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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Ich sehe aber doch keinen Zeitenwechsel an den Börsen

20. Juni, 2007 · 1 Kommentar

Barometer Börse Wetterlage ZeitenwechselMark Schieritz schreibt beim WirtschaftsWunder-Blog der FTD.de einen Artikel unter dem Namen “Zeitenwechsel an den Finanzmärkten“. Den Anfang fand ich ausgesprochen gelungen:

“Der Mann denkt richtig”, meinte ich, und während ich noch las, dachte ich weiter (ein wenig bissig, wie ich doch natürlich nicht bin ;-) ) – “Wenn er die Entwicklungen, die zur aktuellen Situation führten, so knapp und gut zusammenfasst, hat er denn in den letzten Jahren gekauft und gehalten, und gehalten, und profitiert?”…

Ich nehme doch an – ja. Trotzdem, als ich zum, so zu sagen, zweiten Teil des Artikels kam, in welchem es um die Konsequenzen für die Zukunft geht, stoße ich auf ziemliche Widersprüche zu meiner Position. Also muss ich feststellen, dass selbst aus einem ähnlichen Gedankenkonstrukt, das die aktuelle Lage, meiner Ansicht nach, in den behandelten Punkten ganz korrekt erfasst, dann doch ein ziemlich abweichendes Zukunftsszenario entwickelt wird / werden kann. Das wollte ich als interessante Erkenntnis festhalten.

Vielleicht liege ich falsch, vielleicht Herr Schieritz, oder am wahrscheinlichsten kommt es ganz anders und aus ganz anderen Gründen.

Die Kernpunkte der These, warum es zu einem Zeitenwechsel an den Börsen kommen soll, können mit einigen Stichworten wiedergeben werden (hoffe, ich habe gut aufgepasst):

  • Die Produktionskapazitäten (vielleicht lieber: die Kapazitäten insgesamt) sind infolge des Wachstums ziemlich voll.
  • Jetzt müssen die Unternehmen (wieder) verstärkt investieren.
  • Auf der anderen Seite sind die Personal-Kapazitäten auch ziemlich voll, zusammen mit den Investitionen sollen also auch die Löhne steigen, und zwar schneller als die Unternehmensgewinne.
  • Infolge des Ganzen, steigen die Zinsen und die Gewinne entwickeln sich langsamer (sogar schmelzen?).
  • Die Börsennotierungen preisen aber ähnlich hohes Gewinnwachstum wie in den letzten Jahren ein.

Einiges ist sicherlich richtig. Aber der letzte Punkt? Mark Schieritz schreibt Folgendes:

Die hohen Kursniveaus erscheinen nur gerechtfertigt, wenn die kräftigen Unternehmensgewinne in die Zukunft fortgeschrieben werden.

Das ist nicht richtig. Die Gewinne in den letzten Jahren waren stets (viele, viele Quartale bis zum ersten Quartal 2007) zweistellig. Mitunter auch ziemlich zweistellig. Wenn die Börse wirklich diese kräftigen Unternehmensgewinne in die Zukunft fortschreiben würde, kann ich das heutige Niveau (Aktienrendite Dax 2007 geschätzte 6-7% vs. Umlaufrendite und Staatsanleihen bei ca. 4,6%) überhaupt nicht rechtfertigen. Wenn ich Ihnen irgendwie die Garantie geben kann, dass die Unternehmensgewinne noch, sagen wir, 4-6 Quartale zweistellig wachsen werden, würden Sie nicht sofort Aktien kaufen? Nein, Sie würden den Dax auf 10er KGV abrutschen lassen, und dann immer noch nicht kaufen?

Weiterhin, wäre es für mich sehr, sehr überraschend, wenn sich die Investitionstätigkeit verstärkt (vom derzeitigen eher “gemächlichen” Tempo) und dies zur Börsen-Schwierigkeiten führen wird. Börsen-Schwierigkeiten entstehen viel eher, nachdem die Investitionstätigkeit (stark) zugenommen hat.

Auch die Löhne, die steigen sollen, werden zunächst den Konjunkturzyklus, also auch Konsum, Umsätze, und darüber (vorerst zumindest) die Rentabilität der neuen Investitionen antreiben. Ganz abgesehen davon, dass steigende Beschäftigung per se gut ist (man muss irgendwann vielleicht doch einfacher die Sachen nehmen).

Zur schwächeren Investitionstätigkeit habe ich bereits geschrieben:

… die schwachen Investitionsausgaben der Unternehmen bergen insgesamt weniger Gefahren für die Gewinnentwicklung. Das Leitmotiv ist immer noch Vorsicht und “Konzentration aufs Kerngeschäft”. Und ich behaupte, dass die meisten Unternehmen im Kerngeschäft die Risiken viel besser abschätzen und managen können, als wenn sie neue Geschäftsfelder erschließen würden. Zudem war und bleibt das größte Business-Risiko die (neue) Investition: man nimmt Geld in die Hand und hofft es wieder “zurückgewinnen” zu können. Das klappt manchmal, manchmal auch nicht. Aber vielleicht klappt es häufiger, wenn man den Business in- und auswendig kennt (Kerngeschäft also)…

Investitionsausgaben der Unternehmen sind schwach, aber wie wirkt sich das auf die Aktien aus?, 2. April 2007

Kategorien: Analysen · Frontpage · Gesamtmarkt

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