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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Ist es eine Baisse?

24. Januar, 2008 ·

Der Dax hat vom Top (gleichzeitig Allzeithoch) bereits gut 20 Prozent eingebüßt. Der S&P 500 knapp 20. Der gute alte Dow Jones hält sich da etwas besser, aber die Verluste summieren sich auch hier auf ca. 15 Prozent. Nach dem “Lehrbuch” ist eine Korrektur von mehr als 20 Prozent bereits eine Baisse. Entsprechend werden die Kapitel zum “Bear Market” aufgeschlagen, und die Investoren (vor allem die Institutionellen) gehen in den Bear-Modus.

Ist es soweit?

Ich bin noch, ehrlich gesagt, unentschlossen, ob die momentane Entwicklung die unangenehmen Züge einer richtigen Baisse trägt. Kann man den Kursrückgang (über die letzten Monate) als schleichend bezeichnen, kann man sagen, die Probleme höhlten langsam, aber stetig die Angebot- und Nachfrageverhältnisse aus, und am Ende (vorläufig) mündete dies in die erdrutschartigen Crashs, die wir diese Woche an vielen Börsen gesehen haben? Oder erkennen wir eine heftige Korrektur, die von den wieder knapp an die Allzeithochs  zurückgekletterten Indizes (also keine Trendumkehr) einfach plötzlich passierte?

Dies wäre insoweit wichtig, weil Baissen gewöhnlich einen schleichenden und Korrekturen einen abrupten Verlauf haben.

Es gibt einige Punkte, die mir hier wichtig erscheinen.

Erstens, ich gebe manchen Beobachtern Recht (wie zum Beispiel Thomas Fricke von FTD), die darauf hinweisen, dass die Panik und die Korrekturen alleine aufgrund von Rezessionsgefahr passierten, aufgrund einer “gefühlten Rezession”. Denn, auch wenn prominente Analysten die US-Rezession bereits ausgerufen haben, fehlt noch die wirkliche Gewissheit. Die Wirtschftsdaten zeigen – das ist richtig – mehrheitlich streng nach unten, aber die Konjunktur kommt von einem recht expansiven Wachstumskurs, und die wichtigsten makroökonomischen Messgrößen (wie Arbeitsmarkt, Konsum etc.) sind noch nicht final als “rezessiv” zu sehen.

Natürlich ist die Rezession erst im Nachhinein sauber festzustellen, doch (und dies ist, meine ich, ein ernstzunehmender Punkt) noch sprechen wir eben von “gefühlter Rezession” bzw. Rezessionswahrscheinlichkeit.

Zweitens, die Fed hat in dieser Krise selbst für amerikanische (sprich: Greenspan’sche) Verhältnisse schnell und entschieden reagiert. Die Hypotheken- und Bankenkrise hat vielleicht deswegen erst langsam (nach mehreren Monaten) auf die Aktienmärkte durchgeschlagen. Denn Bernanke senkte promt und mehrmals die Zinsen, um die Liquiditätssituation (und die Psychologie) zu beruhigen. Auch gestern — die Reaktion kam sofort.

Aber nicht nur die Bekenntnis der Fed zur Konjunktur- und Wall-Street-Unterstützung ist zu beachten. Noch wichtiger: Die Zinsen fallen, und zwar in allen Laufzeiten. Bleibt dieser Trend, werden wir es bald mit dreierlei zu tun: Eine sehr vorteilhafte Bewertungsgrundlage für alle anderen Risikopapiere (Aktien an erster Stelle), eine Ausweitung der Geldmenge und erneut mit einer Art “Anlagenotstand” für das sich häufende Kapital.

Drittens, ich will es etwas beiseite und leiser sagen: Darüber zu streiten, ob und inwiefern die Aktien 2007 überbewertet waren, ist noch zu früh, aber ich denke, wir hatten keine außergewöhnliche Ãœberbewertung am Aktienmarkt. Klar, die Börsen waren im Sommer nicht mehr billig, hatten schließlich eine lange Hausse hinter sich, aber die Relationen waren auf keinen Fall über Massen verzogen (meine persönlich Ansicht). Das ist jedoch alles nicht sicher, und – wichtiger – die Märkte kümmern sich (häufig) um die Bewertungen wenig.

Also bis hier die etwas zuversichtlichen Beobachtungen: Rezession kann kommen, aber der Markt rechnet bereits ziemlich fest damit — wie heißt es? — er preist sie ein. Und die Fed pumpt Geld ins System, die Liquiditätssituation bessert sich.

Man muss sich aber nichts vormachen.

Viertens, wir haben es mit einer Bankenkrise zu tun, und diese sollten besonders heftig ausfallen (wie etwa Ken Rogoff untersucht hat und auch hier). Hier würde ich anhängen: Noch gehen viele davon aus, dass die Weltkonjunktur die US-Rezession (die teilweise eingepreist sein sollte) auffangen kann. Das ist nicht gewiss. Stellen Sie sich vor, Amerika ist doch noch so wichtig, dass die gelobten Schwellenländer nicht alleine wachsen können. Dann hätten wir ein größeres Problemchen.

Fünftens, ich habe bereits erwähnt: Das Sentiment vor den letzten Turbolenzen war nicht zu schlecht, es war “vorsichtig optimistisch”. Die Erschütterungen trafen also zum Teil unvorbereitete Investoren, die – jetzt wahrlich verunsichert – noch ihre Entscheidungen und Pläne anzupassen haben. Und dies wird wohl nicht auf der bullischen Seite passieren. Also sentimentstechnisch würde ich bald weitere Schwäche erwarten.

Sechstens, und ich glaube wir müssen langsam zum Schluss (bzw. wieder zum Anfang) kommen: Die Institutionellen (vor allem “renditehungrige” Hedgefonds) können die Baisse-Lehrbücher wirklich aufschlagen und Aktien in einen bedingt aufnahmefähigen Markt reindrücken (Leerverkäufe, versteht sich). Dann werden wir wohl noch tiefer in die Knien gehen.

Man kann auch weiter gehen. Aber für heute reicht.

Kurzfristig ist die Sache kritisch, abgesehen von den ganz selbstverständlichen technischen Reaktionen. Aber wer sich ums Kurzfristige kümmern will, dem viel Spaß sowieso. Mittelfristig eröffnen sich – möglicherweise - Chancen. Dass wir uns nicht missverstehen: mittelfristig ist auf Sicht von 2-3 Jahren.

Dennoch: das Messer fällt gerade (Sie wissen schon, was ich meine), und viel Hektik – bin ich der Ãœberzeugung – hat an der Börse keinem viel gebracht.

Kategorien: Analysen · Frontpage · Gesamtmarkt

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