anzeige

Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
Börsennotizbuch random header image

Amerika soll nicht sparen!

1. September, 2009 · 2 Kommentare

Sparschwein zu!

Das Thema “Sparen” hat gleich mehrere Gesichter.

Auf der einen Seite hat man eine eigentümliche Divergenz zwischen dem individuellen Sparen, das wohl recht vernünftig und “tugendhaft” ist, und dem volkswirtschaftlichen “Sparen”, welches in der Tendenz eher unvorteilhaft für das Wirtschaftswachstum ist (denn es entsteht eine kleinere Gesamtnachfrage; diese kann u.U. durch das Ausland wieder ausgeglichen werden, aber das ist eine andere Debatte).

Diese Geschichte (des “Sparsamkeitsparadox“) haben wir des öfteren erzählt. Es gibt aber mindestens noch einen “verzwickten” Aspekt des Sparens. Zum Beispiel die unterschiedlichen “Rezepte”, die in Krisenzeiten für unterschiedliche Staaten gelten: Bei Krisen in Entwicklungsländern haben die internationalen Institutionen (wie die Weltbank, IMF etc.) eine (durch die Industrieländer diktierte) Doktrin vertreten, die betroffenen Volkswirtschaften sollen sparen, den Haushalt in Ordnung bringen und “auf keinen Fall” irgendjemand aus den faulen Krediten retten…

Sie merken es schon: Der Unterschied in der Vorgehensweise, wenn die eigenen Länder (sprich: USA, EU) von einer Krise betroffen sind, ist fast diametral. Hier wird nicht Sparen gefordert, sondern Konsumstimulierung; hier werden nicht Haushalte konsolidiert, sondern mit Neuschulden aufgeblasen; und – weiß Gott – rettet man auch den einen oder anderen Konzern vor der Pleite (auf Rechnung des Staates).

Nicht konsequent, was? So sieht es auch der große Ökonom Joseph Stiglitz in diesem lesenswerten Artikel (Tipp: egghat, der auch den oberen Punkt der Inkonsequenz hervorhebt).

Stiglitz schreibt noch ausführlich über den Verlust an Vertrauen, Glaubwürdigkeit und letztlich Anziehungskraft des “amerikanischen” Modells der liberalen, kapitalistischen Ordnung und Demokratie. Durch den Widerspruch zwischen den eigenen Handlungen und den Ratschlägen an andere wird dieses Problem verschärft.

Ich würde jedoch einwenden: Der Unterschied — fair oder nicht — ist gerechtfertigt. Man kann ihn leider nur schwer objektiv kommunizieren: Amerika ist eben kein Entwicklungsland. Es gibt ein Unterschied des “Wesens”, welches nicht nur durch Statistik beschrieben und gerechtfertigt werden kann.

Ich weiß … auch ich habe ein ungutes Gefühl, wenn ich das schreibe, denn irgendwo verlässt man hier die Objektivität und erlaubt sich delikate (auch “unfaire”) Behauptungen. Deswegen versuche ich ein bisschen faktischer zu argumentieren:

Die USA sind der größte Produzent und Abnehmer der Welt, vielleicht wichtiger: der größte und wichtigste Innovations- und Investitionsmotor der Welt. Außerdem sind die USA so etwas wie die Benchmark für Anleger-Vertrauen (die EU spielt übrigens eine ähnliche Rolle).

Krise in einem Entwicklungsland führt zu Kapitalabzug, und das Vertrauen der Investoren muss wieder durch Fundamentaldaten und solide Finanzen zurückgewonnen werden. Aber wo wollen Sie den hin, wenn die USA in der Krise stecken? Auf den Mars geht nicht… Sie verstehen… Sicher ist es zu einem gewissen Grad auch möglich, Kapital aus Amerika abzuziehen, aber die Dimension des Problems ist für die USA unvergleichlich kleiner als für ein Entwicklungsland. Zumal, sollte es dazu kommen, haben wir es (wie etwa zur Zeit) mit einer Rezession und/oder besonders fragilen Finanzlage zu tun. Dies drückt unweigerlich die Weltwirtschaft in die Schieflage. D.h. die Alternativen leiden ebenso.

In dieser Reihe kommt dann auch noch das globale Gewicht der Vereinigten Staaten, das immer noch so gravierend ist, dass externe Einflüsse viel weniger zu einer Erholung beitragen können (ganz anders in einem typischen Entwicklungsland).

Wenn also das “Entkommen der Kapitalgeber” schwer möglich ist, sollte man das (verbleibende) Vertrauen nutzen und selbst den Wachstumsimpuls zünden. Sparen hilft dabei, das stimmt (und passiert bereits), mehr helfen tut die Rückkehr zum Wachstum. Daher die unterschiedlichen Prioritäten… Meiner Meinung nach…

Kategorien: Frontpage · Gesamtmarkt

Tags:, , , , ,

Vor- und zurückblättern (aktuelle Kategorie) ↓

Anzeige ↓


Verwandte Beiträge ↓



2 Kommentare bis jetzt ↓

Kommentieren: