Die passende Anknüpfung zum vorherigen Beitrag “Germany is back!”?
Ja und nein.
Die Sache ist, dass der Markt angeblich neue Risken erkannt hat. Wenn man so manchen Finanzjournalisten liest, kann man – vielleicht unberechtigt und etwas gemein – schmunzeln: da erwacht aber erstaunlich schnell die durch die Wirtschafts- und Börsenentwicklung in den letzten Jahren gestrafte Skepsis und Schwarzmalerei. Als ob dieser latente Pessimismus, dieses „Es-kann-Amerika-nicht-gutgehen“ wieder gleich zur Stelle wäre, wenn die großen Indizes um einigen wenigen Prozentpunkte zurückgehen.
So lesen wir in der Zeit.de:
Den USA droht die größte Finanzkrise seit Jahren. Allein die amerikanische Notenbank kann den Märkten jetzt Stabilität verleihen – doch nur auf kurze Sicht. Langfristig bleibt die Lage wacklig.
Zeit.de, Schmerzhaftes Erwachen
Die größte Finanzkrise? Ganz schön grausig, was? Und die Lage sei langfristig auch noch „wackelig“? Wie kommt man darauf?
Man argumentiert erstmal mit den besagten „neu entdeckten Risiken“ und dem Phänomen aus der Bevafioral Finance „Limited Attention“ („knappe Aufmerksamkeit“). Und dann wird auf die Auswirkungen der Immobilienkrise auf die Banken hingewiesen – für sie könnten (erhebliche) Verluste entstehen, falls die Immobilienpreise fallen würden. Als Testimonial wird natürlich Alan Greenspan zitiert – doch nicht ganz korrekt und ziemlich aus dem Kontext seiner Aussagen herausgenommen (zum Vergleich – die Aussagen von Greenspan etwas ausführlicher).
Wie der Autor selbst anmerkt, galt lange Zeit die Immobilienblase in den USA als ganz präsente Gefahr. Wer die Entwicklung und die Diskussionen an den Börsen in den letzten Jahren näher verfolgt hat, weiß es: die Immobilienblase, die unweigerlich platzen würde, war immer ein Risiko-Faktor, eine Besorgnis und der Grund für viele, ziemlich vorsichtig mit Aktien-Engagements umzugehen. Eine Menge der „Limited Attention“ galt also schon dem Immo-Sektor seit langem. In der Tat, die Blicke richteten sich eher auf die konjunkturellen Auswirkungen, auf den dann wohl zurückgehenden (kollabierenden) Konsum, und somit auf die zukünftigen Gewinne der Unternehmen. Jetzt sehen wir eher Schwierigkeiten im Finanzsektor – schon etwas anders, aber doch nicht so unterschiedlich.
Zweitens, für eine Krise aus dem Immobiliensektor bedarf es eines deutlicheren Sinkens der Preise. Für die Leser (bei weitem nicht nur dieses einen Artikels) kann leicht der Eindruck entstehen, die Immobilienpreise in den USA stürzen momentan ab. Tatsächlich haben sie aufgehört, stark zu steigen; in einigen – wohl überhitzten – Regionen sind sie gesunken; insgesamt stagnieren sie (oder etwa im Monatstrend sind leicht zurückgegangen). Aber noch sind kein Absturz und kein Sinken auf breiter Front zu sehen. Hier ein paar Chats zum US-Immobilienmarkt (man kann sich auch die Preisentwicklung in UK und Australien anschauen, die den US hier etwa anderthalb Jahren voraus waren/sind).
Das heißt natürlich nicht, dass uns dies nicht passieren kann. Aber: was stark gesunken ist, sind diverse Indikatoren, die die Verfassung am Immobilienmarkt aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten: das sind die Verkaufszahlen, Neubauten, Baugenehmigungen, Hypothekenanträge etc. Die Aktivitäten am Immobilienmarkt haben sich insgesamt deutlich abgekühlt. Aber, wenn man auf die Zahlen näher schaut, könnte man, folgende Hypothese aufstellen: insbesondere die Bauunternehmen haben so rapide das Angebot reduziert (wohl aus Angst vor der Blase), dass es den Preisen nicht ganz leicht gelingen wird, massiv zu fallen.
Die Lage soll aber – klar – unter Beobachtung bleiben.
Trotzdem: bloß nicht in die „Limited Attention“-Falle hineingeraten: die Rahmenbedingungen für die weitere Börsenentwicklung sind nicht auf die Immobilienlage begrenzt, zumal schon etliche Blicke dorthin gerichtet sind. Die Zinsen bleiben zum Beispiel niedrig, die Spreads (etwa zu den Hochverzinslichen) sind nicht viel gestiegen. Und die Weltwirtschaft bleibt bei moderater Inflation auf einem Wachstumskurs.
9 Kommentare bis jetzt ↓
Olaf // 19. Mrz, 2007
Die Preise werden fallen, nur Geduld: “Die Zahl der in Zwangsvollstreckung befindlichen Hypothekenkredite ist im vierten Quartal 2006 auf den höchsten Stand seit 37 Jahren gestiegen. Viele Hausbesitzer können ihre Hypotheken nach den Zinssteigerungen der letzten Monate nicht mehr bedienen.” (Die Angst vor dem Ausverkauf)
Saviano // 19. Mrz, 2007
Im angeführten Handelsblatt-Artikel steht zum Beispiel:
“Weil Hypotheken heute auch in den USA meist nicht mehr vom ausgebenden Institut gehalten, sondern gebündelt und über so genannte „mortgage-backed securities“ am Markt refinanziert werden, ist das Risiko breiter gestreut. Der Markt für diese Hypothekenanleihen in den USA hat ein Volumen von 6 500 Mrd. Dollar, und jeder Schneeball kann zur Lawine werden.”
Dass das Risiko breiter gestreut ist, wird nicht als Stabilisierungsfaktor, sondern als potenzielle Ausbreitungsgefahr gedeutet? Ist dies vernünftig?
Wie auch immer – die Krise kann sich verschärfen, keine Frage – Geduld ist gut. Die Frage ist, ob man investiert und geduldig bleiben soll? Ich meine, eher ja.
koester // 21. Mrz, 2007
Natürlich werden die US-Immo-Preise weiter fallen
-endlich-
Man soll es einfach nicht für möglich halten wieviel Luft in den letzten Jahren in diesem Immobilienspekulationsballon noch Platz hatte.
Für den Börsenspekulanten sollten jetzt bald in den USA bessere Zeiten anbrechen.
Zuviel Geld haben die Immobilienmärkte gebunden, was die Börse nach der Baisse doch viel dringender gebraucht hätte.
Die US-Werte sollten hier langfristig von profitieren.
Saviano // 22. Mrz, 2007
Vielleicht haben Sie recht, sogar mit dem “natürlich”. Ich würde allerdings nur von leicht fallenden Preisen ausgehen und behalte mir außerdem vor zu erwarten, dass die Immobilienpreise im Schnitt nicht sinken werden.
Aber ihr zweiter Gedanke gefällt mir ausgesprochen, denn diese Sichtweise ist kaum noch irgendwo zu hören. Ich habe früher auf einen solchen Liquiditätsimpuls für die Aktien-Märkte hier und da hingewiesen. Und ich halte den Gedanken noch als sehr spannend (und eventuell richtig – letztendlich ist es eine spekulative Ãœberlegung). Zum Beispiel im Buy That Earnings Yield (Freisetzen von Liquidität, die anderweitig gebunden ist, unter anderem Immobilien), oder auch im Sommer der Wahrheit.
Sobald sich die psychologischen Wogen etwas beruhigen, könnte tatsächlich mit mehr Liquidität für die Aktien gerechnet werden.
koester // 23. Mrz, 2007
Vom Prinzip her funktionieren doch Immobiliemärkte mit Ihren Zyklen ähnlich wie auch die Aktienmärkte.
Übertreibungsphasen führen gegen Ende zwangsläufig immer zum Platzen der Spekulationsblase.
Besonders während der Börsenbaisse ab Mitte/Ende 2000 bis heute sind Milliarden von US-Dollars an den Aktien und Anleihe Märkten vorbei in den Immobiliemarkt geflossen.
So war es doch für den US Bürger fast risikolos seine Immobilieinvestitionen möglichst vollfinanziert mit kleinem Zins zu finanzieren.
“Ja, wer kauft denn dann noch Aktien, die zudem allen in der letzten Vergangenheit soviel Schmerzen verursacht haben.
Zudem gibt es nur zurückhaltend Kredite der Banke für Aktienkäufe.
Anders bisher beim US Immobilienkauf : “ohne Risiko”.
Die Banken wurden in den vergangenen Jahren stets immer großzügiger und geben dann letztlich in der Ãœbertreibungsphase sogar höhere Kredite auf Immobilien, als ein Erwerber zum Kauf benötigt, weil eben diese Immobilien “garantiert stetig steigen”.
Aber das tun Sie nun eben nicht, zumindest nicht bis zum Nimmerleinstag.
Da ich selbst leider zuviel Immobilien besitze, interessiere ich mich natürlich zwangsläufig für diese Märkte, und habe immer mit neidischen Augen über den Atlantik geschaut.
Wäre die Immowelle doch auch hier nach Deutschland geschwappt. – dann hätte ich gerne mich von meinen Arbeits-und Ärger Intensiven Anlagen bei steigenden Preisen getrennt . – leider vergebens-
So bin ich in der nächsten Zeit gerade besonders für die US Aktienmärkte langfristig sehr positiv gestimmt, auch wenn es hier durch (Bank) (Immo) Pleiten es immer mal wieder kurze Korrekturen auftreten werden, so wie dies ja in den letzten Wochen geschehen.
Die Umlaufrenditen sind ebenfalls in den USA noch niedrig und ziehen deshalb auch keine Liquidität vom Aktienmarkt mehr ab.
Es wird sich zeigen, wer letztlich Recht behält die Pessimissten oder die Optimissten.
Ich jedenfalls bin immer froh, wenn es noch genügen Pessimissten gibt.
Saviano // 23. Mrz, 2007
Ich hoffe, Sie zählen mich mit Eindeutigkeit zu den Optimisten… Für die Immobilien werden wahrscheinlich nun schwierigere Zeiten anbrechen, aber auch hier bin ich eher auf der optimistischen Seite – wenn “wir” Glück haben, werden die Immo-Preise eine längere Konsolidierungsphase einlegen, und die Inflation wird ihr Ãœbriges tun.
Was ich hoffe, dass uns aus dem typischen Spekulationszyklus retten> kann, sind niedrige Zinsen und gute sonstigen Fundamentaldaten. Der Markt, denke ich, wird weiterhin eine gute Liquiditätsversorgung erfahren, die letztendlich durch massive Produktivitätszuwächse (z.B. in den Schwellenländern) ermöglicht wird.
Auch angesichts der anderen Anlage-Alternativen, eröffnen sich auch in meinen Augen sehr aussichtsreiche Perspektiven für die Aktien.
koester // 24. Mrz, 2007
Das überwiegende Publikum ist doch noch überwiegend “Pessimistisch.”
-Oder, man könnte vielleicht auch sagen, das viele einfach nach Gründen suchen, warum man derzeit keine Aktien kaufen soll, obwohl doch die Börsen seit über 3 Jahren wieder haussieren.
In den 70 igern und 80 iger Jahren war es nach einer Baisse immer so, das sich
bei den Menschen nach spätestens 1,5 Jahren der Pessimismus des überwiegenden Publikums langsam aber stetig wieder in einen Optimismus “gewandelt hat, besonders dann , wenn die Börsen haussieren, und man ja als Dauerpessimist hier nicht profitiert. –
Dann kommt regelmäßig die wunderbare Wandlung des breiten Publikums-
Dieser Zeitrahmen gilt aber diesmal deshalb nicht, weil die letzte Baisse so sehr lang und so sehr viel Schmerz unter den vielen grenzenlosen Optimisten verursacht hat.
Hier ist dann jedoch nur ein entsprechender Zeitzuschlag zu addieren, und schon bald werden dann Kommentare wieder zu lesen sein, wo man meinen könnte, die Autoren hätten aus dem Fundus der späten 90 iger Jahre kopiert.
Um den Markt einzuschätzen, und mögliche Entwicklungen und GEFAHREN frühzeitig zu erkennen, mach ich fast ausschließlich meine eigenen Analysen.
So ist es für meinen OPTIMISMUS durchaus positiv wenn in der Zeit steht, “den USA droht die größte Finanzkrise seit Jahren”.
Die Optimisten könnten so argumentieren, das diese Kommentare von den Pessimissten stammen, die doch unbedingt nachvollziehbare Gründe suchen, warum man die Hausse der letzten drei Jahre an der Börse verpasst hat.
Timur // 25. Mrz, 2007
Wie sagte doch André Kostolany einst so treffend:
Der Tag, an dem der sonst hartnäckige Optimist zum Pessimisten wird, ist höchstwahrscheinlich der Wendepunkt in der Kurstendenz. Und natürlich auch umgekehrt. Wenn der eingefleischte Pessimist zum Optimisten wird, muss man so schnell wie möglich aus der Börse aussteigen.
Saviano // 26. Mrz, 2007
@koester: Ich habe genau den gleichen Eindruck wie Sie – noch ist Pessimismus “fein” und “intellektuell richtig”. Wer nicht mindestens 3 trifftige Gründe für einen Zusammenbruch der Weltwirtshaft sieht, gilt mehr oder weniger als naiv. In den letzten 2-3 Monaten hat sich dieses Bild im Zuge der steigenden Kurse (im 4. Jahr der Hausse!) etwas ausbalanciert, aber die jüngsten Turbolenzen scheinen, die Ängste und die Skepsis sofort wieder erweckt zu haben. Das “beruhigt” mich etwas – die Aktien haben guten (psychologischen) Boden, um weiter zu steigen …
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