den vergangenen Jahren selbst unterschätzt und schlecht geredet haben. Gleichzeitig haben sie die Krise offenbar dazu genutzt, sich ziemlich fit zu machen für die nächsten Jahre – fitter womöglich als Amerikaner, Briten, Franzosen und andere. [...]

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