Noch im letzten Jahr haben wir die unerfreuliche (?) Feststellung gemacht, dass die Aktien (gemessen beispielsweise am S&P 500) 10 Jahre lang summa summarum nichts gebracht haben. Eine Null-Performance, die außerdem inflationsbereinigt sogar zu einem bitteren Minus von nicht weniger als 20 Prozent wird.
Nach dem November 2008 (dem Monat der oberen Feststellung) sind die Börsen noch einmal kräftig gefallen. Den Rekord haben wir vermutlich irgendwann im März 2009 geschrieben — der S&P 500 wies damals einen 10-Jahres-Verlust von ca. 40% aus (s. Grafik, Klick für größere Ansicht).
Die aktuelle Zahl ist etwas kleiner, aber es sind immer noch mehr als -30%.
Derartige Eskapaden sind sehr ungewöhnlich. Die enttäuschende Performance der Aktienmärkte über solche lange Perioden führt unweigerlich dazu, die altbekannte “Buy-and-Hold”-Strategie massiv in Frage zu stellen, sie sogar völlig zu verwerfen: Bringt ja nichts; nur mit geschicktem Timing konnte man in den letzten 10 Jahren was verdienen; Kaufen und Halten funktioniert eben nicht…
Wenn man bedenkt, dass die Börsen und die Weltwirtschaft in einer tiefen Krise stecken und die globale Ordnung inklusive Finanzsystem bestenfalls als anfällig, schlimmstenfalls als völlig untragbar bezeichnet werden, kann man sich leicht die Zweifel an einer erfolgreichen Kaufen-und-Halten-Strategie ausmalen.
Diese Meinung teile ich nicht. Auch Gottfried Heller (und ich stimme ihm hier zu) erwidert:
Es ist ganz natürlich, dass die Popularität [von "Kaufen und Halten"] gegen Ende einer Baisse am geringsten ist. In solchen Phasen konvertieren selbst die hartgesottensten “Kaufen-und-Halten”-Protagonisten zu Anhängern der Timing-Idee. Sie tun dies aber zum ungünstigsten Zeitpunkt, denn nach einem Kursverlust von 50 Prozent ist das Verlustrisiko geringer und die Gewinnchance größer.
Welt.de, Warum die Anleger ihre eigenen Feinde sind
Die Zyklen an der Börse betreffen — offensichtlich — nicht nur die Aktienkurse, sie betreffen auch die Anlagestrategien (auch bei Management-Konzepten soll es, übrigens, ähnlich sein). Wer sich antizyklisch verhalten will, sollte auch gegen die Trends bei den Investmentstrategien operieren (oder zumindest: unabhängig davon).
9 Kommentare bis jetzt ↓
Joerg // 25. Jun, 2009
Ausschlaggebend ist bei buy and hold immer der Zeitpunkt des Einkaufs. Der ist aktuell auf lange Sicht sicher nicht der schlechteste, vorallem wenn man von einer sich ausweitenden Geldmenge ausgeht. Bei der Vola könnten einige die bisher an buy und hold festgehalten haben, gut durchgeschüttelt werden.
Saviano // 25. Jun, 2009
Der Zeitpunkt des Einkaufs ist doch immer wichtig. Und die Volatilität spielt bei der echten Buy and Hold wohl keine große Rolle. Man kauft ja nicht, um die Positionen täglich, monatlich, nicht einmal jährlich dahingehend zu checken, ob man jetzt Gewinne oder Verluste hat (diese bleiben nur auf dem Papier und interessieren wirklich erst einige Jahre später).
Fakt ist, dass man in den letzten 10 Jahren mit Buy and Hold unabhängig des Einstiegs im Durchschnitt Verlust gemacht hat. Der einzige Ausweg war nur, in der Nähe der Hochs zu verkaufen, also das Hold “aufzuweichen”. Dann ist es aber auch keine echte Buy and Hold Strategie, sondern ein schon spekulatives Verhalten (wenn auch in etwas größeren Abständen).
Holger // 25. Jun, 2009
Zur Ergänzung vielleicht noch: Buy and Hold soll ja eine wirklich langfristige Strategie sein. Entsprechend sollte auch der Einstiegszeitpunkt keine so große Rolle spielen wie bei kürzerfristigen Strategien. Das soll ja gerade ein großer Vorteil von Buy and Hold sein. Der Einfluss von schlechtem Timing soll ja gerade eliminiert werden. Aber klar: 10 Jahre sind für die meisten schon ein langer Zeitraum.
Saviano // 26. Jun, 2009
Ich würde Holger zustimmen, dass bei Buy and Hold der Einstiegszeitpunkt keine so große Rolle spielt. Im Gegensatz dazu sind die kurzfristigen Trading-Strategien maßgeblich durch das Timing bestimmt. Trotzdem ist es sehr hilfreich in grosso modo zu relativ günstigen Zeitpunkten Positionen auf- und auszubauen und sich bei teuren Börsen zurückzuhalten (nicht verkaufen, da wir von langfristigen Buy and Hold sprechen, aber wenigstens abwarten). In grosso modo kann für mich durchaus Jahre umfassen. Ich denke, wir befinden uns momentan in einer solchen Phase.
Joerg // 26. Jun, 2009
Bis ins Jahr 2000 ging es ja auch sehr gut es einfach komplett liegen zu lassen. Aber ich denke auch buy und hold sollte man eher auf ein 5 bis 7 jähigen Börsenzyklus beschränken und nicht auf alle Ewigkeiten, irgendwann muss man ja schliesslich auch was einnehmen.
Mit der Vola meinte ich, dass diejenigen Probleme haben werden, die nun von buy und hold umsteigen wollen. Es sind völlig andere Denkprozesse und viele werden dann ausgerechnet immer im falschen Moment ein oder aussteigen.
Lesefutter für’s Wochenende | Kapitalmarktexperten.de // 26. Jun, 2009
[...] “Jetzt stehen die Chancen einer langfristigen Anlage besonders gut” stellt der Kollege vom Boersennotizbuch fest und empfiehlt, antizyklisch zu agieren. [...]
Georg // 28. Jun, 2009
“Trotzdem ist es sehr hilfreich in grosso modo zu relativ günstigen Zeitpunkten Positionen auf- und auszubauen und sich bei teuren Börsen zurückzuhalten.”
Wenn man davon ausgeht, dass das Portfolio nicht nur aus einer Position besteht, macht man mit Rebalancing ja implizit eigentlich genau das (und bleibt trotzdem frei von “Einschätzungen” und Timing)
Strategie bei der Geldanlage « BloggingLife // 1. Jul, 2009
[...] Thema der Geldanlage kann der mutige Investor langsam eine langfristige Investition in Erwägung ziehen. Hierbei sollte man langfristig wirklich wörtlich nehmen, denn meiner Meinung nach wird [...]
Sparquote in den USA steigt auf 6,9 Prozent im Mai. Einkommen legen zu dank Stimulus. • Börsennotizbuch // 20. Okt, 2009
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