egghat ärgert sich über einen sich abzeichnenden “Bernanke Put”. Als Anlass dienen die Pläne, einen “Rettungsfonds” oder eine wie auch immer geartete Konstruktion (Vereinbarung) aufzustellen, die die Schäden der Immobilienkrise abmildert — aktuell mit dem Vorschlag, dass die variablen Zinsanpassungen, die auf viele Hypothekennehmer kommen, erstmal nicht zuzulassen.
Am Ende ist das ein klassischer Bailout. Man kann ruhig richtig Mist bauen. Man muss sich nur sicher sein, dass genügend andere mitmachen und der Schaden genügend hoch wird. Dann wird der Staat schon einspringen. Immerhin rettet man *nicht* direkt die Wall Street (Banken, SIVs, Ratingagenturen), sondern den Hausbesitzer, aber das ist wohl auch eher aus wahlkampftaktischen Gründen so. Die Rettung von Zehntausenden von der Hypothekenmafia über den Tisch gezogenen Durchschnittsamerikanern (OK, mit viel zu großem Haus) macht sich halt toll. Man hat den Pathos geschwängerten Fernsehspot direkt vor Augen. Aber im Endeffekt rettet es doch die Wallstreet, denn man macht aus schlechten Risiken jetzt bessere. Risiken, die allerdings nie entstanden wären, wenn eine vernünftige Risikokontrolle vor der Vergabe der Hypotheken erfolgt wäre. Und das ist eine der ureigensten Aufgaben einer Bank …
Wenn man aber von tiefgreifenden Krisen und Zusammenbrüchen spricht, muss man immer auch die Fähigkeit der “Systemlenker” bedenken, einen Bailout bzw. Rettungsmaßnahmen doch durchzuführen. Ganz beiseite gelassen, ob eine “Rettung” (auch die konkrete) als “unfair” bezeichnet werden kann oder nicht.
Was die Moral-Hazard-Problematik betrifft, die hier angesprochen wird, ich habe das Gefühl, dass diese Argumentation auch etwas zu leichtfertig verwendet wird. Seit Ewigkeiten gibt es einen “too big to fail”-Spruch an der Börse. Auch in der Wirtschaft springen Politiker und Regierungen ein, wenn es um größere Unternehmen geht, die in Schwierigkeiten stecken und wenn Tausende Jobs gefährdet sind. Ist das schlimm? – Man kann es nicht eindeutig beantworten, es kommt auf den konkreten Fall an, aber ich denke, man kann es auch nicht eindeutig als “unvernünftig” oder “unfair” bezeichnen.
So gut wie jeder Bank-Trader (angestellter und Boni beziehender Trader) ist ein Moral Hasardeur, jeder Manager verfolgt eigene Ziele, die nicht immer mit denen des Unternehmens übereinstimmen. Auf jeden Fall: Die Problematik ist nicht von gestern und wird sicherlich nicht so leicht verschwinden.
Das Problem an der Argumentation: in den meisten individuellen Fällen bleibt das Verlustrisiko bestehen. Die Investoren werden schon bestraft, eine Menge Hausbesitzer werden auch bestraft, die Börse bestraft gerade die Banken und ihre Aktionäre, Manager verlieren ihre Jobs. Strafe ist da.
Der erste Punkt ist: Soll die Strafe so hoch sein, dass sie gleich “ruinös” ist? Fordert man das?
Der zweite: Muss sie ruinös sein? Und natürlich: Für wen ruinös?
Der dritte: Wie genau greift dieser Moral Hazard? Sicher, wenn man die Citibank oder Bear Stearns ist, greift sie wohl (bemerken: wohl — nicht immer wird man gerettet). Aber lautet dann die “verderbende” Botschaft “Werdet wie die Citi und Bear Stearns”?
Und zum Schluss komme ich wieder auf den Satz von oben: Wenn man von tiefgreifenden Krisen und Zusammenbrüchen spricht, muss man immer auch die Fähigkeit des Systems bedenken, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Es gibt dabei auch keine “richtigen” Spielregeln. Denn die Spielregeln werden von innerhalb des Systems, letztendlich von uns, gemacht (ich möchte das Wort “System” hier nicht so “kalt” und “unmenschlich” verstanden). Auch ein Helikopter mit Geldscheinen ist möglich…
4 Kommentare bis jetzt ↓
egghat // 6. Dez, 2007
Ja, ich kenne natürlich too big to fail, aber trotzdem heisst das doch nicht im Umkehrschluss, dass man das nicht “unfair” nennen darf. Wenn ich Holzmann rette und Hunderte von kleinen Bauunternehmern nicht, dann ist das eben nicht fair. Sind die 10000 Holzmänner was besseres als die 10.000 Bauarbeiter in jeweils 1000 Firmen mit 10 Mann?
Es mag für eine solche unfaire Behandlung aber durchaus gute Gründe geben, da stimme ich dir voll zu.
Tja, und wenn man richtig Mist baut, dann muss man auch richtig dafür bluten. So wie der kleine Unternehmer auch. Einmal richtig viel Mist –> Pleite.
Das heisst ja auch nicht, dass die Citigroup dann den Bach runtergehen muss, aber wie wär’s denn z.B. mit einer kleinen Zerschlagung? Ja, ich weiss, dass die Abwägung zwischen Crash unter Nichtbestrafung sehr schwierig ist, aber auch wenn ich den Crash vermeiden möchte, kann ich nicht *immer* den kompletten Bailout durchgehen lassen. Immer wieder staatliche Garantien und Notenpresse auf Fullspeed? Das Problem der US-Wirtschaft ist leider, dass es schon lange keine richtige Strafe mehr gab. LTCM, Savings & Loans und jetzt Subprime: Es haben sich immer die gleichen Spieler die Taschen voll gemacht, alle haben *wegen* mangelnder Risikokontrolle lange Zeit viel Geld verdient und am Ende haben andere (der Steuerzahler) dafür zahlen müssen.
Wenn die großen Player diesmal wieder mit einem Quartal ohne Gewinn bezahlen müssen, wird die nächste Blase auf Grund von überschäumendem Risiko noch schneller kommen als Subprime (2006) nach der Internetblase (1999/2000). Die Selbstreinigungskräfte sind nicht mehr da.
Aber die Hoffnung ist vergebens. Wir haben Wahlkampf in den USA und da ist Schönwetter angesagt. Koste es was es wolle.
M3 + 15%, plus 20%, egal. Die Rechnung am Ende wird immer teurer …
Saviano // 7. Dez, 2007
Too big to fail: Einige Gedanken von Accrued Interest, Too big to fail? Not this ship, sister
Moral Hazard • Börsennotizbuch // 19. Dez, 2007
[...] Manche erzürnen sich, dass auf diese Weise die Spekulanten, die falsche Entscheidungen und Investitionen gemacht haben, “unbestraft davon kämen”. Ich habe bereits einmal versucht, vieles zu relativieren: Bernanke Put? [...]
“Die Banker zahlen endlich für das Risiko” • Börsennotizbuch // 18. Mrz, 2008
[...] geschrieben und gesagt (auch hier im Blog z.B. — “Moral Hazard” oder “Bernanke Put?“). Die Bankenkrise diente quasi als Lehrbuchbesipiel für diese “Gefahr einer [...]
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