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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Warren Buffetts Brief an die Aktionäre, Februar 2008

3. März, 2008 · 4 Kommentare

Ich habe bereits Warren Buffetts Brief an die Aktionäre erwähnt, der, neulich erschienen, auch ein gehöriges Echo in der (englischsprachigen) Presse erfährt (die deutschen Ausgaben schenken dem wenig Beachtung, soweit ich sehe).

Ich möchte auf einige der Kommentare verweisen, aber zuerst natürlich noch einmal auf das Original: Shareholder Letter 2007 (vom Februar 2008) – PDF (denn nichts geht über “selber lesen”).

Wie bei jedem Brief spricht Buffett - natürlich – viel von der Entwicklung seiner zahlreichen Unternehmen, die im Holding (?) Barkshire Hathaway sind (unter den zahlreichen Unternehmen einige der größten sind GEICO, General Re, BH Reinsurance). Diese Angaben sind natürlich interessant, es werden Investments skizziert und die Entwicklungen, auf die Buffett besonders aufpasst. Unter anderem:

I should emphasize that we do not measure the progress of our investments by what their market prices do during any given year. Rather, we evaluate their performance by the two methods we apply to the businesses we own. The first test is improvement in earnings, with our making due allowance for industry conditions. The second test, more subjective, is whether their “moats” [Anm. "Burggraben"] – a metaphor for the superiorities they possess that make life difficult for their competitors – have widened during the year. All of the “big four” scored positively on that test.

Gewöhnlich aber lauschen die Börsianer auf Einschätzungen bezüglich der Marktsituation.

Bekannt ist, dass Berkshire Hathaway lange Zeit (konkret: während der Börsenhausse der letzten ein paar Jahren) auf riesige Cash-Bestände saß, weil Buffett und seine Manager zu wenig in ihrem Sinne gute Investments ausmachen konnten. Hier natürlich hat selbst Buffett betont, dass die schiere Größe der Barmittel natürlich das Universum der möglichen “Kandidaten” enorm einschränkt (es ist halt ein Unterschied, ob man sich in Bereichen von mehreren Millionen Dollar oder mehreren Milliarden Dollar bewegt). Für die Börsianer aber, sollte dies ein (kleines) Ausrufezeichen bzw. Fragezeichen in Hinsicht auf die Bewertung der Wertpapiere hervorrufen.

Ich möchte hier dennoch meine Einschätzung “zwischenschieben”: Für mich waren und blieben die Aktien eine attraktive Alternative, im Sommer 2007 nicht mehr günstig, vorher aber ein Kauf (und jetzt auch ein Kauf).

Aber zur Bewertung: In seinem Brief verweist Buffett auf die “ungesunden” Praktiken der Bilanzierung in den US-Unternehmen, besonders die Handhabung von Stock Options. Im Zweifel waren die echten Ergebnisse kleiner als die ausgewiesenen. Ich schreibe “waren”, weil sich die Praxis hier – nach Dekaden mit relativ weit geöffneten Toren für Bilanztricks – gebessert hat. Doch – wozu hätten wir Buchhalter, wenn diese nicht neue Türchen entdecken?

Decades of option-accounting nonsense have now been put to rest, but other accounting choices remain – important among these the investment-return assumption a company uses in calculating pension expense. It will come as no surprise that many companies continue to choose an assumption that allows them to report less-than-solid “earnings.” For the 363 companies in the S&P that have pension plans, this assumption in 2006 averaged 8%.

Also die companies arbeiten mit Annahmen für die Wertentwicklung ihrer Assets, die nicht immer realistisch sind. In einem Niedrigzinsumfeld, wie zur Zeit, ist die Aufgabe auf durchschnittlich und langfristig 8% zu kommen, alles andere als leicht. Buffett rechnet kurz vor:

The average holdings of bonds and cash for all pension funds is about 28%, and on these assets returns can be expected to be no more than 5%. Higher yields, of course, are obtainable but they carry with them a risk of commensurate (or greater) loss. This means that the remaining 72% of assets – which are mostly in equities, either held directly or through vehicles such as hedge funds or private-equity investments – must earn 9.2% in order for the fund overall to achieve the postulated 8%. And that return must be delivered after all fees, which are now far higher than they have ever been.

How realistic is this expectation? Let’s revisit some data I mentioned two years ago: During the 20th Century, the Dow advanced from 66 to 11,497. This gain, though it appears huge, shrinks to 5.3% when compounded annually. An investor who owned the Dow throughout the century would also have received generous dividends for much of the period, but only about 2% or so in the final years. It was a wonderful century.

Und die Assets, als Gruppe, werden wohl eher unterdurchschnittlich (abzüglich Gebühren und Kosten) performen. Also sind die Aussichten bei den Pension Funds nicht sehr rosig (oder sicher):

“Public pension promises are huge and, in many cases, funding is woefully inadequate. Because the fuse on this time bomb is long, politicians flinch from inflicting tax pain, given that problems will only become apparent long after these officials have departed. Promises involving very early retirement — sometimes to those in their low 40s — and generous cost-of-living adjustments are easy for these officials to make. In a world where people are living longer and inflation is certain, those promises will be anything but easy to keep.”

Buffett wird hier im Artikel der New York Times zitiert (auch Zusammenfassung seines Briefes): Buffett’s State of the World: There’s Folly in Wonderland

Etwas konkreter äußert sich Buffett bezüglich des Dollars — diese Position ist jedoch bekannt und bringt nicht viel neue Erkenntnisse. Der Dollar falle aufgrund der negativen Leistungsbilanz der Amerikaner:

Our country’s weakening currency is not the fault of OPEC, China, etc. Other developed countries rely on imported oil and compete against Chinese imports just as we do. In developing a sensible trade policy, the U.S. should not single out countries to punish or industries to protect. Nor should we take actions likely to evoke retaliatory behavior that will reduce America’s exports, true trade that benefits both our country and the rest of the world.

In diesem Zug erwähnt Buffett auch die “sovereign wealth funds”. Aber deren Handlungen seien einfach as dem Tun der Amerikaner “hervorgerufen” — die USA muss (aufgrund der negativen Leistungsbilanz) Kapital importieren (das sind doch die zwei Seiten der selben Bilanz); wenn jetzt die ausländischen Investoren nicht alleine bonds (Anleihen) kaufen, sondern auch in Aktien diversifizieren, so ist dies nur natürlich. Etwas zum Thema sovereign wealth funds (sowie über die derivativen Produkte, in denen Bershire Hathaway auch noch einige Positionen hält) im Artikel “2 Noteworthy Points From Warren Buffett’s Annual Shareholder Letter” von Chad Brand.

Auch zu den derivativen Produkten (die Buffett einst “weapons of mass destruction” nannte) beim Marketbeat mit dem witzigen Titel “Omaha: A Country for Old Men“.

Interessante Bemerkungen zum Thema Volatilität findet man bei David Merkel in “Berkshire Hathaway – The Anti-Volatility Fortress“.

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4 Kommentare bis jetzt ↓

  • egghat // 3. Mrz, 2008

    Der Buffet ist schon cool. Ich mag vor allem seine Perspektive, die eben im Gegensatz zu den meisten Börsianern von heute weiter als 30 Jahre zurückgeht.

    Denn dann kann man auch sehen, warum die Aktien in den letzten 25 Jahren so gut liefen. Weil sie davor so schlecht liefen … Weil die Bilanzen damals extrem konservativ waren und voller stiller Reserven steckten (man muss halt alles abschreiben und durfte quasi nie zuschreiben). Und weil die KGVs damals unter 10 lagen, die Dividendenrendite über 5 und das Kurs-Buchwert-Verhältnis bei 1,1 (unter der Berücksichtigung der per Abschreibungen permanent reduzierten Buchwerte). Das ging einher mit einem Zins für Anleihen von 10% die dann über 2 Jahrzehnte auf weniger als 4% fiel.

    All das hat in Kombination dafür gesorgt, dass Aktien 2 Jahrzehnte lang eine suuuupergute Anlage waren. Aber so außergewöhnlich gute Zeiten werden wir nicht mehr sehen. In den Bilanzen stecken statt stillen Reserven jetzt heiße Luft und der Turbo von der Zinsseite wird ebenfalls ausbleiben.

    Das heisst nicht, dass man keine Aktien kaufen sollte. Es heisst aber auch, dass man mit gezielten Anleihenkäufen auch gutes Geld verdienen kann.

    bye egghat

  • Saviano // 3. Mrz, 2008

    Als kleiner (optimistischer) Einschub: Die wirtschaftlichen “Transformationen”, die uns zwei Jahrzehnte sehr gute Entwicklung beschert haben, haben meiner Meinung nach immer noch Bestand. Diese sind außerdem durch große positive politische Fortschritte flankiert und von einer Welt, die global gesehen noch bessere Voraussetzungen für Wachstum und Prosperität haben könnte als die 70er. Mit etwas Fantasie können die nächsten 20 Jahre auch ansehnlich verlaufen und noch eine Milliarde Menschen auf die moderne Produktivität, (mehr) Demokratie und Wohlstand aufschließen lassen.

  • egghat // 3. Mrz, 2008

    Du magst ja Recht haben, bei komplett und total globalisierter Sicht. In Deutschland wachsen die inflationsbereinigten Löhne schon seit 10 Jahren nicht mehr. Und wenn man fair ist in den USA auch nicht. Die letzen 5 Jahre Konsum wurden über den Immobilienmarkt finanziert.

  • Saviano // 9. Mrz, 2008

    Ja, ja — noch etwas zu meinem “optimistischen Einschub”: Daron Acemoglu – Platz für kreative Zerstörer — ein Artikel aus der FTD.de (WirtschaftsWunder) über Demokratie, Wirtschaftswachstum und ökonomischen Fortschritt.

    Daraus:

    Der Motor des heutigen Wachstums sind die neuen Technologien, so wie es im 19. Jahrhundert die neuen industriellen Techniken waren. Wir stehen damit heute an einem Punkt, an dem derselbe Wachstumsprozess, der in den vergangenen 200 Jahren ein so starkes Ungleichgewicht entstehen ließ, nun der Motor dafür sein könnte, in den nächsten 50 Jahren die Lücke zwischen den reichen und armen Nationen zu schließen.

    Lesenswert.

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