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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Die Menschen haben die Banken abgezogen

11. Februar, 2009 · 8 Kommentare

… üblich, denkt man, ist es genau andersherum. Aber dieses Mal haben die Menschen den Banken das Geld aus der Tasche gezogen.

Darf ich folgenden (nicht ganz ernst gemeinten) Gedanken skizzieren:

Die Banken waren … hm … so naiv, dass sie zum Beispiel eine solche Immobilie als Sicherheit für eine 100.000-Dollar-Hypothek akzeptierten (unbedingt anschauen). Eine vollkommene Bruchbude — für 100.000 USD! Was will man mehr sagen! Grob fahrlässig bis geht nicht mehr…

Nun, jedes Geschäft hat zwei Seiten: Das Geld ist geflossen und (größtenteils) verkonsumiert. Sehen wir für einen Moment von den rechtlichen Folgen der Zahlungsverpflichtungen ab (die im Einzelfall für viele sehr schmerzhaft sein werden): Das Geld ist auf die Konten der Menschen geflossen und von da in den Wirtschaftskreislauf (= auf viele andere Konten). Das Problem für die Banken: Jetzt kann und/oder will es nicht zurück, d.h. es folgen Abschreibungen, Verluste, Pleiten…

Auf der Macroebene bekommen die Menschen damit jedoch auch ein Problem: Sie brauchen ein Bankensystem. Man kann den Kapitalismus frei walten lassen (das würde bedeuten: die Banken fallen zu lassen), aber schnellst möglich wird man neue Banken mit neuem, frischen Kapital installieren müssen. Aus praktischen Gründen wird man die bestehenden Banken retten, statt neue zu gründen.

Die entsprechenden Rettungsprogramme sind ja auch voll im Gange. Mit Abermilliarden Dollar. Der Staat versucht gerade ein neues-altes Bankensystem zu installieren. Das Geld borgt er sich. Bei wem? Nun — grob gesprochen: bei den Menschen, die vorher die Banken abgezogen haben. Ich erkenne erste Striche einer Gerechtigkeit… ;-)

Wie die Belastung im Einzelnen ausfällt, ist natürlich sehr undurchsichtig. Sie zum Beispiel — ja, Sie persönlich — wollen die Banken nicht retten? — Aber das tun Sie doch, allein indem sie sparen. Und zwar zu diesem so niedrigen Zins:

Die Sparquote ist in den USA sprunghaft angestiegen; die Zinsen sind massiv gefallen — alles Erspartes, dass das System über das Instrument Staatsanleihe retten soll (wird). Weil die Menschen viel Geld gegen minimale Gegenleistung zur Verfügung stellen…

Denn ich erwarte 2009 auch keine Inflation, aber etwas später schon… Die Differenz — bildlich gesprochen — zwischen den zu niedrigen Angstzinsen und der kumulierten Verzinsung von nominellem und realem Wachstum wird über die nächsten mehreren Jahren die Zeche für die Finanzkrise bezahlen.

Der Immobilien-Tipp kam über egghat. Es folgen einige statistische Ergänzungen (Sparquoten in Deutschland und in den USA).

Sparquote Deutschland

Sparquote Deutschland
Daten: Statistisches Bundesamt

Sparquote USA

Personal Saving Rate USA

Kategorien: Frontpage · Gesamtmarkt

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8 Kommentare bis jetzt ↓

  • egghat // 11. Feb, 2009

    Du hast doch die niedrige (teilweise sogar negative) Sparquote doch immer für unkritisch gehalten. Oder irre ich mich?

    Bye egghat

  • Abzocker? // 11. Feb, 2009

    Kleines Missverständnis.
    Die 100.000 Dollar kommen anhand des zehnten Kreditverkaufs. Da jede Bank ein wenig mehr als “Sicherheit” draufsattelt.

    Die Banken waren (wie im Schneeballsystem: den Letzten beissen die Hunde! Europa wartete ja nur drauf) schon saniert.

  • Saviano // 11. Feb, 2009

    A. War es die niedrige Sparquote, die uns in Schwierigkeiten brachte?

    B. Wenn die Menschen jetzt nicht sparen würden, sondern konsumieren, wäre das schlechter oder besser? (ich tippe auf “besser”)

    C. Sie wollen aber sparen und schicken die Wirtschaft in die Rezession (viel zu tief unter Potenzial): Wegen der Disruptionen am Kapitalmarkt können die Ersparnisse nicht schnell genug als Stabilisator dienen (der Staat muss ran). Dem Staat hilft die Bereitschaft der Menschen, so gut wie keine Gegenleistung (außer “Sicherheit”) zu verlangen…

  • eachtradingday // 14. Feb, 2009

    warum soll 100.000 Dollar für das Haus zuviel sein?

    wenn man sich die slideshow mal anschaut sieht man das Haus vom Nachbarn – wirklich sehr schön und gepflegt. Würde sagen eher oberes Mittelfeld!

    Könnte mir gut vorstellen, das am Peak alleine das Grundstück als soviel Wert angesehen wurde, daher kann das durchaus “Sinn” gemacht haben.

    Wenn man sich die anderen Bilder anschaut, dann frägt man sich sicherlich zu recht, wie so eine Messi überhaupt an Geld gekommen ist. Das Grundstück ist ja sowas von verwahrlost.

    gruss
    eachtradingday

  • egghat // 15. Feb, 2009

    @Saviano:

    Die Sparquote von Null war nicht nachhaltig. Daher ist das, was du Potenzial nennst, deutlich ÜBER Potenzial gewesen. Was wir jetzt sehen, ist nur eine Normalisierung. Die US-Wirtschaft wird sich auf ein Niveau einpendeln müssen, wo die Verbraucher 4, 5 oder 6% sparen können, dadurch der Konsum sinkt und damit auch das Handelsbilanzdefizit. Dass dieser Anpassungsprozess kein Spaß wird, war mir klar. Dass er aber kommen musste, schon.

    Ich könnte jetzt die Fragen auch einzeln beantworten, das macht aber wenig Sinn, weil sich unsere “Basislinien” so weit unterscheiden. Zum Beispiel ist die Antwort auf Frage b natürlich sowohl als auch. Klar will man (oder nur ich?) eigentlich, das die US-Bürger mehr sparen, aber doch nicht jetzt. Das Problem dabei ist nur, dass unter Greenspan jede platzende Blase durch eine noch größere neue Blase abgelöst wurde und das Argument dafür wie oben lautete (nicht jetzt). Deshalb haben Rezessionen ihre natürliche Selbstreinigungsfunktion nicht mehr. Und das wird am Ende den Kapitalismus noch umbringen.

    @eachtradingday

    Die These, dass das Haus (inkl. Grundstück) doch was wert war, ist nicht haltbar. Der Nachbar hat schließlich nur 18.000 Dollar bezahlt. genau das, was vor 2 Jahren noch 100.000 wert sein sollte, war jetzt nur noch 18000 wert.

  • Saviano // 15. Feb, 2009

    @ egghat

    Irgendwer muss das (gesparte) Geld doch ausgeben (investieren). Was machen wir mit den überhohen Sparquoten von Chinesen (ca. 40% !?) oder Deutschen (ca. 11%)? Sollten die Amerikaner auch noch “ordentlich” sparen, würde nicht ein weiteres “globales” Ungleichgewicht entstehen: Kapitalüberfluss (saving glut)?…

  • Saviano // 17. Feb, 2009

    Ich empfehle immer wieder diese Studie (nicht weil sie irgendwie meinen Standpunkt vertritt, sondern weil sie die Notwendigkeit einer differenzierteren Sichtweise auf die (negative) Sparquote illustriert): How Worrisome Is a Negative Saving Rate? (in der PDF Version, oben rechts, gibt es auch Grafiken).

  • Die Amerikaner lassen die Banken auf den Schulden sitzen • Börsennotizbuch // 12. Aug, 2010

    [...] anderthalb Jahren habe ich schon mal geschrieben, dass in der Immobilienkrise eigentlich die Menschen die Banken abgezogen haben und nicht umgekehrt. Denn es ist die Dummheit des Gläubigers, wenn er die Kreditsicherheiten [...]

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