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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Optimismus und Pessimismus an den Aktien- und Rentenmärkten

11. Dezember, 2007 · 3 Kommentare

Dieter Wermuth schreibt in seinem aktuellen Artikel für Herdentrieb über die zweideutigen Signale, die im Moment von den beiden “großen Märkten” – dem Aktienmarkt und dem Rentenmarkt – zu vernehmen sind. Ich möchte diesmal etwas ausführlicher seinen Text kommentieren.

An den Aktienbörsen herrsche weiterhin Optimismus, so Wermuth, die Akteure dort würden kaum an eine wirkliche, oder zumindest nicht an eine dauerhafte Abkühlung der Weltkonjunktur glauben (von Rezession ganz zu schweigen). Sie würden die robuste Verfassung der Weltwirtschaft und die guten Gewinne der Unternehmen sehen, und – sollte dies nicht reichen – sei die Fed auch da, um dem Business, den Banken, den Verbrauchern, letztendlich ihnen, den Spekulanten (wer auch immer zuerst in Not geraten würde), den Rücken zu stärken.

Die Rentenmärkte preisen hingegen eine ganz andere Sicht auf die Lage und die zukünftige Entwicklung ein: Hier sind die Renditen (im Fokus stehen die Staatsanleihen) so tief gesunken, dass die logische Annahme lauten sollte: Ein deutlicher Wachstumsrückgang wird kommen, gar Rezession, und die Inflation wird massiv nachlassen:

Daher sind die Renditen langlaufender Regierungsanleihen in den USA – ihrer Meinung nach folgerichtig – im Sinkflug. Wenn die aktuelle Inflation bei den Verbraucherpreisen 3,5 Prozent und die Kerninflation (also ohne Nahrungsmittel- und Energiepreise) 2,2 Prozent beträgt und sich die zehnjährigen Treasuries (US Staatsanleihen) mit 4,1 Prozent verzinsen, impliziert das, dass die Marktteilnehmer eine Kombination aus sinkender Inflation und sehr schwachem Wachstum, unter Umständen sogar eine Rezession erwarten. Auch wenn man korrekterweise nicht mit der aktuellen Inflation arbeitet, sondern mit der mittelfristig erwarteten von zur Zeit 2,9 Prozent, ändert sich das Bild nicht wesentlich.

Die einen also so, die anderen ziemlich exakt das Gegenteil. Warum, wieso – haben wir es nicht angeblich mit effizienten Märkten zu tun, die die vorliegenden Informationen korrekt einpreisen? Und wichtiger natürlich: Wer hat nun Recht?

(Zum Thema effiziente Märkte hatte ich schon an unterschiedlichen Stellen in diesem Blog meine Meinung geäußert; wer nicht lange suchen und lesen will, die Essenz: ich glaube nicht daran.)

Herr Wermuth wiedergibt eine interessante Erklärung psychologischer Natur (ganz kurz gefasst, bitte bei Herdentrieb genauer nachlesen): In Aktien handeln die “strukturell optimistisch Veranlagten”, die Renten sind für Pessimisten sachliche Analytiker. Herr Wermuth scheint da sich selber eher zu den “sachlichen Analytikern” zuzuordnen (“Pessimisten” konnte ich einfach nicht schreiben ;-) ). Denn er sieht quasi eine Blase am Aktienmarkt…

Solche Formulierungen sind mir nicht fremd, und ich selber neige etwas dazu, in vergleichbaren Bildern zu denken (ich glaube sogar, ich habe etwas ziemlich Ähnliches vor etwa einem Jahr hier geschrieben – finde ich aber in meinem eigenen Blog nicht!). Und dennoch bin ich mir nicht ganz sicher, ob wir die Märkte so trennen können. Die Optimisten und die Pessimisten – das ist ja die Essenz der Börse – stehen sich vielmehr gegenseitig in den Märkten, strickt genommen bei jeder Transaktion, gegenüber, und sind nicht in unterschiedlichen “Handelssälen” getrennt. Außerdem werden die Aktien nicht ganz so wenig analytisch untersucht (andere Frage ist, ob das viel bringt), vielleicht ist die analytische Unsicherheit bei ihnen größer, aber sie werden schon ausreichend rationalen Analysen unterworfen.

Was mich eher in die Richtung bringt, dass, komischerweise, die beiden Märkte auf ein Mehr an Unsicherheit auf den ersten Blick untypisch reagieren. Dieses “Mehr an Unsicherheit”, halte ich für wenig umstritten: Spätestens seit den Turbulenzen Mitte des Jahres sind den meisten Teilnehmern deutliche Schwächen im Finanzsystem oder neue Gefahren-Quellen deutlich geworden (die bis dahin weniger beachtet wurden). Kaum einer stellt ernsthaft in Frage, dass sich die Konjunktur der USA verschlechtert bzw. noch verschlechtern wird. Die Unbekannten sind deutlich mehr geworden als noch vor Monaten. Ich bin mir sicher, dass die Trading-Abteilungen der institutionellen Investoren, ganz schön analysieren und neue Wahrscheinlichkeiten zuordnen. Und die Risiko-Wahrscheinlichkeiten sind bestimmt nicht kleiner geworden.

Aber Moment: Die Aktienmärkte haben ja mit einer relativ heftigen Korrektur reagiert. Wo war der Optimismus? Die Rede ist (wird man korrekterweise einwenden) von der aktuellen Erholung, die insoweit überrascht, dass die Kurse wieder in die Nähe der vorherigen Hochs (die auch vielerorts Allzeithochs waren) kommen, und zwar während immer mehr Details, Abschreibungen, Verluste, Verkomplizierungen bekannt sind. Warum preisen dann die Märkte ähnlich hohe Kurse ein wie vor dem Ausbruch der jüngsten Krise (die allen Anschein nach gerade am Anfang seht)?

Ein sicher etwas selten vorkommendes Argument wäre: die Aktienmärkte waren nun auch auf den früheren Allzeithochs einfach zu billig (ok, unterbewertet), so dass auch gegeben der neuen negativen Informationen diese Niveaus nicht zu teuer sind, sondern - sagen wir - in etwa fair. Bewertungen können aber die Kurse von alleine nicht bewegen, man braucht Nachfrageüberschuss.

Apropos Bewertungen, Dieter Wermuth schreibt:

Man sollte im Hinterkopf behalten, dass sich die KGVs, die Kurs-Gewinn-Verhältnisse, der Aktienmärkte in den OECD-Ländern auf ziemlich euphorischem Niveau befinden.

Wo er genau die euphorisch hohen Bewertungen sieht, ist mir nicht ganz klar (vgl. Nur Zeichen für eine Unterbewertung der Aktien, by the way, ich würde sie eher bei den Renten vermuten, dann aber entsprechend nicht “euphorisch”, sondern “betrübt” oder so).

Wie auch immer – ich werde zunächst die Börsen nicht als “steigend” bezeichnen, daher kann ich nicht von “von Optimismus getragenen Aktien” sprechen. Vielmehr sehe ich erhöhte Volatilität (genau genommen erhöhte Volatilität der Volatilität, denn technisch gesehen zog zunächst die Volatilität an und jetzt sinkt sie auf anormal tiefe Levels). Die Börsen steigen nicht wirklich, sie wackeln. Und, ich glaube, bei dieser Wackelbewegung wurden eine Menge schwache Positionen abgeschüttelt. Denn bei den kräftigen Einbrüchen von vor einigen Wochen, sah alles gar nicht rosig aus. Die Kauforders (könnte man vermuten) kamen (es gibt immer auch zwei Seiten der Transaktionen) eher aus der sog. mittelfristigen Nachfrage. Mittelfristig sind für mich hier, und eigentlich immer, Perioden von 2-3 und mehr Jahren. In diesen Zeiträumen erscheinen die Aktien dann auch nicht überbewertet (während sie in der kurzen Frist dem erhöhten Konjunkturrisiko unterlagen/unterliegen).

Natürlich, die aktuelle Bewegung ist zum Teil “technische Reaktion”, und deswegen, mindestens zum Teil, hat sie nichts mit einem grundsätzlichen Optimismus zu tun. Natürlich hat sie auch kurzfristige Nachfrage generiert, die beim nächsten “raueren Windzug” wieder abspringen wird. Dann werden wir sehen, wie nachhaltig die Positionen im Markt sind.

Mit einem Wort – ich halte den Optimismus im Markt für eine Illusion. Sicher, es gibt keine Angst, aber auch keinen Optimismus.

Es wird nun aber alles etwas zu lang… Ich werde auf weitere Aspekte bald zurückkommen.

Vielleicht eines noch (Dieter Wermuth wieder):

An den Rentenmärkten ist man hinsichtlich der Konjunktur etwas optimistischer geworden, so dass die Renditen kräftig gestiegen sind.

“Kräftig” scheint mir etwas übertrieben:

Zinsen USA Bonds 10 Jahre Dezember 2007
Grafik: WSJ.com/BigCharts

Kategorien: Analysen · Frontpage · Gesamtmarkt · Sentiment

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3 Kommentare bis jetzt ↓

  • Josh // 11. Dez, 2007

    ein wirklich gelungener Artikel, der das aktuelle Stimmungs- und Meinungsbild an den Börsen sehr gut zusammenfasst. Weiter so! Bin schon auf das nächste Posting zum Thema Rentenmärkte sehr gespannt.

  • Saviano // 11. Dez, 2007

    Zur Stimmung heute:

    Die Stimmung unter deutschen Finanzmarktprofis hat sich im Dezember nochmals verschlechtert. Das ZEW-Barometer ist auf den niedrigsten Stand seit Januar 1993 gesunken. Professionelle Anleger und Analysten „sehen klare Risiken für das Wachstum wichtiger Industrieländer, insbesondere der Vereinigten Staaten“.

    Handelsblatt.com, ZEW-Index fällt auf Niveau von 1993 zurück

    Nicht, dass ich sonderlich auf den ZEW achte, aber als eine Art Indikation für die psychologische Verfassung…

  • Drei bullishe Statements • Börsennotizbuch // 11. Dez, 2007

    [...] Ich möchte noch ein bisschen den “übertriebenen Optimismus” anheizen. Mit drei bullish statements von Mssrs. Ken Fisher, Brian Wesbury und Charles Payne (Forbes.com: Three Bulls Walk Into A Forbes Cruise). [...]

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