anzeige

Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
Börsennotizbuch random header image

Stand der deutschen Wirtschaft und Konjunktur – Einige Zahlen, Meinungen und Kommentare

28. Februar, 2008 · 2 Kommentare

Zum Stand der deutschen Wirtschaft und Konjunktur hatten wir in den letzten Tagen einige interessante Meldungen und Kommentare.

Als Erstes die statistische Grundlage:

Die Ergebnisse zur Wirtschaftsleistung Deutschlands (BIP) im 4. Quartal 2007:

Um 0,3% war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) – preis-, saison- und kalenderbereinigt – höher als im dritten Quartal 2007. Das Tempo des Wirtschaftswachstums hat zum Jahresende hin allerdings deutlich abgenommen: Im dritten Vierteljahr war das BIP noch um 0,7% gestiegen.

[...]

Getragen wurde das Wirtschaftswachstum im vierten Quartal vom Außenhandel und von den Bruttoanlageinvestitionen. Die Zunahme der saison- und kalenderbereinigten Exporte um 1,3% und ein leichter Rückgang der Importe (– 0,2%) sorgten für einen positiven Außenbeitrag, der mit 0,7 Prozentpunkten zum BIP-Wachstum beitrug. Im Inland gingen lediglich von den Ausrüstungsinvestitionen positive Wachstumsimpulse aus, sie stiegen gegenüber dem Vorquartal um 3,4%. In Bauten wurde demgegenüber weniger investiert (– 1,1%) als im dritten Quartal. Der Konsum wirkte wachstumshemmend. Eingebrochen sind insbesondere die privaten Konsumausgaben (– 0,8%), aber auch der Staatskonsum, der in den ersten drei Quartalen positive Veränderungsraten aufwies, war im vierten Quartal um 0,5% niedriger als im dritten Vierteljahr.

destatis.de (Statistisches Bundesamt), Ausführliche Ergebnisse zur Wirtschaftsleistung im 4. Quartal 2007; selbstverständlich mit weiteren Details und Übersichten.

Darüber hinaus erreichten uns heute die Zahlen zum deutschen Arbeitsmarkt im Februar:

Die Arbeitslosigkeit hat sich von Januar auf Februar bundesweit um -42.000 auf 3.617.000 (West: -36.000 auf 2.347.000; Ost: -6.000 auf 1.270.000) verringert. Der Rückgang ist etwa so groß wie im vergangenen Jahr. Üblicherweise gab es sonst im Februar leichte Zunahmen der Arbeitslosigkeit. Somit errechnet sich saisonbereinigt ein Rückgang der Arbeitslosigkeit um -75.000. Gegenüber dem Vorjahr wurden im Februar 630.000 weniger Arbeitslose gezählt.

Oder ganz übersichtlich als Stichpunkte:

  • Arbeitslosenzahl im Februar:-42.000 auf 3.617.000
  • Arbeitslosenzahl im Vorjahresvergleich:-630.000
  • Arbeitslosenquote im Februar:-0,1 Prozentpunkte auf 8,6 Prozent

Quelle (beide Zitate): Bundesagenut für Arbeit, arbeitsagentur.de, Die Entwicklung des Arbeitsmarktes im Februar 2008

Der Aufschwung ist also noch da, aber er verlangsamt sich etwas und - es war doch immer so! - wird nicht von der Binnenkonjunktur, sprich der Nachfrage der privaten Haushalte, sondern von der nach wie vor starken Exportleistung getragen.

Und hier fangen schon mal “die Probleme” an. Nein, nicht nur bei der Binnennachfrage, auch bei dem Gefühl, dass sich die Konjunktur hierzulande so toll hält und keine besonderen Anzeichen einer Infektion durch die US-Hypothekenkrise zeigt (die natürlich auch die europäischen Banken und Finanzmärkten längst erreicht hat).

Dieses Gefühl könnte sich nämlich als trügerisch erweisen.

(Zumal wir auch mit einem extrem starken Euro zu tun haben – die Marke von 1,50 hat der Euro ggü. dem Dollar schon genommen. Aber das ist Thema anderer Beiträge).

Die “starke” deutsche Leistung manifestiert sich nicht nur in einem ansehnlichen (aber für mich nicht mehr als “nur ansehnlichen”) konjunkturellen Lauf, sie kommt auf staatlicher Ebene durch einen ausgeglichenen Haushalt zum Ausdruck (zur übergroßen Zufriedenheit vieler, die zu kurz schauen), natürlich in Form von Erfolgen auf dem Arbeitsmarkt und letztendlich auf unternehmerischer Ebene als sehr gute Gewinnlage. Soll uns das alles beruhigen? Brauchen wir denn jetzt keine Handlung der Politik angesichts Verwerfungen und drohender Rezession in den USA?

Ungefähr in der gleichen Reihenfolge einige lesenswerte Kommentare:

Nur als Hinweis: Woher der Aufschwung kam (schließlich haben wir ‘nen Aufschwung, wo kam der bloß her?).

Weiter, Thoms Fricke thematisiert den ausgeglichenen Haushalt und nennt es “nächster Gruselrekord“. Schon klar, der ausgeglichene Haushalt ist eine prima Sache, aber…

Der Haken ist, dass der Erfolg bei näherem Hinsehen einen gefährlich hohen Preis hat – der auch die Etatbilanz bald wieder torpedieren kann, wenn die Regierung nicht gegensteuert, statt fiskalische Symbolzahlen zu feiern.

Es ist eben tatsächlich kein Zufall, wenn heute ebenfalls gemeldet wurde, dass die Konsumausgaben der Deutschen Ende 2007 um 0,8 Prozent einbrachen, so drastisch wie selbst in der Krise von 2001 bis 2005 in keinem Quartal. Das Gros der Sanierung hat Steinbrück mit der Brechstange erzielt: über eine historische Mehrwertsteuererhöhung, die allein mehr als 20 Mrd. Euro zusätzliche Staatseinnahmen brachte, und höhere Beitragssätze. Die Bundesbank hat im jüngsten Monatsbericht dazu folgendes ausgerechnet: Auch wenn man einrechnet, dass an anderer Stelle entlastet wurde, hat die Regierung über solche Rechtsänderungen bei den Staatseinnahmen per Saldo 0,6 Prozent der jährlichen deutschen Wirtschaftsleistung (und damit des Aufschwungs) eingesackt.

Und weiter plädiert Fricke für ein - er nennt es nicht so - Konjunkturpaket (oder eine Konjunkturstütze) seitens des Staates, um einen “Absturz der Wirtschaft” zu vermeiden. Denn ich bin auch skeptisch, was die deutsche Wirtschaft betrifft, sollte sich die US und die Weltkonjunktur massiv verschlechtern.

Was mir dabei die meisten Sorgen macht, sind die Menschen (die Ökonomen hören lieber: die Verbraucher), ich meine die psychologische Komponente — viel zu wenig Aufschwung ist bei den Massen angekommen und die “giftige” Auffassung, Deutschland ist eine schwächelnde, von Problemen geplagte Wirtschaft, in der es auch noch ziemlich (wenn nicht “äußerst”) ungerecht zugeht, sind noch da und werden sich sofort verschärfen (vgl. Selektiver Aufschwung sowie zum Haushalt und meinem Weigern, dies als sonderlich großer Erfolg zu feiern: Seit langer Zeit wieder: Ausgeglichener Haushalt in Deutschland) .

Denn, nicht Sparen braucht die Konjunktur jetzt — gespart wurde genug, vor allem bei den Löhnen…

Und somit kommen wir zu einer lang andauernden (für die Börse generell bullischen), aber langsam möglicherweise bereits gefährliche Situation (und auf diese Weise auch für die Börse nicht die beste aller Welten, trotz gegenteiliger Ãœberzeugungen der “Business-Zentrierten”). Und auch zum Beitrag Dieter Wermuths beim Herdentrieb: Den Unternehmen geht’s gut, den Verbrauchern nicht.

Der Titel sagt es schon, im Artikel sind die Aussagen auch noch durch mehreren Charts veranschaulicht. Die wichtigsten Punkte (die übrigens nicht seit gestern gelten):

  • Mehr Arbeit für weniger Lohn — was salopp gesagt wird, ist eine wenig freudige Entwicklung: die Realeinkommen stagnieren hartnäckig.
  • Sinkende Konsumausgaben
  • Schwache Verhandlungsposition der Arbeitnehmer
  • Die Einkommensverteilung von Arbeitnehmerentgelt auf der einen Seite und Unternehmens- und Vermögenseinkommen auf der anderen geht weiter auseinander zugunsten der letzteren, sprich: der Anteil der Unternehmens- und Kapitalgewinne am gesamten Volkseinkommen steigt weiter und – soweit ich weiß – schreibt stets neue Rekorde.
  • Und eine absolut erfreuliche Zahl: die Ausrüstungsinvestitionen steigen und bilden einen angenehmen Aufwärtstrend.

Ich schrieb zuletzt “absolut erfreuliche Zahl”, weil die anderen auch (relativ gesehen) als positiv gedeutet werden können, und zwar aus Sicht des Kapitals und der Börse. Ich habe oben erwähnt, “einseitig” funktioniert es auch nicht ewig, und eine gut funktionierende Wirtschaft wird auch für real steigende Einkommen sorgen müssen, die die nachfrage-dominierten Prozesse weiter aufrechterhalten und nähern sollen. Vielleicht deswegen schreibt auch Wermuth:

An der Gewinnlage der Unternehmen liegt es jedenfalls nicht, dass das Wachstum des BIP schon wieder abflacht.

[...]

Wenn jetzt tatsächlich auch die Nachfrage der Haushalte in Schwung käme, vielleicht als Reaktion auf großzügigere Lohnabschlüsse (Stahl, öffentlicher Dienst), brauchte man nicht zu befürchten, dass Deutschland demnächst in eine Rezession abgleitet. Im Grunde hat unser Land das Zeug dazu, auch mal wieder Europas Konjunkturlokomotive zu spielen. Weiß noch jemand, wie sich das anfühlt?

Deute ich das richtig? — Sorgt bitte für Nachfrage (und wohl nicht für Haushaltsüberschüsse?)

(Wermuth sieht übrigens den Weg über höhere Löhne (Gewerkschaften, Tarifabschlüsse)).

(Ãœbrigens ich glaube, wir müssen bei den börsen-bezogenen Ãœberlegungen wieder auf einige grundsätzliche Tendenzen aufmerksam werden — sie greifen einige der Themen oben auch im internationalen Maßstab auf. Es sind globale Kräfte, die für die Unternehmen sehr vorteilhafte Bedingungen darstellen und für die Börsen vorteilhaftes Wachstumsumfeld. Natürlich mittelfristig.)

(Bevor es zu lang wird  (“für Online”) — das Thema interessiert uns schon sehr und wird natürlich laufend diskutiert.)

(Das mit den Klammern ist eine lustige Sache, nicht wahr?)

Kategorien: Frontpage · Gesamtmarkt · Wirtschaftsdaten

Tags:, , , , ,

Vor- und zurückblättern (aktuelle Kategorie) ↓

Anzeige ↓


Verwandte Beiträge ↓



2 Kommentare bis jetzt ↓

Kommentieren: