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Deutschland macht wieder zu wenig!

19. März, 2009 · 2 Kommentare

Deutsche Konjunktur-Peanuts

Noch ist es nicht zu lange her als Deutschland eine lange, gefährlich lange wirtschaftliche Schwächephase hatte. Von 2001 bis 2004 (einschließlich) — das sind ganze 4 Jahre!entwickelte sich das deutsche BIP nur schleppend. Der Schock nach dem Platzen einer anderen Spekulationsblase, der Dot-Com-Börsenblase, in 2000 belastete die Bundesrepublik nicht zuletzt deswegen so lange, weil die Regierenden gerade in der Krise ein völlig absurdes Sparen und Kürzen betrieben haben.

Die Bundesregierung ließ sich von unter dem Druck steigender sozialer Ausgaben aufklaffenden Haushaltsdefiziten verunsichern und zeigte die hektischen (und laienhaften) Reaktionen eines Kleinsparers mit dem traurigen Resultat, dass am Ende nichts gespart werden konnte, die Haushalte sich weiter verschlechterten, die Menschen verunsichert wurden und die Wirtschaftsleistung stagnierte.

Erst die bereits seit einigen Jahren boomende Weltkonjunktur hat uns wieder auf den Wachstumspfad gebracht. Und dann schwanden sie alle schnell: die Defizite, die Arbeitslosenzahlen, die Verunsicherung…

So. Jetzt ist wieder Krise, und Deutschland macht wieder zu wenig.


Die ökonomischen Daten, die Geschwindigkeit der negativen Entwicklung, die Finanzmärkte und die Wirtschaftsexperten (die als letzte ;-) ) machen es deutlich, dass diese Krise die frühere in den Schatten stellen wird. Die US-Wirtschaft ist bereits über ein Jahr in Rezession (“offizieller” Beginn: Dezember 2007), und die deutsche sowie die europäischen Wirtschaften fahren gerade auch volles Tempo gegen die Wand. Aber was wird dagegen unternommen?

Deutschland, immerhin die drittgrößte Wirtschaftskraft der Welt, das ökonomische Herz Europas, hat ein zögerliches Konjunkturpäckchen geschnürt und die Abwrackprämie beschlossen. OK, es gab Hilfen für die Banken, aber hier würde ich noch einmal Wolfgang Münchau zitieren:

In Deutschland macht man es genau falsch herum. Man klotzt nicht genug bei Konjunkturpaketen – und bei der Geldpolitik wird ohnehin nicht geklotzt. Dafür droht man umso mehr bei der Rettung maroder Unternehmen zu klotzen. Anders formuliert: Wir machen nicht genug, um die Konjunktur zu stützen, dafür aber umso mehr, um den notwendigen Anpassungsprozess für einen Aufschwung zu verhindern. Das ist komplett verrückt.

Es ist freilich nicht nur Deutschland, dem Kritik gebührt — ganz Europa strengt sich viel zu wenig an und veranlasst etwa den Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman (der gerade durch den Alten Kontinent reist), tief besorgt über die europäischen ökonomischen Aussichten zu schreiben: A Continent Adrift.

Dabei hebt er — völlig zurecht — die bremsende Rolle Deutschlands beim “Krisenmanagement” hervor. Deutschland nimmt seine Verantwortung und Pflicht irgendwie nicht wahr, Deutschland sträubt sich, großangelegte und koordinierte Maßnahmen zuzulassen, ganz zu schweigen, energisch voranzutreiben oder (was man eigentlich erwarten müsste) anzuführen.

Eine sehr gute Rekapitulation von Krugmans Position (plus Kommentar) liest man heute auch von Thomas Strobl in der FAZ: Tadel vom Wirtschaftsnobelpreisträger. Europa ist in größter Gefahr.

Europa befindet sich nun in einer schwierigeren Lage als die USA, unternimmt aber deutlich weniger (by the way: Krugman hält selbst die amerikanischen Konjunkturmaßnahmen für zu klein; bei den europäischen spricht er geradeaus von “Zwerg-Maßnahmen”). Dabei drohen wichtige europäische Projekte gefährlich zu scheitern: die noch jünge Gemeinschaftswährung und die jüngste EU-Erweiterung um mehrere – milde gesagt – wirtschaftlich nicht bestens aufgestellte Mitgliedsstaaten. Sollten keine entschiedenere Gegenmaßnahmen getroffen werden, droht neben dem Schaden an (wichtigen und richtigen) politischen Mühen und Errungenschaften eine harte und lange Rezession.

In diesem Umfeld agiert Deutschland zu zaghaft, wenn nicht ignorant. Es kommt auf Wahnsinnsideen wie “Schuldenbremsen” und richtet infantil-schadenfroh den Zeigefinger auf die “Schulderer angelsächsischer Art”…

Stattdessen muss Deutschland viel mehr aktive Wirtschafts- und Finanzunterstützung leisten. Hierzulande und in Europa. Kleinliche Rechnungen und der Blick bis zur Landesgrenze sind ganz fehl am Platz. Wenn Griechenland oder Spanien in Finanznöte geraten, wird es uns hier nicht nach Monaten, sondern gleich nach Wochen spürbar schlechter gehen…

Leider wirken Konjunkturprogramme (und Geldpolitik) nicht nur mit einer zeitlichen Verzögerung, sie wirken erst, wenn sie rechtzeitig (sprich: frühzeitig) beschlossen werden und ausreichend groß sind (sprich: im Zweifel lieber mehr als weniger des Notwendigen).

Im Sommer/Frühherbst hatten, so mein Eindruck, die Medien einen sehr wichtigen Beitrag geleistet, um der Öffentlichkeit und den politischen Zentralen den Ernst der Lage zu verdeutlichen. Sie haben den politischen Prozess und somit die Verabschiedung der Konjunkturpakete beschleunigt. Jetzt sind mir die Medien jedoch etwas zu still geworden. Wir brauchen hier mehr. Die deutschen Politiker erkennen scheinbar nicht, dass noch viel und noch viel schneller unternommen werden muss.

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2 Kommentare bis jetzt ↓

  • D. Wilson // 19. Mrz, 2009

    Es ist erstaunlich, wie viele den Worten Krugmans nacheifern, ohne die tatsächlichen Hintergründe der Entwicklung “unseres” Finanzsystems zu kennen. Ich empfehle dringen die Bücher “Der Mythos vom Geld” und “Die Kreatur von Jekyll Island”. Wer sich mit der Geschichte des Finanzsystems, den handelnden Personen im Hintergrund und den Eignern der FED im Detail beschäftigt sowie die durch dieses System nominierten Nobelpreisträger einzuschätzen weiß, wird den obigen Artikel eher als Fauxpas in einem sonst sehr guten Blog verstehen. ;-)

  • Saviano // 19. Mrz, 2009

    Vielleicht für mich und die Leser dieses Blogs ein paar Stichpunkte, bevor wir die empfohlenen Bücher gelesen haben?…

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