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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Aktionäre bekommen kalte Füße…

26. Mai, 2006 · 2 Kommentare

Sie doch nicht, oder?…

An das Frühjahr 1994 denken die Aktienhändler an der Wall Street nur ungern zurück. Der Dow-Jones-Index verlor damals bis Ende März fast neun Prozent seines Wertes,

schreibt Torsten Riecke für das Handelsblatt. 9% in drei Monaten – oh, meine Güte! Dies als Beispiel für die Schrecken der Börse zu nehmen ist einfach lächerlich.

Dennoch, in der Tat lassen sich mehrere Parallelen zu den Jahren 1994-1995 ziehen. Auch Ed Yardeni hat lange ein Wiederholungsszenario der (frühen) 90er Jahre beschrieben.

Damals, nach der weltweiten Wirtschaftsschwäche und in vielen führenden Industrienationen Rezession (Deutschland hat sich, soweit ich mich erinnern kann, von diesem Trend recht deutlich wegen des plötzlichen Nachfrage- und Optimismusschubs der Wiedervereinigung entzogen), begannen sich die Börsen und die Wirtschaften allmählich zu erholen. Die Kurse stiegen, die Wirtschaftsdaten verbesserten sich, die USA nahm ein starkes Wachstumstempo auf – entsprechend stiegen auch die Inflationsrisiken und die Fed reagierte mit schnellen und stetigen Zinsanhebungen.

Als die Inflationstendenzen unangenehm hoch blieben, schraubte Alan Greenspan Ende 1994 überraschend den Leitzins um 75 Basispunkte nach oben (auf 5,50% und kurz darauf auf 6%), während am Markt etwa 50 BP erwartet wurden. Später sagte Greenspan (sinngemäß): Hätte ich die Zinsen um die erwarteten 50 BP angehoben, hätte dies kaum Auswirkungen auf die Finanzmärkte gehabt; die Inflationserwartungen wären nicht gedämpft und die Positionierungen (spekulative Risikopositionen) wären kaum angepasst. Aus wirtschaftlicher Sicht wären wahrscheinlich 50 BP ausreichend und angebrachter, aber mit den überraschenden 75 BP wurde auf einmal die Botschaft der Fed sehr deutlich: wenn nötig schicken wir die Konjunktur noch mal in die Rezession, nur Inflation wird es nicht geben.

Die Lage aktuell ist durchaus ähnlich. Ich glaube, bald werden die Marktteilnehmer verstehen (oder zu verstehen bekommen), dass es keine Inflation geben wird. Wenn nötig, wird die Wirtschaft sehr, sehr deutlich abgekühlt (bis in die Rezession zum Beispiel). „Don’t fight the Fed“, heißt es an der Wall Street und so würde ich alle Spekulationen, die von Inflation ausgehen bzw. auf Inflationsgedanken basieren, noch mal sehr kritisch überprüfen.

In 1994-1995 war es nicht nötig, die Wirtschaft bis Rezession abzukühlen. Ich glaube, dass sich unter anderem die Globalisierungseffekte bereits damals schon relativ deutlich entfalteten (Ölpreise spielten dennoch etwas anders mit), so dass die Wirtschaft auf ein inflationsneutrales Wachstumstempo (und dieses war auch nicht zu niedrig in den USA) zurückkehrte. Nach den anfänglichen Turbolenzen nach den finalen Zinserhöhungen (die oben beklagten 9% Rückgang) fingen sich die Börsen wieder und was folgte, war die größte Hausse seit vielen Jahren. Diese hatte natürlich weitere, ganz spezifische Hintergründe, startete aber aus einem sehr gesunden, starken Markt und sich glänzend entwickelnder US- und Weltwirtschaft.

Übertreibungen (wie Untertreibungen) kann natürlich keiner vorhersehen, denn sie sind wenig rational. Aber ein Anstieg der Aktien in den kommenden Jahren wird, glaube ich, nur allzu „rational“ sein.

Was uns noch fehlt ist die deutliche Erkenntnis der Marktteilnehmer, dass die Fed keine Inflation zulassen wird. Wenn dies kommt, ob durch einen Paukenschlag von Bernanke oder durch die Wirtschaftsdaten, werden alle Spekulationen, die auf Inflation aufgebaut sind platzen – und da sehe vor allem zwei Kandidaten, die um den „ersten Platz“ rennen werden: Rohstoffe und die Dollar-Shorts.

Die Zeit wird zeigen…

Nur, kalte Füße braucht man jetzt nicht zu bekommen (es sei denn man steckt bis zum Hals in kurzfristigen Hebelprodukten und Öl-Long-Zertifikaten…)

Kategorien: Analysen · Gesamtmarkt · Inflation · Sentiment · Wirtschaftsdaten

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