Die Investoren, schreibt Joachim Dreykluft in der FTD, wetten eigentlich nicht auf einen Konjunkturaufschwung, sondern genau auf das Gegenteil — auf einen langsamen, schleppenden, mühsamen Konjunkturverlauf.
Den Widerspruch erklärt Dreykluft mit den niedrigen Zinsen und der “überschüssigen Liquidität”: Bleibt die Konjunktur lange schwach, belieben auch die Zinsen lange unten und der Strom des billigen Geldes kann die Preise der Assets weiter anheben.
An sich ist der Liquiditätsargument korrekt. Weniger korrekt ist, meiner Meinung nach, die Erwartung, dass sich eine erstarkende Konjunktur auf die Börsen so schnell negativ auswirken kann, dass man “den Verkaufsknopf stets in Reichweite” haben soll.
Die Beobachtungen, dass die Kurse auf positive Konjunkturdaten wie den ISM-Einkaufs- managerindex oder die (angeblich) guten Zahlen vom US-Arbeitsmarkt (?) kurzfristig mit Verlusten reagiert haben, mögen sogar korrekt sein, ich würde sie aber keinesfalls überbewerten. Das ist mehr kurzfristige Spielerei als tatsächliche Evidenz dafür, dass die Aktionäre für schlechte Konjunktur nur so betteln… Denn genau dass schreibt der FTD-Autor:
US-Investoren wetten derzeit geradezu darauf, dass die Phase der konjunkturellen Unsicherheit noch lange anhält. Sie betteln darum, dass kein kräftiger Aufschwung kommt. Das zeigte sich in den vergangenen Wochen, als positive Zahlen vom US-Arbeitsmarkt und ein optimistisch stimmender ISM-Einkaufsmanagerindex in der unmittelbaren Reaktion zu sinkenden Kursen führten. Bitte, bitte, liebe Konjunktur, werde nicht so stark, dass die Fed uns das schöne billige Geld wieder wegnimmt!
Zitat: FTD.de, Perverse Wette auf den Nicht-Aufschwung, Link oben
Ich will noch einmal sagen: Jede Hausse ist zunächst eine Liquiditätshausse. In diesem Zusammenhang kann man nicht hineininterpretieren, dass die Kurse gleich fallen werden, sobald sich die Fundamentaldaten bessern. Irgendwann, aber viel später, werden eine gut laufende Konjunktur und teurere Zinsen der Börse Liquidität entziehen, aber bis dahin ist viel Zeit.
Noch haben die Investoren Angst, ob die Konjunktur nicht zu stark und/oder zu bald wieder schwächelt. Noch ist nicht klar welche Form die Entwicklung annehmen wird. Theoretisch ist auch ein L-Shape nicht vom Tisch. Sollten die Fundamentaldaten eine Erholung eindeutig bestätigen und gar einen nachhaltigen Aufschwung anzeigen, werden die Kurse steigen, nicht fallen. Dafür wird noch eine ganze Weile mehr als ausreichend Liquidität da sein.
Keine Kommentare bis jetzt ↓
Noch hat keiner kommentiert - machen Sie den Anfang!
Kommentieren: