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Konjunkturprogramm: In Deutschland ein “Tabu-Wort”, aber gebraucht mehr denn je

20. Oktober, 2008 · 1 Kommentar

Just vor wenigen Tagen schrieb Thomas Fricke für die FTD über dieses Kuriosum der deutschen Wirtschaftspolitik — das Wort “Konjunkturprogramm” ist hierzulande ein Tabu:

In Deutschland darf man Bücher über das Ende des Kapitalismus, den Untergang der Globalisierung, die Basarökonomie oder Feuchtgebiete schreiben. Nur bei einem Wort hört die Toleranz auf: Konjunkturprogramm. Das könnte erklären, warum deutsche Politiker schonmal kuriose Wortkonstruktionen erfinden (“Anti-Rezessionsprogramm”). Und es könnte erklären, warum die Institute im neuen Herbstgutachten eine so eindrucksvolle intellektuelle Akrobatik vorführen, Konjunkturprogramme (was denken Sie!) ablehnen, um sie de facto und mit hoher Ãœberzeugungskraft dann zu fordern, ohne – wo kämen wir hin! – das Unwort auszusprechen.

Nein, bloß kein Konjunkturprogramm! Nicht in Deutschland! Auch wenn die Konjunktur in eine richtige Rezession abrutschen kann (vgl. aktuelle Schätzung von der Deutschen Bank). Auch wenn ganz Europa ohne gezielte Stimulierung der Wirtschaft kaum einer Rezession entgehen kann (s. z.B. Euro-Raum am Rand der Rezession). Fehlende wirtschaftspolitische Impulse bzw. das falsche Sparen in der Krise haben uns nach 2000 die längste Schwächeperiode seit Jahrzehnten gebracht, einen andauernden Konjunkturabschwung, der lange nicht aufhören wollte als andere Industrieländer aus unserer nahen und ferneren Nachbarschaft bereits kräftig wuchsen. Aber ein Konjunkturprogramm kann nicht richtig sein, das ist wohl endgültig geklärt…

Dabei fallen die Konjunkturindikatoren schnell. Zunächst natürlich die Erwartungen, dann die Beurteilung der aktuellen Lagen (s. ifo-Index); zunächst die Zuversicht von Finanzmarktexperten (ZEW), dann das Konsumentenvertrauen (welches auch in Europa substanziell zurückgeht). Zunächst die Auftragseingänge, dann die Industrieproduktion; etc. etc. Am Ende wohl die gesamte Wirtschaftsleistung… Und dann wäre noch die Kleinigkeit mit der Finanzkrise…

Aber, Konjunkturprogramm wird ausdrücklich ausgeschlossen. “Ausdrücklich” ist sehr wörtlich gemeint: Zielgerichtete Investitionen, aber kein Konjunkturprogramm, Mitteilung der Bundesregierung, heute, 20.Oktober 2008:

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich entschieden gegen ein breites schuldenfinanziertes Kredit- und Konjunkturprogramm ausgesprochen. Stattdessen setzt die Bundesregierung auf zielgerichtete, branchenspezifische Investitionen.

Nun gut, zwei Hoffnungen bleiben:

Erstens, es ist nur eine linguistische Tarnung und die “zielgerichteten, branchenspezifischen Investitionen” erweisen sich praktisch als (vollwertiges) Konjunkturprogramm.

Zweitens, die anderen Staaten sind weniger … hm … dogmatisch und geben ihren Wirtschaften den nötigen Stimulus. So sieht es aus in Ländern wie Spanien, Italien, Frankreich, aber natürlich am wichtigsten in den USA — dort wird (nach dem Rettungspaket für die Banken und nach einem 150 Mrd. $ schweren Fiskalpaket vor einigen Monaten) noch ein zusätzliches Konjunkturprogramm gefordert. Von Fed-Chef Ben Bernanke höchst persönlich.

(FTD: Bernanke will neues Konjunkturprogramm; Original-Text: Chairman Ben S. Bernanke, Economic outlook and financial markets, Before the Committee on the Budget, U.S. House of Representatives).

Vielleicht haben wir Glück. Der Export war schon immer der Motor…

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1 Kommentar bis jetzt ↓

  • Saviano // 21. Okt, 2008

    Und das ist auch cool:

    16.13 Die weltweite Finanzkrise hat nun auch China erfasst und dem Wirtschaftsboom des Riesenreiches einen Dämpfer versetzt. Nach Angaben der nationalen Statistikbehörde vom Montag in Peking ergibt sich für die ersten neun Monate des Jahres ein Wachstum von 9,9 Prozent, das sind 2,3 Prozentpunkte weniger als im Vorjahreszeitraum. Die Finanzkrise und die weltweite Konjunkturschwäche begännen, “deutlich negative Auswirkungen” auf China zu haben, sagte der Sprecher der Statistikbehörde.

    FTD.de, News-Tickera

    Und dann: China plant Maßnahmen, die Wirtschaft anzukurbeln (China Plans Steps to Boost Growth as Economy Slows – NYTimes.com) … bei 9,9% Wirtschaftswachstum!

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