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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Der Tag nach der “kalten Dusche”

1. März, 2007 · 8 Kommentare

Also, nach dem gestrigen Mini-Schock an den internationalen Börsen, scheint sich heute die Lage etwas zu beruhigen. Die Börse in Schanghai schließt mit einem deutlichen Plus, auch in den USA verabschiedet sich der Tag mit grünen Vorzeichen. Tokio und Europa setzten die Bewegung nach unten zwar fort, aber Panik ist ausgeblieben. War’s das?

Natürlich nicht. Aus der unmittelbaren Reaktion am Tag danach kann man zwar gewisse Schlüsse zu ziehen versuchen, aber auch nicht mehr. Irgendwie plötzlich hat sich die Wahrnehmung der Börsen-Akteure geändert, es sind auf einmal Risiken da, die eingepreist werden müssen.

Zum Beispiel wendet sich Robert von Heusinger zunächst dem kräftigen Anstieg der Volatilität. Dies habe ich auch gestern gleich in den Raum geworfen. Heusinger spricht von den Risikopositionen, die bei einer nun höheren Volatilität reduziert/angepasst werden müssen. Dies wird die Banken und größeren Börsen-Spieler die nächsten Tage wohl beschäftigen:

Wenn aber die riskanten Positionen abgebaut werden müssen, heißt das nichts Gutes für Aktien, Junk-Bonds und Schwellenländer-Titel – auch wenn am Dienstag alles nach angespannter Ruhe aussah. Das passiert in den nächsten Tagen und Wochen. Denn auch die Zocker wissen, dass sie alles kaputt machen, wenn sie ihre Positionen sofort schließen. Zumindest diese Händler, die noch freie Risikobudgets besitzen oder neue gewährt bekommen, können so handeln. Den Fall-out des Schocks werden wir in den kommenden Tagen beobachten können. Hier ein Hedgefonds, dort eine Gewinnwarnung einer Investmentbank. On verra!

Herdentrieb, Der Tag danach

Andererseits scheinen sich diese Akteure momentan beriets ziemlich hektisch abzusichern (vgl. Kommetar zu Die guten alten Volatilitäten). Nicht dass sie sich über-absichern

Als zweites verweist er auf die Zinsgefahren insbesondere im niedrigen qualitativen Bereich in den USA. Sehr wichtige Meldungen. Über die gestiegenen Ausfallraten bei den Sub-Prime-Hypotheken habe ich auch im Kommentar zu Einige Gedanken über Zinsen, Immobilien und den Dollar verwiesen. Das Horror-Wort hierzu heißt Credit Crunch.

Neben den Hypotheken (ich vermute, darauf will auch von Heusinger überleiten) machen mir eher die Unternehmensanleihen niedriger Qualität (die so genannten Junk Bonds) Sorgen. In diesen Tagen habe ich von erhöhter Emissionsaktivität in diesem Markt gelesen (den Link suche ich ein anderes Mal). Und dies zu einem Zeitpunkt als die Risikoprämien sehr niedrig und der Konjunkturzyklus eigentlich zu kippen droht. Ich erwarte zwar nicht, dass er kippt, aber die Wahrscheinlichkeit ist da. Und auch wenn die Wirtschaft sich hält, drohen die Margen zu stagnieren bzw. zu sinken.

Mit einem Wort: die Zinsen von Krediten mit niedriger Qualität scheinen nicht die entsprechenden Risiken sauber zu reflektieren. Bei entsprechenden Ereignissen kann hier schnell eine saftige Korrektur entstehen. Einen Junk Bond Kollaps hatten wir ja auch unmittelbar vor den Rezessions- und Baisse-Jahren in 1989.

China – da gebe ich von Heusinger Recht – war nur ein Nebenschauplatz.

Trotzdem, ich glaube Panik und plötzliche Schwarzmalerei ist nicht angebracht. Bis vor gestern schien alles ziemlich ruhig und rosig – die Börsianer haben sich etwas weiter nach vorne gewagt. Vielen schaudert es ziemlich bei dem Gedanken, wieder von einem Baisse-Markt erwischt zu werden, wo sie gerade (höchstens 500-1000 Punkten tiefer) gekauft haben. Das korrigieren und sichern wir jetzt ab. Für diejenigen, die schon lange Positionen halten, die die mittel- bis langfristigen Perspektiven berücksichtigen (das misst man in mehreren Jahren, nicht Wochen) hat sich die Lage nicht wesentlich geändert. Haben wir denn nicht Korrektur erwartet? Kann denn nicht in jeder Marktphase und Situation ein 10-prozentiger Kursrutsch passieren? Wer von solchen Ereignissen die Nerven verliert, hat an der Börse wenig zu suchen.

In meinen Augen ist die Lage noch stabil. Ich gehe zwar auch von einer Fortsetzung der Korrektur aus, aber ich habe auch die sonst niedrigen Zinsen im Blick. Noch etwas tiefer und es werden sich genug harte Hände finden, die gut wirtschaftende Unternehmen werden kaufen wollen.

Von Heusinger rät uns die Carry Trades Situation zu beobachten. Beobachten wir. Ich rate auch den Junk Bond Markt nicht aus den Augen zu lassen. Alles andere wird schon passen.

Kategorien: Analysen · Frontpage · Gesamtmarkt

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8 Kommentare bis jetzt ↓

  • Saviano // 1. Mrz, 2007

    Nun ja, es geht weiter abwärts… Und wenn man sich die Worte von Robert von Heusinger von gestern in Erinnerung ruft:

    “Zu allererst auf den Yen-Carry. Das war und bleibt die Sollbruchstelle des globalen Kapitalismus. Wenn der Yen diese Woche noch drei oder vier Yen gegenüber dem Dollar gewinnt, dann gute Nacht”.

    … und auf den Yen heute schaut …

    Vielleicht wird es nur denjenigen gut gehen, die bereits schlafen (mit oder ohne Schlaftabletten). Wenn Sie mich verstehen …

  • Gerry // 1. Mrz, 2007

    Gerade zu Krisenmomenten ist es besonders erfreulich, dass der “Herdentrieb” eine wesentlich globalere Sicht hat als die eurozentrischen politischen Leitartikel der “Zeit”, die den Fernen Osten noch als exotische Gegend wahrnehmen wie vor 100 Jahren.

  • kapitalmarktexperten.com » Dax fällt im Tagesverlauf unter den 2006er Schlussstand // 1. Mrz, 2007

    [...] Wie ich bereits in meinem Beitrag vom 28.02.2007 schrieb, werden sich die Turbulenzen auch in den nächsten Wochen weiter fortsetzten, wobei wir uns sicher noch weiter von den 7.000 entfernen werden. Ich halte es durchaus für die nächsten Monate für möglich, dass wir uns den 6.000 Punkten annähern werden, bei steigenden Volatilitäten, wie es auch die Kollegen von boersennotizbuch.de sehen. [...]

  • Saviano // 6. Mrz, 2007

    Nun, wissen Sie worauf ich jetzt warte? – Dass der Yen sogar noch weiter steigt und … nichts passiert. (Die von Robert von Heusinger befürchteten drei-vier Yen sind ja fast erreicht).

    Carry Trades – wer versteht sie schon? Ich mache mir natürlich ein paar Gedanken über sie und immer wieder komme zu der Ansicht, dass die gefährlichen Verwerfungen, die aus einer Panne resultieren würden, stark ansteigende Zinsen (in den USA) sind. Ich achte also lieber auf die Zinsen – es sind die Zinsen… (Stupid, will ich hier aber lieber nicht hinzufügen).

  • US-Immobilien: Krisen-Vergleich 1990 und 2007 • Börsennotizbuch // 4. Jun, 2007

    [...] Ich würde, dennoch hinzufügen, dass 1990 eine – kleine, aber immerhin – Rezession in den USA herrschte, der 1989 der sog. “Junk Bond Market Collapse” vorausging (daher mein Beitrag von früher: Der Tag nach der “kalten Dusche”). Darüber hinaus war die Invasion von Saddam Hussein in Kuwait nicht gerade das beste politische Umfeld in einem Markt, der seit 1982 boomte (und zwischenzeitig vom 1987er Crash kalt, aber vorübergehend erwischt wurde). [...]

  • Vorsicht die Zinsen steigen! • Börsennotizbuch // 7. Jun, 2007

    [...] Was noch schiefgehen kann sind die Zins-Spreads bzw. ein Crash am Junk-Bond-Markt. [...]

  • Die Zinsen sind bereits ein Thema • Börsennotizbuch // 11. Jun, 2007

    [...] Die höheren Zinsen werfen also die Frage nach der aktuellen Liquiditätsversorgung des Marktes auf. Die Tendenz ist im Zweifel negativ, denn die Zentralbanken weltweit eher Zinserhöhungen durchführen, und jetzt auch noch die langfristigen Zinssätze in den Schlüsselmärkten steigen. Trotzdem zeigen diverse Indikatoren keine schlechte bzw. kritische Liquiditätssituation an, wie z.B. die wachsenden Geldmengen, die zunehmenden Währungsreserven (außerhalb der USA) – stimmt das noch, eigentlich? – und auch etwa die Betrachtung der Unternehmensanleihen (Zins-Spreads und Junk-Bonds habe ich schon mal an anderer Stelle erwähnt). So schreibt Mike Santoli Interessantes: Moving beyond the history lessons, though, there are some encouraging aspects of the markets’ action that suggest that this pullback in stocks (partially reversed with Friday’s rally) is probably not the Big One, so to speak. [...]

  • Dollar statt Yen als Carry-Trade-Währung • Börsennotizbuch // 26. Nov, 2007

    [...] Bloomberg.com, Dollar Displaces Yen, Franc as Carry Trade Favorite (Update1) Seit langer Zeit konzentrierte man sich auf den Yen-Carry-Trade. Hier gab es auch sehr ernsthafte Befürchtungen, die – zum Glück – so nicht eingetreten sind (ich verweise hier auf den Beitrag von Robert von Heusinger “Der Tag danach“, 28.02.2007: “Das war und bleibt die Sollbruchstelle des globalen Kapitalismus. Wenn der Yen diese Woche noch drei oder vier Yen gegenüber dem Dollar gewinnt, dann gute Nacht. Dann waren die Verluste am Montag nur der Amuse gueule”. Ich habe zunächst hier: Der Tag nach der “kalten Dusche” und im August auch hier: “Warum steigt der Dollar?” kommentiert, natürlich auch mit meinen “Unzulänglichkeiten”). [...]

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