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Börsennotizbuch

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Wieder Gefahr vor falschem Sparen zur falschen Zeit

28. Juli, 2008 · 1 Kommentar

Ein Konjunkturprogramm für Deutschland? Endlich eine proaktive Wirtschaftspolitik? Das klang von Anfang an einfach zu gut, um wahr zu sein. Ich konnte erst gar nicht ein paar hoffnungsvolle Zeilen formulieren, und schon sind sie offensichtlich hinfällig…

Das Ausbleiben einer sofortigen (und deutlichen) “Richtigstellung” der geäußerten Pläne des Wirtschaftsministers Michael Glos, die Konjunktur per (irgendein) Konjunkturprogramm zu stützen, wollte ich als positives Zeichen deuten. Frau Merkel hat zwar vor nicht so langer Zeit noch einmal deutlich gemacht, dass sie die “Heilige Kuh” des ausgeglichenen Haushalts höher priorisiert als konjunkturelle Stützen (gar die Konjunktur als Ganzes?), aber angesichts des sich rapide verschlechternden Umfelds konnte man sich doch denken, oder…

Jetzt aber kamen die Distanzierungen eine nach der anderen. Der Wirtschaftsminister bleibt isoliert, berichtet zum Beispiel der Spiegel — sowohl die Bundeskanzlerin als auch Finanzminister Steinbrück als auch die politischen Stimmen aus CDU und SPD kritisieren das Konjunkturprogramm, und zwar (wie es mir scheint) nicht soviel die konkreten Maßnahmen, sondern prinzipiell den Gedanken, man müsste überhaupt etwas in diesem Sinne für die deutsche Wirtschaft unternehmen.

Dabei sind die Zeichen ziemlich deutlich, dass der Aufschwung (auch) hierzulande schon vorbei ist.

Den ifo-Index haben wir schon erwähnt, heute fügt der GfK-Konsumklimaindex weitere wenig verheißungsvolle Striche zum düster werdenden Gesamtbild. Die Konsumlaune sinkt rapide, heißt es dort. Und der Konsum spielt (einfach zu Erinnerung) eine übergroße Rolle in unserer Wirtschaft. Alles wird auf die Nachfrage ausgerichtet. Wahrscheinlich steht es bereits in den Schulbüchern: “gesättigte Märkte”, “nachfrageorientiert”, “Wettbewerb”, “Marketing” etc. — in unserem System ist die Nachfrageseite absolut entscheidend. Aber die Stimmung der Verbraucher verschlechtert sich; die hohen Preise (vor allem für Energie und Nahrungsmittel) lassen die realen verfügbaren Einkommen weiter sinken, nachdem sie ohnehin die letzten Jahre permanent gesunken sind. Bleibt also dieser Trend noch eine Weile, wird die Konjunktur sehr ernsthafte Probleme bekommen…

Und würde man sich nicht nur auf die Bundesrepublik beschränken, sondern einen Blick in unsere Nachbarschaft oder über den Atlantik zur größten und wichtigsten Wirtschaft der Welt werfen (was ratsam wäre), zeigt es sich noch einmal: Die Welt kühlt ab, und Deutschland wird auch sehr bald sehr real abkühlen…

Gut, gut, aber ist ein Konjunkturprogramm von Nöten?

Wenn man etwas vom wirtschaftswissenschaftlichen Unterricht an der Uni mitnimmt, dann vielleicht, dass “das alles nicht so einfach ist”, wie es uns etwa Politiker oder populäre Meinungen schildern wollen. Natürlich gibt es viel Raum für Diskussion in jedem Fall einer (größer aufgelegten) staatlichen Ausgabenaktion. Dennoch, meines Wissens nach, sind sich die Ökonomen im Grunde einig, dass die richtige Wirtschaftspolitik (die in Deutschland an sich komplett fehlt) antizyklisch die Konjunkturschwankungen mildern soll. Auf diese Weise sollen im System unnötige Ausschläge vermieden und das Leistungspotenzial über die Zeit am besten ausgeschöpft werden.

Robert von Heusinger schreibt beim Herdentrieb auch darüber und weist auf wissenschaftliche Lektüre hin. Außerdem, wie er richtigerweise erwähnt, sollte man die noch ganz frischen Beispiele von den Jahren nach 2000 in Betracht ziehen: Die letzte Rezession in den Vereinigten Staaten fiel vor allem wegen des rechtzeitigen Konjunkturprogramms so milde aus (die Umstände an sich waren schon recht bedrohlich…), und die mühsame Konjunkturschwäche Deutschlands dauerte so ewig lange vor allem wegen der verbitterten Bemühungen, den Haushalt inmitten einer Rezession auszugleichen (was natürlich komplett scheiterte…).

Deswegen verstehe ich auch nicht, warum Weissgarnix.de den Artikel von Heusinger in einem solchen Kontext platziert, und welche ist denn die so klare Antwort, die er geben würde:

Nein, liebe Freunde: unter diesem vielversprechenden Titel folgt keine Abrechnung mit Robert von Heusingers jüngstem Beitrag im “Herdentrieb”-Blog. Zumal mein Urteil darüber sehr kurz ausfallen würde.

weisgarnix.de, Brauchen Ökonomen Gehirn?

Ãœbrigens, in seinem Beitrag geht es um den (ominösen) Homo oeconomicus bzw. um das vielseitige und häufige Versagen dieses wirtschaftswissenschaftlichen Denkmodells. Wäre dies aber nicht gerade der Kontext, um möglicherweise das Versagen der “kühlen Rechnerei” vorauszusagen, die gewöhnlich Maßnahmen wie die eines Konjunkturprogramms begleitet? “Alles verschwendetes Geld”… oder “man kann bei einem jährlichen Bruttoinlandsprodukt von 2,5 Billionen Euro die Konjunktur nicht beeinflussen” hat man schnellerhand ausgerechnet (wie Steinbrücks Sprecher Torsten Albig gesagt haben soll, Spiegel, Link oben)… (aber die 2 Euro irgendwas Rentenerhöhung vor einiger Zeit waren quasi ein wirtschaftspolitisches Meisterwerk und beeinflussten sowohl die Wirtschafts als auch die Stimmung!?)…

Ich will sagen: Gerade in der Phase der Verunsicherung können ein paar gezielt gesetzte Impulse sehr viel bewirken, viel mehr als die nackten Zahlen vermuten ließen. Der deutsche Aufschwung hat es nicht geschafft, dauerhaft mehr Sicherheitsgefühl bei Arbeitnehmern und Konsumenten zu bewirken. Die Gefahr ist meines Erachtens groß, dass die “Psychologie schnell kippt”, was der Wirtschaft (eben nicht nach dem “Homo oeconomicus”-Modell) überproportional schaden dürfte…

Und dass man ein Konjunkturprogramm als Klimaschutzpolitik betreiben (tarnen?) kann, zeigt Thomas Fricke auf. Vielleicht ist die Durchsetzung eines “Klimaprogramms” politisch leichter durchzusetzen. Auch wenn dies eine Einstellung von zweifelhaftem Wert ist, kann es einem schon gleich sein. Hauptsache man ruiniert die Konjunktur nicht durch falsches Sparen zur falschen Zeit.

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