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Börsennotizbuch

Ein seriöses, aber lockeres Gespräch über die Börse
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Die Web2.0-Bubble?

18. Oktober, 2007 ·

Das Thema ist wieder auf dem Tisch — bläst sich erneut eine Internet-Balse auf? Was ist los im Silicon Valley, stimmt die “Mathematik” der Investments nicht? In The New York Times gibt es einen interessanten Artikel mit skeptischen Beurteilungen zu lesen (im Börsennotizbuch auch Einiges von früher: Die gefürchtete Blase 2.0, Deutschland und das Web2.0 und überhaupt zum Stichwort: Web2.0).

Im Artikel wird genannt, dass für viele Beobachter der Anfang einer neuen Blase mit der Übernahme von Skype durch eBay eingeläutet worden war. Später folgte die YouTube-Akquisition durch Google. Die Zahlen, die dafür bezahlt wurden, sind wahrlich immens, wie auch die gerade erfolgte Abschreibung (im Fall Skype).

Der Schlüsselpunkt der Kritik:

“We are almost going back to year 2000 types of errors,” said Aaron Kessler, an Internet analyst at Piper Jaffray. Internet companies “are buying users instead of revenue and profitability,” he said.

Und noch einer:

The Skype and YouTube windfalls helped to give the newest batch of Internet entrepreneurs dreams of improbable wealth. They also brought back practices that had seemingly been discredited during the first boom. For example, in the first dot-com gold rush, Internet companies did not have to make money to acquire serious investments dollars. Now that once again is true.

Also eine Blase? Ja, irgendwie schon. Wenn ich mir die vielen Angebote anschaue — es ist wenig wirklicher Nutzen da, außerdem sie werden viel zu zahlreich. Hier wird es wohl eine Korrektur geben müssen, das VC-Geld wird sich irgendwann zurückziehen, und – unangenehmerweise für die Gründer (oder Möchte-Gründer) – wird dies wohl sehr plötzlich passieren, praktisch über Nacht.

Im Moment (wie im Artikel auch erwähnt) schauen sich viele um und sehen einen riesigen Kapitalfluss in die neuen Startups, nach Silicon Valley, sehen VCs mit vollen Koffern mit Geld und einer wohlwollenden, risikoreichen Attitüde. Und keine Anzeichen, dass sich das ändern kann. Ich meine doch: es wird eher bis zum Schluss keine Anzeichen geben, aber gleich eine Kontraktion des Geldflusses.

Das gesagt, will ich doch auch die wichtigen Pro-Argumente für die aktive Investitionstätigkeit und gegen die Gefahr der Blase erwähnen. Die NY Times nennt auch meinen zentralen Punkt (vor Monaten geschrieben, sieh obere Links):

This time around, people indulging in that optimistic thinking are not mom-and-pop investors or day traders but venture capitalists whose coffers are overflowing with money from university endowments and hedge funds. Many of those financial professionals say that this time, everything is different.

Des weiteren:

“The cost of doing business has declined dramatically, and traditional media companies have also woken up to the opportunities of the Web.

Und schließlich:

The flood of advertising dollars to the Web has become an indomitable trend and a proven way for these start-ups to make money, while the revenue models of the dot-coms of yesteryear were often little more than sleight of hand.

Oder anders gesagt: Die Kosten für die neuen Online-Unternehmen sind sehr niedrig; der e-Commerce ist enorm gewachsen (im Internet wird Geld ausgegeben, also auch Geld verdient), also gibt es eine reale und große Kaufkraft die direkt online angesprochen wird; die Menschen verbringen auch viel mehr Zeit und erledigen viel mehr Aufgaben (mit praktischer und kommerzieller Relevanz) online; und (infolgedessen) wandern immer mehr Werbe-Gelder ins Web. Die Trends sind real, die Verdienstmöglichkeiten, insbesondere die Werbe-Finanzierung (weil für die neuen Startups die häufigste), sind geprüft und wohl beständig.

Zusammen mit den niedrigen Kosten (Initiierung und laufender Betrieb) ergeben sich – häufig – schwarze Zahlen. Mit den Wachstumsperspektiven ergeben sich höhere Bewertungen. Soweit sind wir eher auf der sicheren Seite. Aber…

Sind erstens, die Preise für die Unternehmen nicht zu hoch? Sicher — man kauft auch viel Fantasie und Hoffnungen mit. Wer kauft? Die VC-Investoren, Hedge Funds und über Umwege diverse andere Risikokapitalgeber. Es kaufen auch die Unternehmen, sprich die Aktionäre. In der breiten Masse ist der Trend, sich an diesen Unternehmen zu beteiligen, trotzdem nicht angekommen. Es fehlen meistens schlicht die Instrumente dafür.

Falls eine große Ernüchterung eintritt, werden die Profis das Geld verlieren (über Umwege natürlich auch eine größere Gruppe Anleger). Ich kann keine präzise Einschätzung geben, aber mein Eindruck ist (wie ober zitiert), dass die breite Masse, rein investitionstechnisch, zunächst kaum von einem Kollaps hier berührt sein wird.

Dann, zweitens, werden nicht zuviel Ressourcen in Bereichen und für Leistungen aufgewendet, die keinen Nutzen haben? Zum Teil, ja, sicher — die 20. Videoplattform oder das 30. Social Network ist wohl kaum notwendig (rein mit einem gesunden Menschenverstand beurteilt). Aber sind die aufgewendeten Ressourcen signifikant für die Volkswirtschaft (zum Beispiel die der USA)? Ich weiß es nicht, hier muss man noch recherchieren (denn die Web2.0-Seiten sind schnell mit ein paar guten Techies fertig. Man baut ja nicht Mobilfunk-Infrastruktur… Aber insgesamt ein Fragezeichen, Hinweise – bitte gern).

Das ist aber entscheidende Fragen. Denn was passiert, wenn die Blase platzt? Wie wird dies aussehen?

Die VC-Gelder werden verschwinden; Abschreibungen der gekauften Unternehmen (wir unterstellen ja eine fehlende Profitabilität) werden bald folgen müssen. Die Lust, neue Startups zu gründen wird stark nachlassen; viele bestehende (falls nicht profitabel) müssen schließen; viele Menschen ohne Job; und um wieder oben anzukommen: viel Geld ist (unnötigerweise) von den Taschen von vielen in die Taschen einiger weniger Gründer, VC-Manger und andere Beteiligten gewandert. Das sind aus meiner Sicht die typischen “Depressionen” nach einer spekulativen Blase: Umverteilung des Kapitals von vielen auf wenige; psychologischer Schock (vor allem aufgrund von finanziellen Verlusten); Fehlallokation von Ressourcen, die kein Wert geschaffen haben — das heißt eine Ãœbergangsphase mit höherer Arbeitslosigkeit.

Wie gesagt, mir fehlen schon genauere Infos, um genauer beurteilen zu können, aber wenn nicht die Blase, dann die Gefahr vor ihrem Platzen, würde ich relativieren, bzw. gelassener entgegensehen. Denn in der oberen “Kette” vermisse ich noch wichtige Punkte: die eingebundenen Ressourcen scheinen nicht so viel zu sein; die Partizipation des Publikums auch nicht sehr groß; die Profitabilität (Preise hin oder her) ist bei vielen Unternehmen (mit nennenswerter Größe) schon gegeben (nicht schwer erzielbar).

Und abschließend: Auswüchse sind klar zu erkennen; noch sind sie aber in der Business-Szene verankert; die wirtschaftliche Signifikanz muss auch geprüft werden. Ein Platzen dürfte noch nicht viel mehr als ein mittelschwerer, lokaler Kater im Silicon Valley sein. Noch.

(Denn wie man sieht dreht sich die Scheibe schnell, vor 6 Monaten und vor einem Jahr waren die Auswüchse kleiner, jetzt sind sie größer, morgen? — ich weiß nicht).

Kategorien: Frontpage · Gesamtmarkt · Unternehmen

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