Das Wirtschaftswachstum in den USA für das dritte Quartal wurde gestern von 3,9 auf 4,9 Prozent (also um einen ganzen Prozentpunkt) nach oben revidiert. 4,9 Prozent ist nun … hm … eine Hochkonjunktur. Keine Spur also von Abschwung oder Verlangsamung (mit der neuen Zahl ist es eigentlich eine Beschleunigung des Wirtschaftswachstums von 3,8% im zweiten Quartal)? Keine Spur von der Hypothekenkrise und der Bankenmisere?
In der Tat, die revidierte Zahl erscheint zu hoch. Es ist klar, dass die Krise im dritten Quartal noch keine großen Auswirkungen zeigen konnte, aber immerhin startete sie “offiziell” etwa gegen die Mitte des Quartals. Vielleicht hatten die Konsumenten, die Unternehmen, die Kapitalmärkte etc. noch keine Zeit, richtig zu reagieren, aber dann doch: es waren anderthalb Monate?…
Das “Schlimmste” – die 4,9 Prozent passen natürlich nicht so richtig in den bearischen Szenarien, so dass Kritik an den Berechnungsmethoden laut wird. Diese Kritik kann und will ich nicht als tendenziös abtun — eigentlich enthält sie wichtige Aspekte und, sehr wahrscheinlich, auch eine Menge Wahrheit.
Zunächst die Daten: Gross Domestic Product, Third Quarter (Preliminiary).
Dann zum Beispiel diese etwas “faktische” News-Meldung: U.S. Economy Expanded at 4.9% Rate in Third Quarter (Bloomberg) und die kurze Analyse von Wall Street Journal: Bernanke Adds to Rate-Cut Hints.
Zur Kritik kann man als Anfang etwa die Beiträge von egghat und Barry Ritholz lesen.
Der wichtigste Punkt des Zweifels: der Preis-Deflator wurde einfach viel zu niedrig angesetzt. Es wird mit einem rekordtiefen (Ritholtz) Deflator von 0,9 Prozent gerechnet, und zwar zu einer Zeit, in der jeder irgendwie das Gefühl hat, die Preise ziehen kräftig an. Etweder stimmt also etwas an der Berechnung des Preis-Deflators nicht oder (weitaus schlimmer) wir haben es hier mit einer (unerträglichen!) Manipulation seitens der offiziellen Stellen (der Regierung) zu tun (frei nach Ritholtz). Ich persönlich bleibe lieber bei der eventuell falschen Berechnung.
Gut, aber auch mit etwas höherer Inflationsanpassung bleiben wir in Regionen um die 3 Prozent reales Wachstum, was auch nicht gerade mager ist.
Der zweite Punkt (wie gesagt: diese Punkte verdienen durchaus Beachtung) ist der etwas zu hohe Beitrag des Lageraufbaus, was dann unter Umständen im vierten Quartal “nachgeholt” bzw. als Wachstumstreiber fehlen wird.
Drittens, die Gewinne und der Cash-Flow im Unternehmenssektor sind rückgängig (aus dem offiziellen Report, Link oben):
Profits from current production (corporate profits with inventory valuation and capital consumption adjustments) decreased $19.3 billion in the third quarter, in contrast to an increase of $94.7 billion in the second quarter. Current-production cash flow (net cash flow with inventory valuation and capital consumption adjustments) — the internal funds available to corporations for investment — decreased $22.1 billion in the third quarter, in contrast to an increase of $37.4 billion in the second.
Alles in allem: obwohl sie sich sehr gut anhört, ist die Zahl nicht nur rosig. Die Wirtschaft in den USA, kann man wohl sagen, war bis in das dritte Quartal dieses Jahres gut unterwegs, die Konjunktur lief auf Hochtouren. Gleichwohl, scheinen die Gewinne der Unternehmen nicht mehr so locker mitzusteigen (im Gegenzug verbesserte sich auch im dritten Quartal die Situation der Verbraucher). Die große Unbekannte bleibt, wie abrupt dies alles jetzt im vierten Quartal (nach den Kapitalmarkterschütterungen) enden kann/wird.
Die Fed läßt sich erstmal von der (guten) Vergangenheit nicht beruhigen und handelt. By the way, Deflator hin oder her, die Wirtschaft soll mit ca. 5,9 Prozent nominell gewachsen sein. 10-jährige US-Bonds werfen aktuell unter 4 Prozent – auch nominell – ab.
Keine Kommentare bis jetzt ↓
Noch hat keiner kommentiert - machen Sie den Anfang!
Kommentieren: