Börsennotizbuch

Bekanntlich, befindet sich der chinesische Aktienmarkt in einem “Bären-Modus” (er hat soweit in der Spitze mehr als 20 Prozent verloren).

Die Situation ist kompliziert: auf der einen Seite natürlich die boomende Wirtschaft, aber das hat mit der Börse nicht unbedingt direkt viel zu tun. Vor allem dann nicht, wenn die Aktienkurse so stark steigen und so hohe Bewertungen implizieren. Wichtiger hier scheinen die Liquiditätsbedingungen zu sein, und – womöglich – der Wunsch der Regierung (und des Landes), die Lage in China wirtschaftlich, börsentechnisch und politisch wenigstens bis zu den Olympischen Spielen ruhig, so zu sagen “vorzeigbar”, zu halten. Dass es nach der “verkehrten Börsen-Logik” gerade eben zu unruhigen Zeiten vor den Spielen kommen kann – darüber habe ich bereits geschrieben.

Die Liquiditätsbedingungen sind aber auch “zweideutig”: die Geldmenge in China wächst sehr schnell, die reale Verzinsung ist praktisch negativ, denn die Inflation hat spürbar angezogen und frisst die relativ niedrigen Kapitalmarktzinsen (diktiert von der Zentralbank) auf. In einem solchen inflationären Umfeld rettet man sich gern in Sachwerten, und, insbesondere, wenn die Phantasie groß ist und die Wirtschaft boomt, mit Vorliebe in Aktien. Das hat auch, meiner Meinung nach, die Börsen entscheidend angeheizt.

Die Liquiditätssituation wird aber andererseits seit längerer Zeit und konsequent verengt – die Kreditrestriktionen werden verschärft, die Zinsen und die Mindestreservepflichten angehoben. Gewöhnlich führt dies früher oder später zu “Bremsspuren” an den Börsen – zuerst an den Börsen!

Vielleicht sehen wir bereits genau das – die Blase kann sich nicht mehr ausweiten. Aus mehreren Gründen können oder wollen die Marktteilnehmer die Kurse nicht länger halten. 20 Prozent Minus bedeutet, dass die Nachfrage auch bei 10 oder 15 Prozent günstigeren Notierungen nicht angesprungen ist, was in einem Bullenmarkt schon die ganz berechtigten Zweifel aufwirft. Eben – Richtungswechsel.

FT Alphaville wirft hier einen zweiten Blick, und zwar auf die Performance der chinesischen IPOs. Diese ist noch sehr robust, milde gesagt. Vor dem Hintergrund eines nach Süden abdriftenden Marktes, präsentieren sich die Neuemissionen sehr stark. Man fragt sich also: ist dies ein letztes Aufbäumen der Optimisten, oder sind die Kräfte hinter der chinesischen Hausse immer noch lebendig?

Ich weiß es selber nicht, aber der chinesische Markt war mir schon lange genug suspekt und für mich längst reif für eine heftige Korrektur. Bei der überhitzten Lage halte ich außerdem einen regelrechten Bear-Market eigentlich für quasi unvermeidbar. Vielleicht hat man noch irgendwie Glück, aber spätestens, wenn es für die Welt, sprich die USA, in 2008 börsentechnisch nicht so rund laufen soll, werden wir in China - meine persönliche Meinung - bald Minus 50% oder so zu beklagen haben. Und wahrscheinlich etwas zu trübe Stimmung bei den Olympischen Spielen…