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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Anxiety Economy (Sorgen-Wirtschaft)

12. Februar, 2007 · 2 Kommentare

Nicht nur bei uns, auch in den USA (wo alles vergleichsweise viel besser läuft) breitet sich ein (wohl modernes) Phänomen aus: realistisch, statistisch, objektiv ist die wirtschaftliche Lage gut, sehr gut sogar, doch die subjektive Wahrnehmung von vielen Menschen ist trotzdem eine der Verunsicherung, der Besorgnis.

In einem Artikel auf money.cnn.com werden interessante Einsichten in dieses komplizierte wirtschaftspsychologische Gefüge der US-Verbraucher gegeben (zu blöd, dass man die Menschen immer Verbraucher nennt, was?). Für uns auch doppelt interessant, da die Amerikaner sehr häufig als kopflos optimistisch und unbesorgt charakterisiert werden, doch – sieh da! – so vieles klingt so vertraut.

Der Artikel fängt auch amüsant an:

So how are you doing? Money-wise, that is.

One way to answer this is to take a look around your house. There’s a flat-panel TV in the family room, an MP3 player docked to your computer and a tangled mess of cell-phone chargers over by the kitchen counter.

You have more clothes in your closets than you can wear. (Crazy how cheap a T-shirt is these days, isn’t it?)

Those closets, by the way, are surrounded by a house that’s bigger than the one you grew up in and is worth maybe twice what you paid for it.

Out in the driveway on the car you bought with 6 percent financing, perhaps there’s a window sticker bearing the name of your kid’s university.

Life looks abundant.

Hier und bei weiteren Zitaten: money.cnn.com, Is it time for a New New Deal?

Alles scheinbar in bester Ordnung. Doch hinter der Kulisse des Wohlstands verbirgt sich für viele eine, wie es die Autoren nennen, Anxiety Economy (Sorgen-Wirtschaft anstelle der süß-bitteren New Economy). In ihr – trotz objektiver Kriterien, die einem eigentlich sein Wohlergehen beweisen sollen – fühlen sich die Menschen permanent einem zu hohen Risiko ausgesetzt. Und es ist vieles daran wohl wahr.

“George W. Bush’s entrepreneurial, it’s-your-money Ownership Society is out. What’s in: addressing risk”.

Risiko wird auch in Amerika, zumindest aus der privaten Sicht der “Mittelschicht”, noch groß geschrieben. Warum so nervös?

Vieles dreht sich scheinbar um, erstens, Job-Unsicherheit in verschiedenen Aspekten: Von Entlassungen über Outsourcing in billigeren Länder bis zu Kürzungen der sozialen Absicherungen (exakt wie bei uns). Zweitens eine breit angelegte, laute und nicht gerade optimistische Wirtschaftsdebatte, die auch noch ziemlich stark mit den geo-politischen Problemen verknüpft wird.

Das Bild ist also in der amerikanischen middle class, die sich genau den selben Anspruch und Bedeutung zuweist wie in Deutschland – das Rückgrat der Gesellschaft und der Wirtschaft zu sein – sehr ähnlich wie etwa hierzulande. Und mitten in dieser Stimmung steht, wie gesagt, ein Gefühl der Unsicherheit, ein Risiko-Empfinden.

Und Risiko ist an der Börse meist ein wichtigstes Schlüsselwort.

Kategorien: Frontpage · Gesamtmarkt · Sentiment

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2 Kommentare bis jetzt ↓

  • Selektiver Aufschwung - eine Allensbach-Analyse • Börsennotizbuch // 24. Feb, 2007

    [...] Ein ähnliches Bild zeichnet sich in anderen “etablierten” Industrienationen und auch in den USA (Sorgen-Wirtschaft). Für uns an der Börse ist die Stimmungslage in der Bevölkerung natürlich eine wichtige Größe. Nicht nur die Kurse, auch die Wirtschaftstätigkeit und die Wirtschaftsentwicklung haben viel mit Psychologie zu tun. Außerdem aber ist es entscheidend, wie, wann und in welchem Ausmass Kapital in die Aktienmärkte bewegt wird. Man muss die breiten Bevölkerungsschichten nicht unterschätzen – sie halten einen enormen Anteil am Geldvermögen und sind durch ihren Spar- und Konsumverhalten eigentlich die wichtigste bewegende Kraft. [...]

  • Bereits Rezession? Zwei Drittel der Amerikaner meinen Ja • Börsennotizbuch // 3. Aug, 2007

    [...] Ich habe irgendwie das Gefühl, dass die (westlichen) Gesellschaften seit einiger Zeit generell unzufriedener und unsicherer geworden sind. Das ist ein psychologisches Phänomen, das zunächst einmal nichts mit den harten Wirtschaftsdaten zu tun hat. Es hat eher etwas zu tun mit “dem Ende der Gemütlichkeit” (Herdentrieb). Oder aber mit “Anxiety Economy (Sorgen-Wirtschaft)” sowie “Geld macht auch ein Volk nicht glücklich” (frühere Beiträge von mir). [...]

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