Börsennotizbuch

Ich möchte einige Beobachtungen kurz darstellen. Es handelt sich um die Zinsspreads – ich habe schon mal geschrieben, dass ich eigentlich – wenn überhaupt – von dieser Seite Schlimmes (eine Art Credit-Crunch) erwarten würde. Sogar möchte ich mich selbst zitieren (vom 8. März 2007):

Die Börsen – wage ich zu behaupten – werden eine Verlangsamung der Konjunktur gut überstehen können. Was schwieriger sein wird, ist Liquiditätskrise, ergo hohe Zinsen: so verschieben sich nicht nur die Bewertungsmaßstäbe, viele der Investoren könnten auch noch gezwungen werden, aus Aktienpositionen auszusteigen.

Wie der obere Kreis durchbrochen wird, können wir uns nicht schwer ausmalen: die Zahlungsausfälle nehmen zu, die wackeligen Finanzierungskonstrukte kippen zuerst und reißen auch die gesünderen Anbieter mit sich (da Schulden, Kredite, Derivate und alles ziemlich stark verflochten ist). Die Aktien stürzen ab (diverse Beispiele sind brandaktuell), die Bonität wird rapide herabgestuft, und wenn die Kettenreaktion anhält – haben wir schnell einen (Junk-)Bond-Markt-Kollaps.

Augen auf die Zinsen!

Ich habe selbst nicht erwartet, dass dies so treffend sein kann. Um etwas zu relativieren: ich habe die Liquiditätskrise am Geldmarkt so nicht gemeint. Das kam auch für mich überraschend.

Wie auch immer. Damals schrieb ich “Vergessen Sie die Konjunktur” – und heute würde ich auch sagen: das Wichtigste sind die Zinsen. Also, ein Credit-Cunch wird für mich ein Kollaps am Junk-Bond-Markt sein (falls es kommt — vergessen Sie nicht, ich bin grundsätzlich optimistisch). Aus dem Monatsbericht der EZB habe ich die untere Grafik der Zinsspreads der Unternehmensanleihen unterschiedlicher Bonität/Rating.

Die Spreads betreffen die Euro-Unternehmen, in Amerika sieht es aber nicht viel anders aus. Was man sofort sieht, ist eine relativ plötzliche Ausweitung der Spreads seit Juni. Diese betrifft vor allem die Papiere niedriger und niedrigster Bonität. Die AAA-bonds (also meistens der großen, finanzkräftigen Unternehmen) haben sich nur wenig geändert.

Bei einem Zinsaufschlag von rund 400 BP sind die Zeiten günstigster Finanzierung wohl vorbei.

Wie haben die Aktien darauf reagiert?

Die folgenden Grafiken zeigen die US-Indizes für Small, Mid und Large Caps. Es ist wohl bekannt, dass in der Aktienhausse bis jetzt die Small und Mid Caps die Large Caps deutlich geschlagen haben (erster Chart). Diese Outperformance ist grafisch sogar deutlicher auf dem zweiten Chart (dort wird die Entwicklung relativ zu den Large Caps dargestellt). Chart 3 und 4 zeigen den Verlauf seit Januar dieses Jahres (wieder nach dem gleichen Prinzip: alle drei und relativ zu den Large Caps). Auf Chart 5 und 6 folgen dann die Monate seit Juni (dem Anfang der erwähnten plötzlichen Ausweitung der Zinsspreads).

Wie man sieht, die Small und die Mid Caps haben ziemlich genau dann aufgehört, die Large Caps zu outperformen, als die Zinsspreads anfingen zu wachsen. Genauer: seit Juni schneiden sie (plötzlich) schlechter ab. Mit immer noch hohen Zinsaufschlägen dürfte sich diese Tendenz fortsetzen. Ich würde die Large Caps (eigentlich seit Längerem) übergewichten. Mit den immer noch hohen Zinsaufschlägen dürfte auch die Gefahr für ernstere finanzielle Schwierigkeiten bei den Small und Mid Caps zunehmen — man sollte hier bedenken, dass die Banken im Moment nicht gerade drängen, Kredite zu vergeben (und das bei einer schlechteren Bonität). Die Deckung des Finanzierungsbedarfs können diese Unternehmen über die Börse suchen (Aktien emittieren, verkaufen).

Weiteres dazu demnächst.