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Selektiver Aufschwung – eine Allensbach-Analyse

24. Februar, 2007 · 2 Kommentare

aufschwung-konjunktur-nach-obenDer Aufschwung ist da – die Wirtschaft zeigt es mit recht eindeutigen Zahlen. Gleichwohl ist der Aufschwung noch nicht überall angekommen. Laut einer aktuellen Allensbach-Analyse fühlen sich bereite Schichten der Bevölkerung vom Aufschwung ausgegrenzt. In der Faz steht hierzu:

Das Jahr 2006 ist wirtschaftlich besser gelaufen als von vielen erwartet, die Konjunktur ist nach wie vor robust, die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt erfreulich. Gerade wurden die Wachstumsprognosen für Deutschland von der Europäischen Kommission nach oben korrigiert.

Noch vor wenigen Jahren hätte ein solches Umfeld die Bevölkerung in Hochstimmung versetzt. Dies gilt zurzeit jedoch nur für die oberen Einkommensschichten, während die Mehrheit bei ihrer Skepsis verharrt, ob der Aufschwung eine nachhaltige Wirkung entfalten und vor allem ob er alle Bevölkerungsschichten erreichen wird.

Zwar ist der Konjunkturoptimismus in den letzten Wochen gewachsen. 39 Prozent rechnen für die kommenden Monate mit einem Aufwärtstrend, 36 Prozent mit einer stabilen Lage, nur 18 Prozent mit einem ungünstigen Konjunkturverlauf. Jeder Dritte beobachtet in seinem persönlichen Umfeld und in seinem Lebensraum, dass es aufwärts geht und sich dort auch die Lage auf dem Arbeitsmarkt bessert. Gemessen an der tatsächlichen Entwicklung, bleibt damit jedoch der „gefühlte Aufschwung“ weit zurück.

FAZ.net, Der selektive Aufschwung

Fast 60 Prozent der Menschen geben an, kaum oder gar nicht von dem Aufschwung zu profitieren; die Hälfte der Berufstätigen halten ihren Job für nicht sicher, und bei den niedrigeren Einkommen steigt diese Zahl stark an; die Konjunktur-Skepsis wird nun von einer anderen Skepsis ersetzt (ergänzt?) – Skepsis bezüglich der persönlichen Prosperität unter den neuen Bedingungen (die sich in Deutschland und in der Welt durchsetzen), bezüglich Aufstiegschancen. Das Stichwort Globalisierung verunsichert:

Globalisierung bedeutet für die Bevölkerung nicht vor allem mehr Exportchancen, sondern eine Verschärfung des Standortwettbewerbs zu Lasten Deutschlands. 60 Prozent der Bevölkerung sind überzeugt, dass die Globalisierung vor allem die Beschäftigungschancen im Inland beeinträchtigt, nur 22 Prozent, dass die Globalisierung vor allem Beschäftigungschancen schafft beziehungsweise Arbeitsplätze in Deutschland sichert. Da die große Mehrheit Deutschland für den Verlierer eines unaufhaltsamen weltweiten Prozesses hält, kann kaum überraschen, dass der Glaube an eine nachhaltige Besserung auf dem Arbeitsmarkt gering ist. Nur gut ein Fünftel der Bevölkerung erwartet, dass sich die Arbeitslosigkeit in den nächsten Jahren deutlich verringern wird.

Ein ähnliches Bild zeichnet sich in anderen “etablierten” Industrienationen und auch in den USA (Sorgen-Wirtschaft). Für uns an der Börse ist die Stimmungslage in der Bevölkerung natürlich eine wichtige Größe. Nicht nur die Kurse, auch die Wirtschaftstätigkeit und die Wirtschaftsentwicklung haben viel mit Psychologie zu tun. Außerdem aber ist es entscheidend, wie, wann und in welchem Ausmass Kapital in die Aktienmärkte bewegt wird. Man muss die breiten Bevölkerungsschichten nicht unterschätzen – sie halten einen enormen Anteil am Geldvermögen und sind durch ihren Spar- und Konsumverhalten eigentlich die wichtigste bewegende Kraft.

Eine verunsicherte Mittelschicht, wird wahrscheinlich auch in Zukunft die Sparquote eher hoch halten. Aus dem Bauch heraus würde ich erwarten, dass der Konsum etwas zunimmt, die Sparquote etwas zurückgeht, aber alles in allem werden die Menschen noch eine Weile mit dem Aufschwung vorsichtig umgehen. Sollten die Einkommen steigen, kann man ein bisschen mehr konsumieren, aber auch ein bisschen mehr sparen – man weiß schließlich nicht in diesen schnelllebigen Zeiten…

Ein hohes Sparvolumen und zudem noch die (oh, Wunder!) rapide Abnahme der Staatsverschuldung (vgl. Staatsdefizit kleiner als erwartet) dürften tendenziell für niedrige langfristige Zinsen sorgen – die Wirtschaft und die Börse haben ihre Liquidität. Und das Investitionsverhalten werden wir nach wie vor genauer verfolgen. Bisher sah es gar nicht danach aus, als würden sich die Deutschen für Börsen-Investments begeistern.

Abschließen läßt sich sagen – natürlich kommt der Aufschwung mit unterschiedlicher Geschwindigkeit bei den unterschiedlichen Bevölkerungsschichten wie auch bei den unterschiedlichen Branchen an. Nach langen Jahren der Schwäche und täglichen negativen Schlagzeilen braucht Deutschland nicht bloß 10 oder 12 Monate Wachstum; wir brauchen eine längere Periode, die die Zuversicht in den eigenen Möglichkeiten fester verankert (vgl. Noch einmal zur makroökonomischen Debatte in Deutschland).

Kategorien: Analysen · Frontpage · Gesamtmarkt · Sentiment

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