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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Betrachtung einer Krise anhand von Kreditausfällen

17. März, 2009 · 3 Kommentare

Gast-Autor im Börsennotizbuch

Gastbeitrag von morvan, Eachtradingday.com

Im Moment verfolge ich eine interessante Diskussion, die sich um die tatsächliche Höhe der Ausfallquoten der strukturierten Wertpapiere handelt. Mehr dazu findet ihr unter diesen Links:

Kurz zusammengefasst dreht es sich darum, dass Blicklog davon ausgeht, dass bei einer Delinquency Rate von um die 5%, die Abschreibung doch viel zu hoch sind und nicht den realen Wert dieser Papiere widerspiegeln.

Als Trader ist diese Frage für mich von zentraler Bedeutung; spiegelt sie doch die eventuelle Entwicklung der kommenden Jahre wider. Diese Frage entscheidet nicht darüber, was in einem Monat sein wird, sondern was in 2-10 Jahren sein könnte.

Sollten die Verluste tatsächlich nicht so hoch ausfallen, wie im Moment erwartet wird, dann müssten in Zukunft ja auch wieder Gewinne ausgewiesen werden. Ist ja klar — was abgeschrieben wurde, hätte wieder Wert und müsste wieder in die Bücher eingebucht werden.

Stellen sich also zwei Fragen

  1. Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit dieser Idee?
  2. Wenn sie stimmen würde, wer würde dann die Gewinne einfahren?

Doch beginnen wir mit der ersten Frage:

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit?

Da ich immer finde, dass ein Bild besser als Tausend Worte ist, habe ich hier gleich zwei Grafiken vorbereitet. Die Daten beruhen auf Informationen, die auf der Federal Reserve Homepage zu finden sind.


Grafik 1: Delinquency Rate = Säumige Schuldner >30 Tage
Delinquency Raten der US-Banken 1991-2008; Quelle: Eachtradingday.com
Quelle: Eachtradingday.com

 
Auffällig ist, dass die Rate der säumigen Schuldner bei Wohnimmobilien seit 2007 ansteigt. Mit etwas Abstand folgen allerdings die Gewerbeimmobilien. Im Moment spricht jeder nur von den Wohnimmobilien — doch da scheint sich etwas anzubahnen.

 
Grafik 2: Die ausgebuchten Kredite aller US Banken von 1991-2008
Charge Off Raten US-Banken 1991-2008; Quelle: Eachtradigday.com
Quelle: Eachtradingday.com

Das Problem

Die Zahlen der FED sind Quartalszahlen; sprich im Moment müssen bereits jedes Quartal ca. 2 Prozent der Wohnimmobilienkredite ausgebucht werden. Was allerdings mehr überrascht, ist, dass die Zahl der Gewerbeimmobilien höher ist.

Wir haben also zwei Faktoren, die meiner Meinung nach gegen die Annahme spricht, dass die Abschreibungen geringer sind als gedacht.

  1. Bereits jetzt sind die Ausbuchungen der Immobilienkredite >4 % (Wohn- und Gewerbeimmobilien zusammen) und das jedes Quartal. Anhand der Grafik sehen wir, dass Werte um die 0,5% üblich waren. Das entspricht einer Steigerung um 700% an Ausbuchungen innerhalb von 1-2 Jahren.
  2. Obwohl die faulen Kredite schnell abgeschrieben werden, steigt die Anzahl an Schuldner weiterhin, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen können und mehr als 30 Tage im Rückstand sind. Betrachten wir wieder beide Komponenten, so sind das ca. 10% aller Schuldner, die dies betrifft.

Eine wichtige Beobachtung ist die Zahlenreihe um die ’90. Hier haben wir sehr hohe Werte im Ausfall und Rückstand im Gewerbeimmobilienbereich. Genau in dieser Zeit hatten wir eine Kredit- und Sparkrise in Amerika (Savings and Loan Crisis). Wer mehr dazu wissen will kann sich eine Zusammenfassung auf der FDIC Seite ansehen.

Hier einige Fakten aus dem Bericht:

Summary

The savings and loan crisis of the 1980s and early 1990s produced the greatest collapse of U.S. financial institutions since the Great Depression. Over the 1986–1995 period, 1,043 thrifts with total assets of over $500 billion failed. The large number of failures overwhelmed the resources of the FSLIC, so U.S. taxpayers were required to back up the commitment extended to insured depositors of the failed institutions. As of December 31, 1999, the thrift crisis had cost taxpayers approximately $124 billion and the thrift industry another $29 billion, for an estimated total loss of approximately $153 billion. The losses were higher than those predicted in the late 1980s, when the RTC was established, but below those forecasted during the early to mid-1990s, at the height of the crisis.

(Hervorhebungen hinzugefügt).

Eine für mich wichtige Aussage ist der Schlusssatz:

Die Verluste übersteigen die Prognosen am Höhepunkt der Krise

Daraus lässt sich Einiges schließen, denn wir Menschen tendieren ja immer zu dem selben Verhalten. Alle Prognosen, die zu Anfang der derzeitigen Krise getätigt wurden sind zu niedrig. Das können wir schon jetzt durch Fakten bestätigen.

Die Frage lautet also:

Am Höhepunkt angekommen?

Leider lässt sich diese Frage nicht beantworten, bisher deutet meines Erachtens nichts darauf hin.

Was für mich nun noch interessant ist – wie viel Schulden sind das in der Summe?

Leider findet sich auf der FED Seite dazu wenig. Die Summe der Immobilienkredite werden erst ab dem März 2009 veröffentlicht. Nur die Verschuldung der Haushalte mit Konsumentenkrediten beläuft sich auf ca. 2.6 Billionen US Dollar.

Eine weniger offizielle Quelle beziffert das gesamte private Schuldenvolumen am Ende von 2007 auf 13.7 Billionen US Dollar, dies würde etwa 10-11 Billionen an Immobilienkrediten entsprechen. Wenn davon jährlich 10 Prozent abgeschrieben werden müssen, kann sich jeder selbst ausmalen, warum die Rettungspakete so hoch sind. Und das ist nur der Privatsektor: Wie die Zahlen von oben zeigen, ist der Gewerbeimmobilienmarkt genau so betroffen. Hier geht man von weiteren 10 Billionen US Dollarn aus.

Doch es bleibt noch die zweite Frage zu beantworten:

Wer würde die Gewinne einfahren?

Schwierig zu beantworten, wenn es so scheint, dass es nur Verlierer gibt. Aus dem Bauch heraus würde ich sagen, alle die, die diese Papiere gekauft haben. Da fällt mir ein Großer ein — der Staat!

Vielen Dank an Eachtradingday.com für diesen Gastbeitrag.

Das Börsennotizbuch bietet seit Anfang 2009 Gastautoren die Möglichkeit, finanz-, wirtschafts- und börsenbezogene Artikel vor einem wachsenden Publikum zu veröffentlichen. Mehr dazu: Gast-Autor im Börsennotizbuch.

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3 Kommentare bis jetzt ↓

  • DECoien // 18. Mrz, 2009

    Moin Morvan,

    habe den Beitrag leider erst so spät entdeckt.
    Vielleicht noch eine Anmerkung zu meiner Position. Ich will nicht die Abschreibungen klein reden bzw. schreiben. Meine Position bezieht sich auf toxische Assets, deren Bewertung im Handelsbestand sich von diesen Ausfallrisiken gelöst hat und die aufgrund der Berechnungsmethoden und der Bilanzierungsvorschriften stärker abgeschrieben sind als es die Ausfallquoten rechtfertigen.
    Am Mittwoch geht es übrigens um Kreditkartenausfälle.
    Beste Grüße
    Dirk

  • Saviano // 18. Mrz, 2009

    Ich finde eure Beiträge äußerst interessant und wichtig. Auch die Tendenz des Marktes, zu Beginn der Krise zu wenig und zum Höhepunkt zu viel einzupreisen (oder in diesem Fall: abzuschreiben), ist auf jeden Fall nützlich zu erwähnen und zu analysieren.

    In diesem Zusammenhang beobachte ich persönlich etwas enger die implizierten Ausfallraten der Unternehmensanleihen (besonders dieser minderer Bonität) — hier wurde eine (so schwere) Rezession zunächst auch nur zögerlich durch höhere Zinsen (und Spreads zu den US-Staatsanleihen, der Benchmark) eingepreist. Nach der Lehman-Pleite jedoch schossen die Zinsen der (Junk)-Bonds senkrecht in die Höhe. Sie implizierten Ausfallraten jenseits von 15-18% — etwas, was sich als zu hoch erweisen kann…

  • Petra // 19. Mrz, 2009

    Danke für die tollen Informationen, die hier wirklich hilfreich zusammengefasst sind. Mir selbst fällt es ja oft schwer noch richtige Informationen und genauen Überblick über die momentane Lage zu erhalten, deshalb schmöckere ich zur Zeit sehr gerne auf Blogs. Ich muss das Ganze nun mal etwas wirken lassen, aber möchte wirklich anmerken, dass der Beitrag und sowieso die Seite sehr gelungen und eine Empfehlung wert sind!

    Gruß, Petra

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